21. September 2014

Die Heirat einer libanesischen Rechtsanwältin...

Ca' Farsetti (linke Bildhäfte) Rathaus & Standesamt Venedig,
vom Balkon des Palazzo Papadopoli
... und eines amerikanischen Filmschauspielers am 29.9.2014 im venezianischen Rathaus Ca' Farsetti am Canal Grande wäre eigentlich kein Anlass für einen Blogeintrag. 

Allerdings finden angeblich 3tägige (!) voreheliche Feierlichkeiten statt, im Hotel Cipriani auf der Giudecca und im Hotel Aman Canal Grande, schräg gegenüberliegend am anderen Ufer. Ein paar Ruderschläge mit der Hochzeitsgondel, sozusagen. Der Sitz des Aman ist der Palazzo Papadopoli, den ich während der Kunstbiennale 2011 besuchen konnte und der nach dem Ende der 2 Monate dauernden damaligen Ausstellung Future Generation Art Prize sofort geschlossen und 2 Jahre lang renoviert wurde. Eine Blitzrenovierung im Vergleich mit manchen anderen, z. B. dem Palazzo Soranzo van Axel, an dem seit 5 Jahren gearbeitet wird. 
In der 3-teiligen Arte-Serie "Verborgenes Venedig" wird u. a. darüber berichtet (ab 11:23 Min.) Jetzt ist das Haus für Men-
schen meines Budgets für alle Zeiten off limits.


Ich fragte mich seither, ob ich mit 60 Fotos des Gebäudes im Zustand des Sommers 2011 wohl jemals mehr machen könnte als sie ansehen. Da kommt mir die Hochzeit und die PR, die das Haus dadurch erfährt, gerade recht, ich hänge mich dran und zeige, was ich habe.


Löwenköpfe im gesamten Treppenhaus. Die Mäuler dienen dem Halt von Kordeln als Geländer
Die offiziellen Fotos zur Hoteleröffnung im Frühsommer 2013 gingen durch die hochklassige Reiseberichterstattung, sprich Werbung. Zu solchen Anlässen werden Fachjournalisten zu einem Aufenthalt eingeladen (Blogger nicht, wir sind und haben keine angemessene Zielgruppe(n). Aber da bin ich neidlos und verlinke einige der vielen Berichte, ausschließlich mit schön langen Fotostrecken, nur zum Teil identisch. Man bekommt also einen Eindruck von Klasse und Ambiente dieses Hotels und kann mit meinen unrenovierten Eindrücken vergleichen.

yatzer: Aman Canale Grande Hotel, Venice, Italy
The National: Hotel insider: Aman Canal Grande, Venice 

Deutschsprachige Berichte kamen etwas später, im Dezember 2013 der Kurier "Zu Gast beim Grafen in Venedig" und erst im September 2014 der Stern "Venedigs pompösester Palast". So ein Pech, man wusste noch nichts von der geplanten Hochzeit 4 Wochen später, es hätte ein brandaktueller Bericht sein können... 

Ich freue mich, dass ich die Gelegenheit hatte, das Haus zu sehen. Bei der Biennale 2009 stellte hier die Ukraine aus und ich kam nicht rein. Man sieht, dass viel Sinn und Aufwand in der Renovierung des Hauses steckt und es bleibt, ihm einen langen Bestand zu wünschen. Wie auch der Ehe, die geschlossen werden soll.

Parterre, Androne mit Treppenaufgang, Steinskulpturen der Ausstellung.
Die Schiffslaternen sind weiter Teil der Ausstattung







Androne mit Wassertor zum Canal Grande


Treppenhaus von unten und oben


Trep-
penhaus
Fresken 

und
Beleuch-
tung


Piano nobile, Portego zum Canal Grande mit eingebautem Kunstwerk





Portego,
Stuckdecken,
Fresken,
Wandmalerei,
Murano-
leuchter


Piano nobile,
Räume links und rechts des Portego



Räume im Anbau zur
Gartenseite. 

Asiatische
Dekorations-
motive, schöne Terrazzoböden
und viel Stuck.


Klein und sehr niedrig
im Vergleich mit den Prunkräumen des
Palazzo 







Räume im Dachgeschoss, 

2011 Bibliothek, in der
Kunstvideos gezeigt wurden.
Heute sind dies
wohl die privaten
Räume der Besitzerfamilie






14. September 2014

Canale contorta St. Angelo - keine Lösung für die Lagune

Einladung, sich einzumischen


Laguna Sud bei Pellestrina
Der Kreuzfahrtsommer in Venedig geht in 4 Wochen zu Ende. Der Dauer-Feinstaubsmog der Kreuzfahrtriesen über der Stadt wird sich dann für den Winter verflüchtigen, und nach dem Regierungsentscheid vom Herbst 2013 war zunächst für den Frühling 2015 Hoffnung auf verdünnten Qualm berechtigt. (Tagesschau 6.11.2013 Die Giganten müssen draußen bleiben).

Der Journalist Dirk Schümer, der seit Jahren in Venedig lebt, beschrieb in der FAZ vom 17.11.2013 eindeutig die Erfahrungen des Kreuzfahrtsommers 2013: Der Kreuzzug. Zu früh gehofft, denn im Frühling hob das Verwaltungsgericht Venedig den Ent-
scheid aus Rom wieder auf, da er keine Alternativen zum Status quo aufzeige. (
Standard 19.3.14 Doch keine Einschränkung für Kreuzfahrtschiffe).
In diesem Sommer lief bis zum Ende des Dramas der Costa Concordia das Kreuzfahrtbusiness as usual, siehe Eintrag vom 27.6., inklusive Links zum Aufruf großer Namen aus der Film-
industrie, die sich im Juli dankenswerterweise und öffentlich-
keitswirksam in das Thema einmischten. Während der Gerichts-
entscheid Venedigs aufgehoben und die Prüfung der Ausbau-
möglichkeit des canale 
contorta St. Angelo, beschlossen am 12. August, als Alternativroute für die Kreuzfahrtschiffe, fast gleichzeitig in die Weltöffentlichkeit gespült wurde. Wobei sich deutschsprachige Medien, bis auf wenige Ausnahmen, nicht in der ersten Reihe der Informanten präsentierten.

Ossietzky 17.8.2014 Die Schiffsschlacht um Venedig
SZ 22.8.2014 Schlammschleudern
Stuttgarter Zeitung 25.8.2014 Alte Probleme in neuen Kanälen

Diesen Kanal in der Laguna sud für die Passage der Kreuzfahrt-
riesen massiv in die Tiefe (von jetzt 2,4 auf 10,5 m) und Breite (bis zu 200 m) auszubauen, sehen venezianische BürgerInnen und UmweltexpertInnen als verstärkte Bedrohung des gefähr-
deten Gleichgewichts der gesamten Lagune und der Stadt.
Der Protest der Bürgergruppen NoGrandiNaviSalviamoVenezia sowie Gruppo 25 aprile  formier-
te sich sofort zu diesem Thema unter dem neuen Kernsatz "Venezia è laguna", öffentliche Personen Venedigs und kritische BloggerInnen wie Veneziablog und I'm not making this up schließen sich an und ich folge ihrem Beispiel. 

Die Maximalforderung der Gruppen ist, die Riesenschiffe ganz aus der Lagune zu halten und eine Stazione marittima in der Adria vor den Lidi zu bauen. 

Hier noch einmal fett der Link zur 



Ich habe die englische Übersetzung des italienischen Originaltextes übersetzt, damit im Zweifelsfall jede/r weiss, was hier unterschrieben werden kann. Eine Begründung ist nicht erforderlich, ebenso wenig eine Spende, außer man wünscht das so.

"Der Ausbau der neuen Kanalabzweigung "Contorta" würde den wichtigsten Industrie- und Handelskanal "canal dei petroli" ins Zentrum der Stadt Venedig leiten. Der natürliche Schutz der La-
gune würde verringert und der Druck durch die vereinten Was-
sermassen durch die beiden größten Laguneneingänge, von Lido und Malamocco, erhöht. Unumkehrbare Konsequenzen wie noch häufigere Hochwasser, beschleunigter Verfall der Bausubstanz und Beeinträchtigung der Artenvielfalt und natürlichen Wider-
standsfähigkeit der Lagune wären die Folge. Wir wenden uns gegen die Ausbaggerung des Contorta Kanals, weil er Venedig und die Lagune schädigen würde. Wir verlangen die sofortige Rücknahme dieses Plans und die Prüfung und den Vergleich aller alternativen Vorschläge zur Führung des Kreuzschifffahrts-
verkehrs.
Wir betonen unsere Überzeugung, dass die Stadt Venedig zu-
ständig ist für eine Entscheidung, die ihre eigene Zukunft direkt betrifft und ihre Repräsentanten nicht länger wie unerwünschte Zuschauer behandelt werden dürfen."
Laguna sud bei Pellestrina
Ergänzung 03.10.2014:
The Art Newspaper, 02.10.2014 The Importance of Mud to Venice
April 2014 Duferco Venis Cruise 2.0

7. September 2014

Planet Solar auf La Certosa


Reise der Planet Solar durch den Golf von Korinth...


Das sehr beeindruckende Solarschiff Planet Solar, das größte der Welt, hat Donnerstag das Ziel seiner diesjährigen Sommerforschungsreise erreicht, Venedig.

Es liegt für den Winter bis Mai 2015 in der Marina von La Certosa und sucht eine/n neuen EignerIn. Eine vielleicht einmalige Gelegenheit, einen Blick auf dieses außergewöhnliche Schiff zu werfen. 
In Zusammenarbeit mit Vento di Venezia werden Veranstaltun-
gen und möglicherweise auch Besichtigungen angeboten. Siehe auch Eintrag auf dem Venedig-Blog L'acqua bassa in Venedig.



Website Planet Solar
Website Clean Tecnica
Die Planet Solar auf AIS-Schiffspositionen




...und im Hafen von Nauplio

Besuchstermine:
20.9.2014 anlässlich des Tages des Europäischen Erbes kann die Planet Solar im Arsenale besucht werden von 10:30-17:30 Uhr. 


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3. September 2014

Eine Gondel in Amsterdam

Rijkmuseum Amsterdam
Hendrik Cornelisz Vroom 1566-1640
Rückkehr der 2. ostindischen Expedition
Ein kleiner Wochenendabstecher nach Amsterdam bringt die unerwartete Erfahrung: Das Verkehrskonzept 'Wasser' kann in der Praxis sehr verschiedene Formen annehmen.

Venezianische Kanäle bzw. rii sind vollwertige und stark fre-
quentierte Personen- und Lastenverkehrswege. Privatverkehr, ÖPNV, Wirtschaftsverkehr. Sie dienen dem Transport all dessen, was sonst auf Straßen bewegt wird. Brücken werden ausschließlich von FußgängerInnen benutzt.

  
Amsterdam hat vollwertige Straßen für den Personen- und Lastenverkehr, der sich in Venedig auf dem Wasser abspielt. Brücken werden von allen VerkehrsteilnehmerInnen, zu Fuß und auf egal wie vielen Rädern, benutzt. Und die Kanäle bzw. Grachten? Es gibt Transportboote, die ich aber nach einem knappen Wochenende nicht definieren kann. Flache Stadt-
rundfahrtboote für TouristInnen, mit und ohne Verdeck. Fest liegende Hausboote. Und dann: jede Menge Partyboote! An einem Freitag im August folgt zur Feierabendzeit ein Partyboot dem andern, offen, in allen Größen, mit oder ohne Musik, mit Bierfäßchen und Chips, Sektkühlern und Häppchen, Rotwein-
gläsern, Baguette & Käse, die Passagiere in Freizeitklamotten. Aber auch geschlossene Boote mit gedeckten Tischen, Kerzen, Blumenschmuck, Kellnern, aufgebrezelten Fahrgästen. Man hat den Eindruck, Amsterdam entspannt am liebsten im Boot.


Alles unvorstellbar in Venedig. Dort gibt es mit dem Verkehrs-
mittel Boot einmal im Jahr Party auf dem Wasser, dann aber richtig, jedes Wasserfahrzeug kommt zum Einsatz, wer keines hat, stellt Tische vors Haus und feiert an den Ufern. (Ich spreche vom Redentorefest und war noch nie dabei.) Hausboote wie in Amsterdam sind auf Venedigs engen und viel befahrenen Kanälen undenkbar, auch in der Lagune und an den Inseln habe ich noch kein Hausboot gesehen (die kleinen mobilen Touristenhausbooten sind kein Thema).  


In Venedig rauscht der Verkehr durch die Kanäle, in den Gas-
sen jenseits der rappelvollen touristischen Schwerpunkte bewegt man sich eher entspannt. In Amsterdam herrscht städtischer Straßenverkehr, die Grachten bieten die beschau-
lichere Art der Fortbewegung. 





Soviel zum Thema Wasser-
verkehr   als Vor-
rede zu einer vermutlich venezia-
nischen Gondel in Amsterdam. Gefunden auf dem Bild (siehe ganz oben), das die Rückkehr von 4 Schiffen der 2. Ostindienexpedition unter Kapitän Jacob Cornelisz van Neck am 19.7.1599 zeigt. Die Ostindienexpeditionen waren der Beginn der Niederländischen Ostindien Kompanie, deren wirtschaftlicher Erfolg auch beitrug zum wirtschaftlichen Niedergang Venedigs. Aber das ist ein anderes Thema.




Die amsterdamer Bevölkerung empfängt auf diesem Bild die Rückkehrer aus "Ostindien", Riesenauflauf von Ruder- und Segelbooten im Hafen, jedes voller Menschen, die um die 4 Handelsschiffe wimmeln. 
"Van Neck brachte fast eine Million Pfund Pfeffer und Nelken zurück, zusätzlich ein halbes Schiff voller Muskatnüsse, Zimt und Muskatblüte. Ein Gewinn von 400 %. Die Reisenden wur-
den ekstatisch in Amsterdam empfangen und in einer Parade begleitet von einer Trompetenkapelle durch die Stadt geführt, während alle Kirchenglocken läuteten." (Wikipedia, s.  Link o.)



Mitten unter ihnen eine einzelne Gondel mit Felze, die gerudert wird von einem stehenden Gondolier und einem zweiten sitzenden Ruderer. Nur wenige Menschen sitzen in der Gondel und ich stelle mir vor: hier sitzt der "venezianische Gesandte" in Amsterdam mit seiner Begleitung. Einer dieser Männer, auf die man in der europäischen Geschichte überall stößt, sei es Alvise Contarini beim Westfälischen Frieden, die lange Liste venezianischer Gesandter im Heiligen Römischen Reich oder die noch längere derjenigen in Konstantinopel

Natürlich nimmt er in seiner Präsentationsgondel an diesem historischen Ereignis teil, das Risiko der  wagemutigen See-
fahrer und der Kaufleute Amsterdams hat sich ausgezahlt, ein Bombenerfolg. Er als Venezianer ist da Experte, und er muss vor allem einen Bericht an die Serenissima liefern, einen dispaccio. Dieses Ereignis, die Öffnung der Ostindienroute, die Konkurrenz der niederländischen Handelskonvois, kann aus venezianischer Sicht kaum überbewertet werden. Also ist er dabei, ob er will oder muss.



Die Gondel sieht nicht aus wie eine heutige Gondel. Sie ist breiter und kürzer, Bug und Heck unterscheiden sich deutlich von der zeitgenössischen Gondel. Aber das dargestellte Boot stammt aus dem 16. Jahrhundert. (Siehe Eintrag "Eine wunderschöne Gondel" vom 7.7.2012.)
Vielleicht ist auch der Maler Vroom von der Darstellung dieses Boots überfordert, wenn überhaupt, gehört eine Gondola ja nicht zum täglichen Anblick auf den Grachten Amsterdams. 

Das denke ich mir beim Betrachten des großen Bildes von Hendrik Cornelisz Vrooms. Kann aber auch ganz anders sein, weshalb ich Andreas Götz, Experte in venezianschen Booten, frage. Über den Export venezianischer Gondeln im 16. Jahrhundert ist ihm nichts bekannt. Der Bootsbau sei bis ins 19. Jahrhundert immer sehr regional und an die Besonderheiten des jeweiligen Ortes angepasst gewesen. Es sei aber nicht ausgeschlossen, dass man in einer internationalen Stadt wie Amsterdam eine Gondel präsentierte, präsentieren wollte. Oder Wert darauf legte, auf einem imageorientierten Bild eine Gondel zu präsentieren. Auch wenn man vielleicht gar keine hatte... 

Heute jedenfalls, sagt Andreas Götz, fährt eine original venezianische Gondel in Amsterdam.

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