5. Mai 2007

San Giorgio dei Greci - die Kirche der Griechen in Venedig




Der schiefste Turm der Stadt, seit Jahren unter Kontrolle von elektronischen Messgeräten und in diesem Frühling renoviert, gehört zu S. Giorgio dei Greci. Dramatisch schräg nach links gebeugt sieht man ihn von der Riva degli Schiavioni und von der Marina der S. Giorgio-Insel gegenüber, die Kirche liegt eher versteckt in der '2. Reihe'.
Man findet sie, wenn man rechts der 'Vivaldi-Kirche' S. Maria della Visitazione die Calle della Pietà nimmt, an der Salizzada dei Greci links, an der Calle della Madonna wieder links und dann VOR! der Brücke Ponte dei Greci scharf links einbiegt. Wenn man den wunderbar grünen stillen Innenhof des Ensembles von Kirche und ehemaligen Bruderschaftsgebäuden betritt, scheint der Trubel der Riva degli Schiavoni meilenweit entfernt.


Der Bau der Kirche wurde erst nach
wiederholten Anläufen der griechischen Gemeinde und mit deren eigenen Mitteln (im wesentlichen der in Venedig lebenden und arbeitenden griechischen Intellek-
tuellen, Künstler, Söldner zur See und wirtschaftlich besonders erfolgreichen Drucker) von 1539-
1573 erbaut. Zu diesem Zeitpunkt waren die wechselhaften Beziehungen Venedigs zu Byzanz durch die ottomanische Eroberung 1453 bereits beendet.
Venedig hatte zu diesem Fall seinen schlimmen eigenen Teil beigesteuert durch die Eroberung Konstantinopels mithilfe des Kreuzzuges 1204 unter Anführung des Dogen Enrico Dandolo.

In den historischen Entwicklungsjahren war das Veneto und damit das künftige Venedig als Teil von Westrom an Ostrom übergangen und wurde Teil des byzantinischen Kaiserreiches, als Exarchat am westlichen Rand. Byzantinische Architektur und
Kultur ist bis heute nachzuvollziehen z. B. in einigen Kirchen (siehe Torcello), in den alten Teilen von einzelnen Palästen entlang des Canal Grande (siehe Foto Ca da Mosto) und in Museen (z. B. Museo Correr).

Das sich langsam entwickelnde Venedig wurde aus der Ferne mittels Statthaltern, den Vorläufern der Dogen, verwaltet. Es diente politisch aus byzantinischer Sicht als Puffer nach Westen, handelte auch Verträge mit den Karolingern aus, mit dem Ziel, das deutsche Kaiserreich auf Abstand und Venedig den Rücken frei zu halten und damit auch Byzanz/Konstantinopel.

Während Venedig sich politisch un
d wirtschaftlich etablierte, stand Emanzipation von der "Mutter" auf der Agenda, Handel wurde zum Schwerpunkt der Beziehungen zwischen Venedig und Konstantinopel.
Griechen lebten und arbeiteten in Venedig als Handwerker, Künstler, in der Seefahrt, als Intellektuelle mit reichem historischen Hintergrund. Venedig führte ein ganzes Handelsviertel in Konstantinopel mit einer großen Zahl venezianischer Kaufleute, die sich dort niedergelassen hatten, und einer entsprechenden Infrastruktur, die den Handel im östlichen Mittelmeer und weit über das Schwarze Meer und über die Seidenstrasse hinaus ermöglichte.

Der Überfall des Kreuzzuges 1204, die Massaker und Plünderungen, und die darauf folgende Aufteilung des byzantinischen Kaiserreiches unter die führenden Kreuzzugsteilnehmer waren ein erschütternder historischer Einschnitt ohne Beispiel. Venezianische Kolonien entstanden in der Ägäis und auf der Peloponnes, ganz Kreta wurde venezianisch, erhielt seinen eigenen von Venedig gesandten Dogen, Großen Rat und eine Aufteilung in Sestiere wie die Serenissima selbst. Die Insel wurde durch von Venedig ausgewählten Auswanderern kolonisiert, die ein Lehen auf dem Land und eine Handvoll einheimische Leibeigene zur dessen Bearbeitung erhielten. Sie mussten im Gegenzug sich und einen weiteren Ritter ausrüsten, d. h. mit Waffen, Rüstung und Pferd und waren verpflichtet, in einer der "Burgen" (heute die regionalen Hauptstädte Kretas) zu residieren, um jederzeit dem Dogen zur Verteidigung zur Verfügung zu stehen. Vor allem die Kolonialisierung Kretas durch Venedig ab 1204 lieferte Vorbild und Erfahrungswerte für alle weiteren Kolonisierungen, die in den kommenden Jahrhunderten ab der Besatzung der Amerikas ab 1492 stattfinden sollten.

Das lateinische Konstantinopel wurde 1453 endgültig von den Osmanen erorbert, nachdem die erbetene Unterstützung durch Venedig ausgeblieben war, und Tausende von Venezianern und Griechen flüchteten nach Vened
ig, eine Bewegung nach Westen, die sich mit dem Fall kolonisierter Inseln wie Zypern und Kreta und der Siedlungen in der Morea (Peloponnes) fortsetzte. Die griechische Bevölkerung in Venedig wuchs an Zahl und Wohlstand, und vervollständigte also Mitte des 16. Jahrhunderts ihre eigene Kirchen, Schule und Sozialversorgung.

Das war allerdings zu einem Zeitpunkt, an dem Venedig bereits klar zur EHEMALIGEN Weltmacht abgesunken war und der Reichtum der Stadt sich nicht mehr durch umfassenden Handel, sondern durch eine umfassende Blüte der Künste darstellte. Die Griechen verpflichteten für ihreBauten zwei der besten Architekten ihrer Zeit (Longhena, Lombardo) und für die Aus
schmückung der Kirche die berühmtesten (kretischen) Ikonenmaler (Damaskinos u. a., deren Ikonen im Museum neben der Kirche zu bewundern sind.

Longhena-Fassade des Istituto Elleniko. Eingang zur Bibliothek (im Parterre) und zum Ikonenmuseum (1. Etage)


Das Griechische Institut für Byzantinische und Postbyzantinische Studien bietet neben der Bibliothek Studien- und Fördermöglichkeiten für Fachwissenschaftler, die aus aller Welt kommen. Es erfährt Förderung durch verschiedene griechische Stiftungen, vor allem die Alexander Onassis Stiftung und die Stavros Niarchos Stiftung.
Es befindet sich in der ehemaligen Scuola der Griechen links von der Kirche San Giorgio. Im Gebäude rechts der Kirche hat die Verwaltung der gr.-orthodoxen Kirche in Italien ihren Sitz, sowie der gr.-orth. Bischof für Italien.


Ikone im Ikonenmuseum vom Typ "Allheilige des Leidens". In der typischen Darstellung halten Kind und Mutter sich an den Händen, während das Kind den Kopf von der Mutter ab- und seinen künftigen Aufgaben zuwendet, dargestellt durch zwei Engel.