28. März 2009

Koloniale Mitbringsel 2 - die Mesopandítissa in Santa Maria della Salute


Venedigs zweite "nicht von (Menschen-)
hand gemachte", sprich "vom Hl. Lukas gemach-
te", ist die
Mesopandítissa in der Salute Kirche.

Sie ist nicht "schwarz", wie gerne behauptet wird, sondern einfach alt, wie auch die Nikopió in San Marco (siehe vorherigen Eintrag).
Auch sie stammt ursprünglich aus Konstantinoupolis und wurde während des Bilderstreits und vor der Eroberung der Stadt durch die Kreuzfahrer nach Kreta, damals Chandaka, gerettet. Sie wurde dort, wie die Odigítria in Konstantinoupolis, die zentral verehrte Ikone und hatte ihren Sitz in der Hauptkirche Agios Titus, in Wohngemeinschaft mit den Reliquien eben dieses Heiligen.


Ihr Name ist nicht so sinnfällig wie der der Nikopió/Siegbringerin. Im Prinzip tragen viele orthodoxe Marienikonen einen persönlichen Namen wie du und ich, und die, die keinen Eigennamen haben, gehören zu einer inhaltlichen "Gattung", der man sie zuordnen kann. (Die Mesopandítissa ist eine Odigítria, eine Wegweiserin.) Auf der Website der Pfarrgemeinde im heutigen Iraklion, zu der sie ursprünglich gehörte, wird der Name pragmatisch definiert als "Die zwischen Lichtmess und Fastenbeginn (ihren Feiertag hat)". Älter ist die Übertragung "Die zwischen den Parteien Vermittelnde, die Mediatorin". Die Wunderwirkung der Ikone der Mesopandítissa liegt nicht im Militärischen , wie die der Nikopió, sondern in der Aussöhnung Verfeindeter, mit legendären Belegen.
Besonders während des heiklen Agios-Minas-Aufstandes 1264 der anfänglich permanent gegen die venezianische Kolonisierung rebellierenden Kreter kam es zum Friedensschluss durch die aktive Intervention der Ikone.


Die Venezianer übernahmen die Verehrung der Kreter für die Ikone, deren dienstägliche und feiertägliche Prozessionen (die den Riten in Konstantinopel entsprachen) ausgedehnt wurden. Die Ikone wurde nicht mehr nur zwischen den orthodoxen Kirchen paradiert, sondern vor allem auch zu den lateinischen Kirchen und Klöstern innerhalb der Befestigungsmauern der Hauptstadt Candia.
Zur Teilnahme verpflichtet war nicht nur die Bevölkerung, sondern auch der orthodoxe und der lateinische Klerus (letzterer sogar bei Strafandrohung). Die Prozession der Ikone wurde so zum wöchentlichen Hauptevent in Candia und wichtigen sozialen und religiösen Bindeglied zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen Venezianer - Kreter. Die Mesopandítissa spielte sozusagen die Rolle der Garantin kolonialen Friedens und Harmonie auf der Insel Candia.


Als die Venezianer unter Francesco Morosini (siehe auch Eintrag vom 20.4.2008) nach langer Belagerung durch die Osmanen Candia 1669 aufgeben mussten und die Insel damit komplett in Feindeshände fiel, wurde die Mesopandítissa neben Menschen, Archiven und anderen Werten als Bestandteil des kolonialen Erbes nach Venedig gerettet. Ihre neue Kirche wartete bereits, Santa Maria della Salute.
Sie blieb und bleibt in Venedig, als Versicherung gegen die Pest, während die ebenfalls "geretteten" Reliquien des Hl. Titus immerhin 1966 zurück reisen durften.

Die Ikone wird, wie die Nikopió von San Marco, nicht mehr herumgeschleppt. Statt dessen kommt jährlich am 21. November die ganze Stadt - Bevölkerung, Honorationen, Ruderclubs, der Patriarch... zu Besuch, man hängt ihr ihren gesamten Gold- und Silberschmuck um, eine Brücke wird für drei Tage über den Canal Grande gebaut. (Siehe auch Eintrag vom 12.1.2008).

Ein verbindendes Fest,
ein ziemlicher Rummel. Aber vielleicht war das nicht viel anders, früher auf Kreta.


.

15. März 2009

Koloniale Mitbringsel 1 - die Nikopió in San Marco

Venedig ist voller "Beutekunst" - jahrhundertelang schleppten die Venezianer aus den Gegenden um das östliche Mittelmeer alles heran, was der Zierde und dem höheren Lob ihrer Stadt diente. Besonders in und um San Marco herum kann man großartige Funde und Einzelstücke bewundern, am besten mit Hilfe eines Opernguckers um Einzelheiten zu erkennen.


Die Ikone der Nikopió, (Παναγια Νικοποιο), die Venezianer nennen sie Nikopea wegen der weiblichen Endung, wird seit Jahrhun-
derten in Venedig unter den Schätzen von San Marco besonders verehrt.

Auf dem allgemeinen Rundgang durch San Marco vom Eingangsportal an der Westseite aus kann man sie kaum richtig wahrnehmen. Deshalb tritt man besser durch das Nordportal (das Gottesdienstportal) ein und ist in der Nordecke des Querschiffs direkt neben der Capella San Isidoro. Hier ist sie auf dem Altar die Ikone ausgestellt.
Samstags, wenn in San Marco geheiratet wird, machen die Bräute beim Auszug aus der Kirche alleine einen kleinen Schlenker und legen ihren Strauss (heutzutage eine für die Nikopió zusätzliche besorgte Version, der echte Brautstrauss muss natürlich mit zum Fotografen) auf den Altar.

Die Nikopió ist eines der vielen Beutestücke des 4. Kreuzzuges, bei dem Konstantinoupolis, die Hauptstadt des byzantinischen Kaiserreiches, von den Kreuzfahrern, angeführt von den Venezianern, erobert wurde. Sie war dort neben der berühmten Ikone der Odigitria die "wichtigste" Ikone, weil militärisch wundertätig gemäß ihres Namens "Siegmacherin", Siegbringerin. Die byzantinischen Kaiser ließen sie in Kriegen den Truppen voraustragen, die auf die Wunderkraft der Ikone vertrauend in den Kampf zogen, was sollten sie auch tun...
Da die Siegmacherin noch während der Belagerung Konstantinopels als "Geschenk" des künftigen Kaisers Alexius V. eingesackt werden konnte, waren die Venezianer wohl guter Hoffnung, wem mit Hilfe der Ikone die Siege künftig zufallen würden.

Die Ikone stammt aus dem 11. Jahrhundert und gehört zu den sogenannten "nicht von (Menschen-)hand gemachten" Ikonen, d. h. sie wird legendenmäßig der Künstlerhand des Apostels Lukas zugeschrieben. Rechnerisch ist das nicht drin, und die 'Beweisketten' aus späteren Jahrhunderten zur Unterstützung solcher Legenden beweisen vor allem die Bedeutung ihrer Funktion in den christlichen Kirchen dieser Zeit. Es gibt noch eine "Lukas"-Ikone in Venedig, über die ich ein anderes Mal berichten werde.

Die Ikone erreichte Venedig Anfang des 13. Jahrhunderts zusammen mit vielen anderen Schätzen aus Konstantinopel, wurde aber nie in der Schatzkammer von San Marco verstaut, sondern zunächst in der Sakristei ausgestellt, später zu besonderen Festen auf dem Hauptalter und sehr viel später fest installiert im Norden des Querschiffs. Weitere ungewöhnliche Hochachtung wurde ihr gezollt, in dem der Doge sie anläßlich von Festen speziell zum Gebet aufsuchte.

Die Venezianer übernahmen mit der Errichtung Ihrer Überseekolonien u. a. auch neue religiöse Rituale, als innen- und außenpolitsche Machtbelege. Die wöchentlichen Dienstagsprozessionen in Konstantinopel der Ikone der Odigitria, der berühmtesten "nicht von (Menschen-)hand" der orthodoxen Kirche, wurden umgesetzt in Prozessionen der Nikopió auf dem Markusplatz an Marienfeiertagen (z. B. 25.3. Verkündigung und Gründungstag der Republik Venedig, 15.8. Himmelfahrt der Maria) und Weihnachten.
Sie wurde aber auch zu anderen wichtigen Anlässen durch die Stadt paradiert, z. B. in Bittprozessionen gegen die häufigen Pestepidemien (z. B. 1630 an 15 aufeinander folgenden Samstagen), und sogar zur Baustelle der Salutekirche anläßlich der Grundsteinlegung dort.

Heute wird die Nikopió nicht mehr herumgetragen. Es gibt aber trotzdem, nach 800 Jahren, weiter jeden Sonntag eine Prozession zu ihren Ehren innerhalb San Marco. Zum Ende der Marienvesper, die im Hauptschiff gesungen wird, ziehen Priester und Gemeinde durch die Kathedrale mit Weihrauch und Gesang und beenden die Vesper in der Cappella San Isidoro vor der Ikone.
Auch für nicht Katholische oder sogar nicht Religiöse ist die Teilnahme ein beeindruckender Einblick in die religiösen Traditionen der Venezianer.


Zu diesem Thema gibt es ein hervorragendes, aber teures Buch: Maria Georgopoulou, Venice's Mediterranean Colonies. Immerhin gibt es davon eine 28seitige Leseprobe im Internet.






6. März 2009

Venedig im Coca Cola Stress?


Konzernfrei -
ästhetisch -
hoffentlich wirksam -
private Werbung in Venedig



Eigentlich wollte ich mich aus dem Coca Cola-Streit raushalten. Oder doch zumindest mit griechischer Gelassenheit abwarten, wie sich die Sache entwickelt.

Eine kleine Korrespondenz mit Peter Krakowizer von heute will ich reinstellen, damit das heiß umkämpfte Thema hier nicht übergangen wird:


Ich hätte da wieder einmal einen Beitrag für den Venedig-Blog, falls nicht eh schon bekannt:

Kein Ausverkauf Venedigs an Coca-Cola

Unter dem Druck heftiger Proteste beschloss Bürgermeister Massimo Cacciari, auf ein Angebot des Getränkeherstellers Coca Cola nun doch zu verzichten. Coca Cola hätt der Stadt in den nächsten fünf Jahren 2,1 Mill. an „Sponsorgeldern“ ausbezahlt. Im Gegenzug wollte der US-Konzern im gesamten Stadtgebiet Getränke- und Imbissaustomaten aufstellen. Nun meint Cacciari, das Angebot sei „als unzulänglich bewertet worden“. Nunmehr soll eine Ausschreibung folgen, die bessere Sponsorangebote bringen soll.

Die Stadtverwaltung hatte versichert, dass diese Automaten nur an jenen Orten aufgestellt werden hätten sollen, wo sie nicht allzu stark auffielen: etwa an Anlegestellen der Vaporetti. Auslöser des Protests waren Vertreter der Gastronomie, die um ihre eigenen Pfründe fürchteten.

Quelle: printmedium Salzburger Nachrichten 4. März 2009

Schöne Grüße
Peter

Guten Morgen Peter,
vielen Dank!

Ich habe das Coca-Cola-Trara verfolgt und noch nix dazu geschrieben, weil ich mir dachte, abwarten! Zuviel Geplärre! Es war sehr früh klar, dass die Coca-Cola-"Gegner" nicht gegen Coca-Cola-Automaten waren, sondern gegen die Verschleuderung der guten Geldquelle, es war von mindestes dem Doppelten die Rede, das Cacciari hätte rausschlagen sollen.

Es ist ausserdem so, dass ich zwar Venedig-Liebhaberin bin, aber keine Venedig-Romantikerin.
Heißt, die Stadt muss doch an der Zeit partizipieren und ihre Bürger und Besucher im notwendigen Umfang normal versorgen, solange Überflüssiges rausgelassen wird. Sonst gäbe es weder Vaporetti noch Strassenbeleuchtung. Und unter "Überflüssiges" würde ich noch nicht mal die potthässlichen Gerüstverkleidungen verstehen, die in den letzten Jahren überall zu sehen sind, denn die hängen da ein paar Jahre und sind dann wieder weg. Auf die lange venezianische Geschichte gesehen ein Nadelstich.

Die Cola-Automaten hätten angeblich keine Cola-Aufmachung gehabt (ich stelle mir vor: nicht dieses aggressive Rot mit dem Schriftzug), und wären nicht "überall in der Stadt", sondern da aufgestellt worden wo VIELE Leute sind, sonst rechnet sich die Sache ja nicht. Also an den Stellen, an denen es sowieso wimmelt von Touristenläden, Fressis etc., die ebenfalls als Geldquelle akzeptiert sind.
Ich bin die Letzte, die einem amerikanischen Großkonzern ein Ticket nach Venedig kaufen würde, (und trinke San Benedetto), aber wenn der sich ordentlich an der Finanzierung der Erhaltung dieser wunderbaren Stadt beteiligt ... und auf protzige Selbstdarstellung und Imagewerbung verzichtet!
Die Benachteiligung der lokalen kleinen Händler ist zwar problematisch, aber man sollte die erstmal hören, wenn die Steuer erhöht würde, um solche Sponsorverträge zu vermeiden.

Bist Du einverstanden, wenn ich diese kleine Korrespondenz unter Verlinkung auf Deine Website in mein Blog setze?

Zu ergänzen ist vielleicht noch, dass die Marketingagentur, die den Vertrag zwischen Coca Cola und der Comune Venezia eingefädelt hatte, dafür mit 400.000 € entlohnt werden sollte. Bei dem Preis ist der Vertrag von zweieinhalb Millionen dann wirklich kein Schnäppchen!

Entscheidend ist, die Kulturschätze zu erhalten, die bisher in Venedig die Zeit überdauert haben, mit allen Mitteln, die zur Verfügung stehen. Und sich für dieses Ziel Zimperlichkeiten und eitle Streitereien zu verkneifen.

Ich trauere um den Verlust des Historischen Archivs der Stadt Köln.