30. Oktober 2010

Löwen

Ich sammle KEINE Löwen, wie viele von uns Venedig-LiebhaberInnen. Ich denke, es gibt auf diesem Planeten keine Stadt in der man mehr Löwen findet, und man hat keine ruhige Minute in Venedig, wenn man damit anfängt.

Es gibt allerdings Löwen, die ich mir nicht verkneifen kann zu fotografieren, weil sie auf eine besondere Art grinsen, oder besonders gelungen oder gerupft aussehen, oder sich an einem besonderen Ort befinden.

Ich werde ein paar Tage Urlaub in 'oltre mare' machen, und sicher einige koloniale Löwen fotografieren an venezianischen Portalen, Festungen etc. in der Argolis. Einstweilen stelle ich hier einen besonders schönen Löwen ein, obwohl er aussieht, als würde er gerade in eine Steckdose fassen. Er ist "versteckt" im Gebäudekomplex Archivio di stato/Kreuzgänge der Frari.




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23. Oktober 2010

San Fancesco della Vigna...


...hat die einzige Palladio-Fassade von dreien in Venedig, die in ihren Proportionen aus der Nähe gut anzusehen ist - sie ist einerseits 'klein' genug, andererseits gibt es Platz einige Schritte rückwärts zu gehen, ohne ins Wasser zu fallen. Die beiden großen Palladiokirchen San Giorgio und Redentore sind ja eigentlich optisch nur vom Wasser aus zu erfassen.

Wer dann allerdings erwartet auch ein überwältigend palladianisches Kircheninneres vorzufinden, ein Gesamtkonzept, geplante Licht- und Schattenwirkungen usw., hat sich geirrt. Eher scheinen sich hier eine gute Handvoll qualifizierter Seitenkapellen zufällig getroffen und sich gemeinsam untergestellt zu haben, Hauptsache Dach!


Hinterer Kreuzgang, links zu Zeiten der Cavalieri di San Marco (Schild im mittleren Bogen) 2008, rechts Mai 2010











A. Vittorio, SS Rocco, Sebastian, Antonio Abate
Der einschiffige Kirchenraum wirkt kahl, die Apsis besteht aus verhängten Fenstern und einer Art Triumphbogen als Hochaltar (immerhin von Longhena), der Blick fällt durch, nicht darauf. Trotzdem ist dies eine Kirche die einen sorgfältigen Blick wert ist, geduldiges und neugieriges Schlendern von einem der Solitäre zum anderen, auch in mehreren Besuchen (ich in vielen, über die Jahre).
Umso mehr als das Gebäude immer einladend weit offen ist, Haupt- und Seitentür, kein Eintritt erhoben und man immer von Blumenduft und leisen Orgelkonzerten von der CD empfangen wird. Hier kriegt man den Empfang, den man sich in vielen venezianischen Kirchen wünschen würde. Ich weiß nicht, ob diese Freundlichkeit (auch) daran liegt, dass San Francesco aus der Sicht der Wimmelpfade weit draussen liegt, und diese ruhige Ecke Venedigs auf den Karten der "Ein Wochenende in Venedig"-Führer und der Zeitungsartikel "36-Stunden-in-Venedig" schon mal gar nicht erscheint.


Madonna in byzantinischem Stil (Odigitria) in der Fassadenrückseite

Die Seitenkapellen sind zum Teil sehr beeindruckend, wie auf der linken Seite die von Alessandro Vittoria, mit den Heiligen Rocco und Sebastiano in ihrer jeweils typischen Körperhaltung, dazwischen den Heiligen Antonio, der die Sinnlichkeit im Zaum hält. Oder die Capella Sagredo - ein Taum in weißem Marmor mit dem Grab des Heiligen Gerardo Sagredo (die Familie Sagredo hatte ihren großen Palazzo früher in der Nachbarschaft, geblieben ist einzig der große freistehende Torbogen auf dem Weg zur Vaporettostation Celestia).Pietro Lombardo, Altar der Capella Badoer-Giustiniani

Oder links neben der Apsis die Capella Badoer-Giustiniani, eines der kostbaren venezianischen Meisterwerke der Lombardi, auf die man immer wieder in den Kirchen Castellos und Cannaregios trifft.
Oder auf der rechten Seite die Familienkapellen und -grablegen der Contarini und der Bragadin. Und natürlich das bezaubernde Madonnenbild von Antonio da Negroponte, direkt am Seiteneingang. Negroponte ist der venezianische Name der griechischen Insel Evia (deutsch Euböa) und soweit ich weiß, gibt es keine weiteren Werke dieses Griechen.
Und die Sacra conversazione von Bellini in der Sakristei und viele weitere Kunstwerke und G
rabdenkmäler, die aus dem fehlenden künstlerischen Gesamtkonzept insgesamt dann doch mehr als die Summe der Einzelteile machen.

Überall an den Gebäuden des Campo S. Francesco: das Symbol der Franziskaner Ein Konzept gab es ursprünglich schon, von Sansovino, das die ehemalige Kapelle für den Heiligen Francesco im Weingarten ersetzen sollte. Man muss sich das wohl so vorstellen, dass die Franziskaner von der Insel S. Francesco del deserto in der Lagune 'nomadisierten' und in Venedig auf Betteltouren gingen, und in dieser franziskanischen Inselkapelle am unbewohnten nördlichen Rand Venedigs bei Bedarf übernachteten. (Was die Basis der Legende des hier übernachtenden und träumenden S. Marco sein mag, irgend woher muss die Idee ja stammen.)

Die Präsenz des Minoritenordens ist hier im Weingarten belegt seit 1232. 1253 gibt es eine testamentarisch belegte Schenkung des Grundstücks von Marco Ziani an die Minoritenbrüder. In der Entwicklung dieser Ecke von Castello kamen dann im 15. und 16. Jahrhundert weiter ins Spiel die Grimani (Antonio und Domenico), (siehe auch Eintrag Palazzo Grimani), der Doge Andrea Gritti und Zweige der Familien Badoer und Bragadin, und eben der Architekt Jacopo Sansovino, der nach dem Sacco di Roma seinen Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in Venedig wählte und u. a. die Bibliotheca Marciana baute. Eine andere Geschichte.

Am 15.8.1534 legte der Doge Andrea Gritti den Grundstein für den Neubau der Minoriten nach dem Plan Sansovinos, der aber im Verlauf des Baus verändert wurde aus diversen Gründen bau- und verwaltungstechnischer, aber auch religiös-theologischer Art. Der große Einmischer war der Minoritenbruder Francesco Zorzi, der schon sehr jung in dieses Kloster eintrat, Zeit hatte sich zu bilden und kabbalistische, hermetische, neuplatonische und andere Aspekte in die Architektur einbrachte, die meine Vertiefung in das Thema weit überschreiten. Wen es näher interessiert: in der Kirche wird seit letztem Frühjahr ein Buch (italienisch, preisgünstig) verkauft, das dieses Thema breiter behandelt. (Silvano Onda: La chiesa di San Francesco della vigna e il convento dei frati minori; Storia, arte, architettura.)

Früherer Kirchhof S. Francesco, jetzt Bolzplatz neben dem Campanile

Im Hinterhof der Kirche, neben dem Campanile, wo sich früher der Friedhof befand und jetzt ein Basketball- und Bolzplatz wie hinter einigen venezianischen Kirchen, gibt es jedenfalls bis heute ein Hüttchen, das die Ur-Kapelle symbolisieren soll (Calle del cimitero, an der Kreuzung kurz vor dem Sagredo-Torbogen nach links abbiegen und durch die kleine Holztür gehen. Sie ist tagsüber nicht verschlossen, damit die Kinder rein können.)

Vorderer Kreuzgang an einem Nebelmorgen
Aber mit der Kir
che ist es ja längst nicht getan, ich habe schon über die wunderbaren Kreuzgänge von San Francesco della Vigna und ihre kontemplative Atmosphäre berichtet. Daran hat sich in den letzten Jahren auch nichts geändert.
Im vorderen Kreuzgang wurden allerdings im letzten Jahr die Bodengrabmäler an der Seite zur Kirche und zum hinterem Kreuzgang geöffnet. Es wurde recht
geheimnisvoll hinter Gerüsten und Planen gebuddelt und diskutiert, an anderen Tagen wieder die Deckel geschlossen und ordentlich versiegelt. Ich habe (leider) nicht gewagt, in die Baustelle zu trampeln und die Arbeiter und die Archäologin (vermute ich mal) zu befragen.

Der hintere Kreuzgang war einige Jahre dem Publikum verschlossen und von den Cavalieri di San Marco genutzt, jetzt ist der Kreuzgang wieder zugänglich und geschniegelt, und in den Gebäuden sit
zt die Bibliothek und das Archiv der Franziskaner (siehe dazu den Film am Ende des Eintrags).
Denkmal für eine Bombe des 1. Weltkriegs am Seiteneingang

Die Cavalieri di San Marco haben ihren Sitz jetzt zwischen Kirche und ehemaliger Scuola delle sante stimmate am Campo della Fraternità. Die kleinen Reliefs von zwei gekreuzten Armen, die überall an der Kirche und in ihrer Umgebung zu sehen sind, sind das "Logo" der Franziskaner, das den (mit dem Ärmel eines Habits) bekleideten Arm eines Franziskaners und den nackten Arm des gekreuzigten Christus in Verbindung zeigt. Die ehemalige Scuola ist das weiße Gebäude rechts vom Seiteneingang von S. Francesco, und trägt im Obergeschoss schlecht leserlich den Namen "delle sante stimmate" (der heiligen Stigmata), die Kennzeichen sowohl des Christus als auch des Heiligen Francesco sind.
Gebäude der ehemaligen Scuola delle sante Stimmate, aussen und Ergeschoßraum, linker Treppenaufgang ins Obergeschoß




Anläßlich von
'Brunetti'-Dreharbeiten im Mai fand ich sie zum ersten Mal offen und warf einen kurzen Blick hinein: Parterre ein Versammlungs-/Gebetsraum und zwei Treppen rechts und links ins Obergeschoß, wo sich vermutlich, wie in allen venezianischen Scuole, ein zweiter prunkvollerer Versammlungsraum befindet.Grabplatte im vorderen Kreuzgang
J. C. Rößler bezeichnet in seiner Darstellung des Campo S. Francesco als Ensemble die Scuola anders, ich habe nicht recherchiert warum. Der Gesamtaspekt dieses Campo mit allen Gebäuden ist wichtig, ein einzelnes Detail mag sich irgendwann genauer klären. Klar ist: ich würde dieser schönen Ecke Venedigs wünschen, dass sie interessierte Besucher findet, die nicht im Stundenrhythmus Höhepunkte abhaken, sondern die Zeit und Offenheit haben, den Geist des Ortes zu erleben.


Weitere Fotos in meinem Blog
http://venedig.jc-r.net/kirchen/san-francesco-della-vigna.htm http://en.wikipedia.org/wiki/San_Francesco_della_Vignahttp://www.museumplanet.com/thumbnails.php/venice/vig




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18. Oktober 2010

Ausstellungen im Palazzo Grimani

Palazzo Grimani, Wassertor







Bei dem derzeitigen Durchein-
ander in der Accademia, das wohl hoffentlich bald mit dem Abschluss des Umbaus und der Restauration beendet wird, sucht wohl manch einer nach den Werken von Giorgione.


Die werden seit August im Palazzo Grimani gezeigt, ursprünglich bis 10.10., diese Ausstellung wurde jetzt bis 1.11. verlängert.

http://www.turismovenezia.it/eng/dynalay.asp?PAGINA=7561

Im Anschluss sollen Hieronymus Bosch (von dem ein Tryptichon im Palazzo Grimani 'beheimatet' ist) sowie Canalettos Skizzenhefte folgen. Leider konnte ich im Internet bisher keine Information finden, wann diese beiden Ausstellungen stattfinden werden.

Bisher gab es im Palazzo Grimani nur den Palazzo Grimani pur zu bewundern, auch verbunden mit einigem Aufwand, wie beschrieben. Falls diese Sonderausstellungen den Zweck haben sollten, das Museum Palazzo Grimani bekannter zu machen und vielleicht sogar Publikum anzulocken, fände ich das sehr lobenswert.

Wolfgang Wagener hat dazu eine Information gemailt:

eine Ergänzung zu Ihrer Info zur Giorgione-Ausstellung im Palazzo-Grimani: Sie ist für Giorgone-Interessierte wenig attraktiv. Vorletzte Woche bestand sie nur aus einem Teil des Freskos vom Fondaco Tedesco und aus dem Bildnis einer alten Frau. La Tempesta sollte auch gezeigt werden, war aber nicht da. Es hieß, das Bild sei derzeit in Padua.
Bei der großen Ankündigung und 9 € Eintritt sollte man vorher wissen, dass die ganze Ausstellung nur aus zwei Bildern besteht. Immerhin kann man dafür frei im leeren 1. Stock des Palazzos herumlaufen und fotografieren, der sonst nur nach umständlicher Anmeldung und mit Führung (Fotoverbot!) zugänglich ist.

Und jenseits von Venedig:
Wer gerne Canaletto guckt (wie ich, am liebsten mit Riesenlupe), und in diesem Winter
London besucht, kann dort eine sehr gelobte Ausstellung bewundern. Ich bescheide mich (leider) mit dem Kauf des Katalogs. Jeff Cotton (Fictional Cities) schreibt:
13.10.2010
My cunning tactic when planning my attendance of exhibitions in London is usually best summed up by the phrase 'wait 'til the crowds die down'. This 'plan' usually evolves into forgetting and rushing to catch the show during the last week. If I'm lucky. But the National Gallery's Venice: Canaletto and his Rivals was obviously going to need better planning. So I rushed gleefully and gamblingly to the opening day and lucked out with sparse numbers and a comfortable morning's Venetian wallowing. The exhibition traces the development of view painting from Canaletto through Bellotto to Guardi, with a smattering of lesser-knowns like Carlevarijs and Marieschi. There's the expected highlights from the Queen's collection and the National's own, but also loans from private collections and a varied selection of other galleries. (The smattering of Canalettos in Spanish galleries is, it seems, due to the fact that his paintings were usually sent to England by sea, passing out of the Mediterranean by Gibraltar, and shipwrecks were then not uncommon.) So there's a good selection of familiar and unfamiliar artists and works, and some telling juxtapositions. The audioguide is chock full of interest and stimulation, and also some humour, including the award for the best-painted paunch in 18th Century Venetian art. Even if you think that you know Venice and Canaletto pretty well there's more than enough freshness in the approach, choices and detail in the works to keep you fascinated throughout. Me I bought a season ticket.


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