31. Mai 2015

Biennale 2015 - die praktischen Tipps

Neu anstelle der Boxoffices am Arsenale:
Biglietteria hinter der Mauer, Innenhof mit Sitzgelegenheiten
Die praktischen Tipps der letzten Kunstbiennale 2013 gelten im Wesentlichen noch.  

Aber es gibt Aktuelles. 

Die Preise des öffentlichen Verkehrs des ACTV steigen zum 1.7.2015

Meine wiederholten Empfehlungen für den Bereich des Arsenale Novissimo, Nordeingang über die Haltestelle Bacini (Linien 4. und 5.) oder über Celestia - Arsenalemauer, die sich auf interessante Kunst und kostenlosen Eintritt bezogen, gelten in diesem Jahr (leider) NICHT.
Im Mai gab es hier nur die nationale Ausstellung von Lettland in 'kollateraler' Form, soll man sie bedauern wegen ihrer Isolation oder ihrer Präsentation? Möglicherweise finden im Laufe des Sommers hier noch ausgegliederte Veranstaltungen der Expo in Marghera statt, was vielleicht mehr BesucherInnen hier hin führen würde? 
Außerdem wird in der Tesa (Halle) 94 Teil 1 'Plessi' ausgestellt, Eintritt 5 € (Teil 2 zum wiederholten Male im Androne der Ca' d'Oro). Letztere habe ich 2013 gesehen, erstere besteht aus mallorquinischen Fischerbooten umspült von blauem Licht und einer ungeheueren Geräuschkulisse pathetischer Musik. Ich fragte die beiden freundlichen Aufpasser, ob sie abends noch wüssten, wo ihre Ohren sitzen, sie meinten, kein Problem. Sie schalten den Ton nur für BesucherInnen ein, und ich vermute, die bringen sich wie ich jeweils schnell wieder in Sicherheit. 

Auch auf San Servolo (Linie 20 ab S. Zaccaria) gibt es 2015 nur 2 Ausstellungen. Einen Teil der nationalen Ausstellung Syrien, dominiert von den spiegelnden Werken Helidon Xhixhas (der andere Teil auf der Giudecca, im ehemaligen Kino rechts neben der Redentorekirche, mit beeindruckenden Werken des chinesi-
schen Künstlers Liu Shuishi). Und den Pavillon von Cuba, ärger-
lich, in 3 Räumen eine Menge z. T. sehr kleiner Videoscreens, vor denen man jeweils schon eine Weile stehen muss, um einen Einstieg zu finden. Kein Stuhl weit und breit. Wie kommen KuratorInnen auf die Idee, wir Kunstinteressierte würden vor 20 Minibildschirmchen jeweils 10 Minuten oder länger stehen? 

Aber die Empfehlung: schöne Pause im Grünen, günstiges Mittagessen (11 € für 3 Gänge, ein bisschen Schlange stehen)  in der Mensa (Ristorante) auf San Servolo besteht unverändert.


Detail der ehemaligen Klosterdruckerei S. Lazzaro degli Armeni
Die nationale Ausstellung Armeniens, Armenity, ausgezeichnet mit dem Goldenen Löwen, findet auf S. Lazzaro degli Armeni statt, das man normalerweise nur im Zusammenhang mit den täglichen Führungen am Nachmittag zu besuchen kann. Jetzt und nur bis 18.10. (nicht bis zum Ende der Biennale am 22.11.!) ist die Insel geöffnet von 13-17:30 Uhr, und neben der Linie 20 ab S. Zaccaria gibt es bis Ende Juni einen zusätzlichen Transfer von der Haltestelle Giardini nach S. Lazzaro. Eintrittspreis 6 €, wer sein Biennale-Ticket vorlegt, zahlt reduzierte 3 €.
Inhaltlich erhält die Ausstellung viel Lob, betont wird auch die Zurückhaltung, mit der der Völkermord vor 100 Jahren von "Diaspora"-armenischen KünstlerInnen reflektiert wird. Ich finde die Integration der Kunstwerke in die Räume des Klosterkomple-
xes beeindruckend, und noch mehr, dass Räume einbezogen werden, die nicht Teil der normalen Führung sind, z. B. die der ehemaligen Druckerei. Auch das ist ein Grund, die Ausstellung nicht zu verpassen. Man kann sich darrüber hinaus in der Kirche, im Museum, im Kreuzgang etc. frei bewegen und in Muße alles ansehen, wozu während einer Führung die Zeit nicht reicht. Auch Fotografieren war während meines Besuches nicht eingeschränkt. 



Detail eines Wandteppichs, Museum Kloster S. Lazzaro degli Armeni
Der Pavillon der Niederlande mit der Ausstellung von Hermann de Vries macht glücklich, und wer das Glück krönen will mit einem Besuch seines Kultplatzes auf der Insel Lazzaretto Nuovo muss im Pavillon die Aufpasserin um ein Bootsticket bitten. Es fährt täglich um 15 Uhr kostenlos ein Boot mit ca. 20 Plätzen ab der 1. Brücke zwischen Arsenale und Sant'Elena, Dauer ca. 2 Stunden. Fällt aus bei Regen oder zuviel Wind. Ich hatte am 20.5. einen Platz im Boot am 22. bekommen, an dem es leider heftig regnete. Vielleicht bekomme ich im Herbst eine 2. Chance...

Noch ein letzter praktischer Insel-Tipp: noch bis 7.6. gibt es 2 Ausstellungen auf S. Giorgio Maggiore, die das eingeschränkte Betreten der Gebäude der Fondazione Cini ermöglichen, jenseits von Führung oder Bibliotheksbesuch.  Es ist dies einmal die Ausstellung 'Das Meisterstück' von Matthias Schaller im Cenacolo (Speisesaal) des Klosters von Palladio. Cenacolo mit Veronese-Replika der "Hochzeit zu Kana" und kurzen Gang durch den Zypressen-Kreuzgang ist unbedingt sehenswert, die Ausstellung von Schaller fand ich sehr beeindruckend. 
Die zweite Ausstellung ist 'Stabat Mater Dolorosa' von Giovanni Manfredini, Musik Ennio Morricone, eine sehr pathetische Sache (und nicht mein Ding) in einem völlig dunklen Raum, vor dem eine Schlange auf Einzelbesichtigung wartet. Aber man geht aus diesem Anlass über das Longhena-Treppenhaus und hat einen schönen Blick von oben auf den Palladio-Kreuzgang (den vorderen der beiden Kreuzgänge).
Die Tür zur Fondazione Cini ist geöffnet, dahinter steht ein Tisch, an dem AusstellungsbesucherInnen einen Spezialanstecker bekommen (ohne Anstecker=Badge kein Eintritt bei Cini auf S. Giorgio). 


Longhena-Treppenaus auf S. Giorgio Maggiore, Fond, Cini
Arsenale:
Die Box-Offices vor dem Arsenale, die a. im Weg und b. in der prallen Sonne standen, sind umgezogen in einen schönen Informationsbereich hinter die Arsenalemauer mit Sitzgele-
genheiten im Freien, Bäumen und direktem Zugang in den Bookshop und das Café des Arsenale-Eingangs. Hinten in der Ecke rechts vom Arsenaleeingang, man sieht es nicht unbedingt auf den ersten Blick. Danke, gute Idee. 

Die Vergini-Gärten des Arsenale sind jetzt als öffentlicher Park der Bevölkerung (und dem Tourismus) kostenlos zugänglich durch die "Hintertür" an der Calle stretta, auch eine gute Idee, nochmal danke. Man kann von da aus aber NICHT aufs Biennale-Gelände des Arsenale, dennoch haben in diesem Bereich erfreulicherweise einige Ausstellungen Platz gefunden. Z. B. Sarah Szes Installationen zwischen Flora und Ruinen oder "Das Lied der Deutschen" (ja!) in vielen afrikanischen Sprachen, das im kleinenTurm an der Ecke der Porta Nuova schon von weitem zu hören ist. Vielmehr bekommen Biennale-BesucherInnen, die von innen kommend auch den Vergini-Bereich durchstreifen wollen, ein rotes numeriertes Armbändchen verpasst und dürfen in den öffentlichen Bereich. Wer in den Biennalebereich (zurück-) will, muss ein unversehrtes rotes Armbändchen vorweisen. Ich habe vergessen, mich nach den Öffnungszeiten dieses kleinen schönen Parks zu erkundigen, aber nehme an, mindestens während der Biennale-Öffnungszeiten 10-18 Uhr.


Lied der Deutschen, gedruckt und gesungen auf Lingala
Zattere:
Ein kleines Biennale-Projekt findet bisher nicht so viel Beach-
tung, aber abends bei Sonnenuntergang an den Zattere statt, am Fuß des Ponte lungo, "The Laguna's Tribute": projektmäßig ausgewählte Gedichte, die monatlich wechseln, werden der Sonne hinterher gerufen. Von einem Schauspieler, der auf einer eigens installieren Apfelkiste aus Bronze steht und es teilweise gar nicht leicht hat, den Wasserverkehrslärm und den Wind zu übertönen. Und danach kann man, poetisch animiert, den Tag am Ufer der Zattere bei einem Glas und manchmal auch Live-Musik ausklingen lassen...






Ich begleite und führe zu Nationenausstellungen und Nebenausstellungen in interessanten Gebäuden in der Stadt. Auch themen- oder personenzentrierte Begleitungen können auf Anfrage abgestimmt werden über einen Klick ganz oben rechts in der dunkelgrünen Spalte.
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15. Mai 2015

Zwei volle Wochenenden in Venedig

Die ersten Ruderer kommen in der Stadt an
An den beiden kommenden Wochenenden werden gebraucht gute Planung, Gelassenheit und die Kunst, über Prioritäten zu entscheiden. Denn neben Biennale, kollateralen Veranstaltungen und der unübertrefflichen Stadt selbst gibt es die Sensa, Isole in Rete und die Vogalonga.


Samstag 16.5. 
Im Vorfeld des Sensa-Festes organisiert das Projekt Fondamenta wieder das Kulturfest Fondamenta 4.0 an der Fondamenta della Misericordia und Ormesini ab 17 Uhr. Haltestellen Ca'd'Oro und Madonna dell'Orto.

Bei S. Nicolò del Lido Mercantino della Sensa 10-21 Uhr und 10-15 Uhr Kunstausstellung.
Mit den Linien 1, 5.1, 5.2, 6, dann umsteigen auf den Bus gegenüber der Vaporettohaltestelle; und der Autofähre ab Tronchetto direkt kommt man hin.

Isole in Rete. Findet im 4. Jahr statt und hat sich von einem bewunderswert kreativen und erfolgreichen kostenlosen Angebot entwickelt zu einer professionalisierten Veranstaltung, ganz schön teuer werden kann, wenn man z. B. mit Kindern unterwegs ist. Trotzdem - eine wunderbare Gelegenheit, die nördliche Lagune besser kennenzulernen und sich hochinteressant führen zu lassen. 
Die Tageskarte für die Inseltouren gibt es mmer noch günstig für 5 €, erhältlich an den Verkaufsstellen und an Bord. Einige der Termine werden nur am Sonntag geboten. Wird an 3 weiteren Terminen 2015 stattfinden, 20./21.6., 25./26.7., 26./27.9.
Programm 16./17.5. 

San Servolo Frühlingsfest ab 16 Uhr mit großem Programm für Kinder, mit Musik, Kunst und Führungen in Museum und Kirche.



Sonntag 17.5.
Feierlicher Festzug zu Wasser ab dem Ufer San Marco zum Lido
9.00 Raduno imbarcazioni in Bacino di San Marco
9.30 Partenza del corteo acqueo per S. Nicolò di Lido
10.30 Cerimonia dello Sposalizio del Mare davanti alla Chiesa di San Nicolò di Lido
11.00 Esibizione del Coro Serenissima sul sagrato della Chiesa di San Nicolò di Lido
11.30 Santa Messa nella chiesa di San Nicolò di Lido


Festregatten der Sensa
17.00 regata delle donne su mascarete a 2 remi
17.45 regata su gondole a 4 remi
Regate della Stagione Remiera del Comune di Venezia
Percorso delle regate: Bacino di San Marco - Riviera San Nicolò al Lido, dove a seguire si svolgeranno le premiazioni


Mercantino und Kunstausstellung bei San Nicolò wie am Samstag

Isole in Rete siehe Samstag


Sonntag 24.5.
Vogalonga 
Eine Riesenveranstaltung, Start des Volksruderns um 9 Uhr im Becken von San Marco, Rückkehr über den Canale di Cannaregio ab Mittag. Erwartet werden 1.800 Ruderboote aller Arten und 8000 Ruderer/innen.
Sie auch die Website der Aktiven, das Tourangebot von Venice Kayak und meinen Bericht von 2012.

Ergänzung vom 22.5.: 
Einschränkungen des ÖPNV am 24.4. Fahrplan.


San Nicolò di Lido mit der Autofähre ab Tronchetto zu erreichen,
natürlich auch als FußgängerIn

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14. Mai 2015

Kunst oder echtes Leben? Die "Moschee" in Venedig


S. M. della Misericordia, früherer Hauptaltar
Es gab ja schon ein bisschen Zoff im Vorfeld des isländischen Pavillons.
Nämlich wegen des Schweizers Christoph Büchel, der Island repräsentieren soll, was manche IsländerInnen nicht ange-
messen fanden, obwohl der Mann seit Jahren Wahlisländer und mit einer Isländerin verheiratet ist. Diese Art Scheuklappen haben auch andere Nationen - Kenia zog seine offizielle Prä-
sentation zurück, weil nur chinesische Künstler im keniani-
schen Pavillon ausstellen, was einen Riesenstreit auslöste. 


Erst kurz vor der Eröffnung der Biennale wurde bekannt gegeben, dass es sich beim isländischen Pavillon um eine voll funktionierende Moschee in der seit 40 Jahren geschlossenen Kirche S. Maria Valverde handelt, die erste Moschee über-
haupt in den Mauern Venedigs, die venezianischen Moslems und moslemischen TouristInnen als Gebets- und Gemeindehaus dienen soll und darüber hinaus der weltweiten Kooperation des Islam. Oha! 


Gebet, gemischte Geschlechter
Am Tage der Biennaleeröffnung waren die lokalen Blättchen voll von Bedenken, vor allem Stadtobere und Polizei gebär-
deten sich sehr alarmiert. Gleichzeitig erste Freudenäuße-
rungen der betroffenen Gläubigen, die sich den Erhalt der Moschee über den 22.11. hinaus wünschen. Das würde ich auch, wenn ich zur Gemeinde gehören würde. Ich habe mir die Sache also noch am Eröffnungstag angesehen, man weiß ja nie.


Vor der Kirche Geschrei. Einerseits geschockte Venezianer-
Innen (ich unterstelle: ChristInnen), die die Konversion der Kirche als unmöglich empfinden, bis zur Eroberung Konstan-
tinopels zurück diskutieren (1453 durch die Osmanen wohlgemerkt, nicht 1204 durch die Venezianer unter Enrico Dandolo!)
. Andererseits MoslemInnen, die erklären, um Verständnis werben, sich um das bemühen, was man wohl interreligiösen Dialog nennt. 

Empore, Marmorsäule, Fries, besterntes Dach
Drinnen ist es ruhig, im Eingangsbereich unter der Empore sammeln sich BiennalebesucherInnen, die mal gucken, aber nicht ihre Schuhe ausziehen, um in den Gebetsbereich zu gelangen. Dort betet gerade eine Gruppe von Männern, der Vorbeter spricht leise, im Hintergrund Frauen und unbeschuhte Besucher, man hört fast nichts von dort, der Raum ist groß. Entspannte Atmosphäre. 

Die Kirche ist sehr alt, der Teppichboden ist nagelneu und grün, christliche Kunst wurde schon vor langer Zeit entfernt (vermutlich während des venezianischen Kunstausverkaufs nach der napoleonischen Auflösung der Kirchen Anfang des 19. JH). Keine Altarbilder, nackte Backsteinflächen über dem Hauptaltar und den Seitenaltaren. Ein schöner aber beschä-
digter Fries rund um alle Wände hoch unter dem besternten Kassettendach. Überall sind große schwarze Tondi (Rund-
bilder) mit goldenen arabischen Schriftzeichen angebracht. Ich kenne Moscheen nur von Bildern, und diese sieht im Gebets-
bereich authentisch aus, wenn auch die Mischung der Geschlechter, vor allem der Anblick unbeärmelter, minibe-
rockter junger Frauen, ungewohnt ist. Das ist wohl der Biennale-Anteil.


Kunst oder Funktion oder beides?

Der Eingangsbereich enthält viele Schuhregale, Fußwasch-
becken, Verkaufstände von Devotionalien, Büchern, Zehenschlappen... und, was ich in die Schublade "Kunst" einsortieren würde: Ein Getränkeautomat mit Mecca-Coke, der elegant in eine gotische Wölbung platziert wurde, eine rotglühende Höhle. Und der Altar einer Seitenkapelle, auf dessen Stufe die heilige Dreifaltigkeit der mülltrennenden farbigen Tonnen verehrt werden kann. Aber vielleicht ist das auch absichtlos und der Spott liegt in meinem Blick und nicht in den reinen Gedanken des Künstlers Büchel.


Anbetung der Götter des vollzogenen Konsums?
Das Geschrei vor der Kirche legt sich, einige Gemeinde-
mitglieder kommen rein, ich höre, wie einer zum anderen sagt: "Also ein Dialog war das eher nicht." 


Am nächsten Tag, Sonntag, ruft ein italienischer Religions-
wissenschaftler kampfbereit die Polizei in die Ausstellung, die feststellen soll, dass er eine Kunstinstallation sehr wohl mit Schuhen betreten darf, in allen ihren Teilen. Und falls dies keine Kunstinstallation sondern eine Moschee ist, soll sofort die behördliche Genehmigung für deren Betrieb vorgelegt werden. Die Polizei verweist auf den Sonntag, Behörden zu, die Situation sei hier und jetzt so, wie sie ist. 

Das wird in den letzten Tagen weiter bestritten, laut Lokal-
presse vor allem durch die katholische Kirche (deren Inter-
vention mir schleierhaft ist, die Kirche S. M. della Misericordia ist Privatbesitz, außerdem seit 40 Jahren nicht als Kirche in Gebrauch). Täglich wird Papier bedruckt mit informationsfreien und unbelegten Behauptungen, die Moschee würde geschlos-
sen, heute, in einer Woche, spätestens am 20.5.; und die Moschee wird täglich voller. Natürlich. Die internationalen Medien schreiben derartig unqualifiziertes Zeug, selbstdar-
stellerisches JournalistInnengeschwurbel, dass ich darauf verzichte, hier die Artikel zu verlinken. (Bei Interesse: suchen unter Stichworten Venedig-Moschee-Biennale-Büchel u. ä.)


Nach dem Gebet

Ich selbst halte es in der Gretchenfrage mit Karl Marx und habe kein Bedürfnis, mich jenseits der Kunst in die lokale religiöse Versorgung einzumischen. Aber glaube, dass sich die Frage der venezianischen Moschee erledigt hat: wer wird wirklich nach 7 Monaten Ende November ein funktionierendes Gebetshaus und Gemeindezentrum so vieler Gläubiger wieder SCHLIEßEN? Unmöglich aus meiner Sicht. Die MoslemInnen brauchen und wollen sie, die Religionspolitik der historischen Serenissima liegt in den Archiven, die Macht der katholischen Kirche ist nicht die mehr die alte - und es triumphiert die Kunst: sie kann mehr als Kunst. Sie gestaltet die Welt mit.


Santa Maria della Misericordia o. Valverde nach dem Streit
und kurz vor dem Maigewitter am 9.5.

Ergänzung am 15.5.:
Schon passiert. Am 13.5. marschierten Beauftragte der Stadt in die Ausstellung, respektive Moschee, kontrollierten die Mülltonnen in der Seitenkapelle und sprachen ein Verbot (dieser Kunstinstallation!) aus. Unsäglich, während Herr Meese seinen Hitlerarm im Namen der Kunst heben darf. Ebenfalls verboten wurden die Einschränkungen der BiennalebesucherInnen (also das Gebot, den Gebetsteppich ohne Schuhe zu betreten) sowie kultische Handlungen, also das gemeinsame Gebet. 
Venezia Today, 14.5.2015

Ich ging gestern, 14.5., kurz am Campo dell'Abazia vorbei und stellte fest: die Mülltonneninstallation wurde entfernt, aber nicht die Schilder, die das Betreten des Gebetsbereich mit Schuhen verbieten, sie gehören schließlich zur Kunstinstalla-
tion der Moschee. Und niemand betrat den Teppich mit Schuhen. Offizielle gemeinsame Gebete finden anscheinend nicht statt, einzelne Personen beten und singen die Gebete offen und unbehindert. Die Atmosphäre ist leider hinüber. Es herrschte Anspannung, im Eingangsbereich drängten sich viele BesucherInnen, aber es gab keine Gruppen oder Gespräche im Innenraum der Moschee. Das kann es ja wohl nicht gewesen sein... 


Artribune, 15.5.
Der Artikel weist darauf hin, dass die Kirche S. M. d. Misericordia zwar seit 1973 Jahren nicht als Kirche genutzt und darüberhinaus in Privatbesitz sei, aber nie von der katholischen Kirche dekonsekriert wurde. Die Zustimmung, im höchsten Fall des Vaticans, zur Nutzung der Kirche sei also erforderlich und muss bis zum 20. Mai vorgelegt werden. Andernfalls kann die Kirche geschlossen werden. Diese Situation sei vorhersehbar gewesen, das Ziel des Künstlers Christoph Büchel, auf die fehlende/n Moschee/n in Venedig und in Italien überhaupt hinzuweisen, würde aber auch in diesem Fall erreicht.

Artnoise, 20.5. La Moschea della Misericordia 

Icelandic Art Center, 21.5.2015 Offener Brief der Direktorin Björg Stéffandóttir

Comune Venezia, 21.5.2015 Entscheidung und Gründe für die Schließung der Ausstellung.

NZZ, 22.5.2015 Polizei schliesst Kunstprojekt. 

Hyperallergic, 22.5.2015 Eine Kritik von Hrag Vartanian: "Why I Don't Buy the Premise of Christoph Büchel's Icelandic Mosque Pavilion."

The Art Newspaper, 23.5.2015 Ein weiterer kritischer Kommentar von Anna Somers Cocks: "Büchel's 'Mosque' played frivolusly with fire"

La Nuova, 3.6.2015 Discoteca nell' ex chiesa della Misericordia.
Erstaunlich. Pavillon geschlossen oder nicht: kann der Privatbesitzer der ehemaligen Kirche den Raum inkl. Kunstausstellung während der Biennalelaufzeit für andere Veranstaltungen abgeben? Welche Folgen hat das für den Rechtsstreit um die evtl. Wiedereröffnung der Ausstellung?


17.7.2015: das Icelandic Art Center will die Biennale verklagen und ggfs. Schadenersatz verlangen. Das angebliche Argument Frau Stefánsdóttirs, die Polizei hätte nicht zu entscheiden was Kunst sei, scheint mir aber sehr unqualifiziert - es ging ja (und ist vermutlich ein vorgeschobener Grund) um die Frage, ob die erforderlichen Genehmigungen für den religiösen Betrieb der Moschee beantragt wurden und vorlagen. Die venezianische Behörde hatte für die Befriedigung der Bürokratie 60 Tage eingeräumt, die in ca. 1 Woche ablaufen. 


The Art News Paper, 27.7.2015: Am 29.7. soll über die Klage des IAC (Icelandic Art Center) auf Wiedereröffnung der Kunstausstellung Moschee und Schadenersatz für die Schließung beschlossen werden.

Iceland Monitor, 11.8.2015: IAC zieht Klage gegen Schließung der Ausstellung Moschee zurück, hält Klage auf Schadenersatz aufrecht.

La Nuova, 4.2.2016: In aller Stille mitten im Carnevale verhängt die Comune Venezia für den "Missbrauch" der ehemaligen Kirche S. M. Valverde eine 'multa', eine Geldstrafe gegen die Kuratorin des isländischen Pavillons. Keine Angaben zur Höhe der Strafe. Venedig leistet sich eine provinzielle Posse, die hoffentlich in der Kunstwelt zur Kenntnis genommen wird. 


14.5., 17:30 Uhr



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4. Mai 2015

Petition No Grandi Navi



Ich habe hier einen Aufruf kopiert, der um weitere Unterschriften für eine Petition bittet. Es geht - wie hinlänglich bekannt ist - um das Problem der Fahrt der Riesenkreuzfahrtschiffe mitten durch die Altstadt von Venedig. Per Klick auf den Link "secure.avaaz.org" unten gelangt man zur Petition und kann per Email unterschreiben.

WE NEED MORE SIGNATURES!
Übersetzt aus dem Englisch von 
WIR BRAUCHEN MEHR UNTERSCHRIFTEN! Zeichen & teilen, es ist wichtig!



https://secure.avaaz.org/it/italy_save_venice_1_1/?tavTYfb 

Vor ein paar Tagen das Institut für den Schutz und Umweltforschung eine ablehnende Stellungnahme zu den Ausgrabungen des Kanals gedreht, die Zugriff auf diesen gigantischen Kreuzfahrtschiffe erlauben würde geliefert. Die Wissenschaft ist sich einig in ihrer Stellungnahme, die die Lagune, das einzige, was in Venedig vor der Wut des Meeres verteidigt, einfach nicht vorhanden sind wird das Projekt genehmigt werden. 

Aber wenn die Entscheidung formal in den Händen der Kommission für die Umweltverträglichkeitsprüfung, jeder weiß, dass die Entscheidung politisch, und es ist an der Regierung. Die Hafenbehörde hat sogar angekündigt, trotz der bekannten Probleme für die Umwelt, um sicherzustellen, dass die endgültige Genehmigung durch den ehemaligen Minister Lupi zu machen. Aber mit seinem Rücktritt zurück alle auf dem Spiel. Und am Sonntag können wir sie zu stoppen. 

Einige behaupten, dass das Projekt für das Ausbaggern des Kanals ist von entscheidender Bedeutung für den Tourismus in Venedig. Aber was sie nicht sagen, ist, dass es zwei alternative Designs, die es erlauben würden, Umwelt und Tourismus, die Eindämmung der enormen Kreuzfahrtschiffe aus der Lagune und dann mit Touristen auf kleinere Schiffe zu kombinieren. 

Die Frage geht nun schon seit Jahren, und der aktuelle Wahlkampf ist endlich an der Zeit, die wir gewartet: Wir müssen einfach nur zu hören, wenn sie ihre Wähler nicht zu verlieren. Umgehend zu unterzeichnen und mit jedem teilen: 

https://secure.avaaz.org/it/italy_save_venice_1_1/?tavTYfb 

Wir zerstören die Wunder unseres Landes (nicht nur Venedig, denken Sie an die vielen Einbrüche in Pompeji dieser Jahre) auf die Vernachlässigung der Politiker, den Interessen der Spekulanten, sondern auch für unser Schweigen. Jetzt haben wir die Möglichkeit, uns zu erlösen und zu verteidigen, unsere Geschichte, unser Territorium, unsere Umwelt. 

Komm schon! 
Luca, Francesco und das ganze Avaaz-Team 

Weitere Informationen 

Kanal Verdrehte von Ispra abgelehnt, Verbände: "Disaster Lagune" (Venedig Today) 
http://www.veneziatoday.it/cronaca/canale-contorta-parere-negativo-ispra.html 

Der Kanal, Venedig (Republik) droht 
http://inchieste.repubblica.it/it/repubblica/rep-it/2014/10/07/news/grandi_navi_venezia-97545935/ 

Der Premier Renzi wird in Venedig am 3. Mai sein (New Venice) 
http://nuovavenezia.gelocal.it/venezia/cronaca/2015/04/22/news/il-premier-renzi-sara-a-venezia-il-3-... 

Venice, Kreuzfahrtschiff berührt Piazza San Marco: die gefährliche Bogen im letzten August (Il Messaggero) 
http://www.ilmessaggero.it/PRIMOPIANO/CRONACA/venezia_nave_da_crociera_sfiora_piazza_san_marco_pericoloso_inchino/notizie/350896.shtml 


Erhalten Sie diese E-Mail, weil Sie "Save Venedig: 24 Stunden Rest" unterzeichnet am 2015.05.04