Bildbände sind schön und ein preiswerter Trost, wenn die Zeit oder das Geld nicht für eine Reise reichen. Andererseits nicht wirklich kostengünstige Konsumartikel, weshalb ich Bildbände normalerweise gebraucht kaufe. (Neben dem bekannten Amazon hauptsächlich bei www.booklooker.de und www.abebooks.com.) Kann auch schiefgehen: ich habe den Prachtschinken 'Der Canal Grande' (Hirmer) sehr preiswert gebraucht im Internet gekauft und dann festgestellt, dass es Fehler bei der Seitenheftung gab: die Palazzi erschienen deshalb nicht in der eigentlichen Reihenfolge und beim Blättern musste ich den Canal Grande rauf und runter hüpfen.
Ich habe mir kürzlich zwei Bildbände neu gekauft, die mir vom Inhalt sehr gefallen und deutlich unter den üblichen Preisen liegen.
"Venedig in atemberaubenden Luftaufnahmen" (White Star Verlag, 2007) zeigt wirklich tolle Luftaufnahmen Venedigs aus unterschiedlichen Höhen. Einzelgebäude wie Kirchen und Palazzi, Gebäudeensembles wie Campi und Klöster, Stadtteilübersichten in verschiedenen Größen werden aus interessanten Perspektiven gezeigt und bieten zum Teil ganz überraschende bis witzige Einblicke. Luftaufnahmen der Lagune und ihrer Inseln (siehe Eintrag "Burano" vom 14.12.08) habe ich, außer von Torcello, in dieser Form bisher noch nicht gesehen. Mit einer Lupe kommt man sowohl architektonischen Einzelheiten wie auch Hinterhöfen auf die Spur. Man BRAUCHT dieses Buch nicht, aber es ist spannend und unterhaltsam, sich ausführlich in die Aufnahmen zu vertiefen. Es gibt auch Fotos anderer venetischer Städte, und für die tollen Aufnahmen der Dolomiten kann man sich vermutlich begeistern, aber an mich sind sie verschwendet. Ebenso wie der durchschnittliche, zum Glück angemessen sparsame Text. Die Stärke dieses Bandes ist ganz klar die ungewöhnliche Präsentation Venedigs von oben.
Zum Ende des 500-Jahre-Palladio Jubels bejubelt der Taschen Verlag seine 25 eigenen Jahre löblicherweise mit "Palladio - Sämtliche Bauwerke" inklusiver einiger, bei denen die Urheberschaft Palladios nicht unumstritten ist. Die Fotos zeigen Gesamtansichten und (z. T. ungewöhnliche) Details, sind aber teilsweise etwas älter. Am Beispiel der Villa Cornaro, die ich 2007 im restaurierten Zustand erlebt habe, kann ich das feststellen (siehe Eintrag vom 23.10.07). Aber wie brandneu muss schon ein Foto eines 450 Jahre alten Gebäudes sein, damit ich einen Eindruck davon gewinne? Die ausführlichen Texte beinhalten sehr sachkundige Beschreibungen der Bauten und ihrer Geschichte und vor allem detaillierte Zitate aus "Die vier Bücher zur Architektur" von Palladio, die nicht jeder komplett lesen wird. Außerdem viele Zeichnungen Palladios aus "Die vier Bücher". Kompakter, kompletter, sinnfälliger und preisgünstiger kann man sich, glaube ich, derzeit nicht zum Thema Palladio schlau machen.
(Siehe auch Eintrag vom 11.8.08) Die derzeit verfügbare (neue) Ausgabe von "Die vier Bücher..." gibt es zu einem ebenfalls vernünftigen Preis, neu übersetzt und zweisprachig, italienisch und deutsch. Habe ich mir allerdings noch nicht angesehen. Aber ein Muss für jeden, der tiefer in das Thema Palladio einsteigen will.
Nach 25 Jahren Restaurationsarbeiten wurde am 20. Dezember der Palazzo Grimani eröffnet - ein neues Museum, ein lange erwartetes Ereignis. Die erhaltene prachtvolle Innenausstattung des Hauses ist nach der Restaurierung einzigartig in Venedig und ich hoffe, dass das neue Museum die ehemalige Antikensammlung Grimani zeigt.
Wegen der langen Arbeitsdauer ist der Palazzo derzeit in keinem der üblichen Reiseführer zu finden. Trotz jahrhundertelanger Berühmtheit. Denn einerseits gehörte die Familie Grimani seit dem 13. Jahrhundert mit Patriarchen, Prokuratoren, einem Kardinal und drei Dogen (aber auch einem Generalkapitän, Antonio, der wegen Unfähigkeit im Türkenkrieg als "Ruin der Christen" 1499 verbannt und 22 Jahre später doch noch Doge wurde) zum reichen Adel. Und andererseits war genau dieser Palazzo bei Santa Maria Formosa (eines von mehreren Grimani-Häusern in Venedig) Sitz einer berühmten Antikensammlung, wohl der wichtigsten Sammlung Venedigs des 16. Jahrhunderts überhaupt.
Die wunderbare Ausstellung der Bundeskunsthalle in Bonn, Venezia!, zeigte Teile dieser als 'Tribuna' angeordneten Sammlung und ich hatte vor sechs Jahren schon das Glück, in meiner Stadt die Ausstellung mehrfach zu besuchen. Unter dem Menüpunkt 'Ausstellungsplan und Texte' kann man unter 5 den Text zur Grimani-Sammlung nachlesen.Leider gibt es keine Fotos der Exponate, z. T. Kopien, aber auch griechische und römische Originalstatuen.
Sicher werden in den nächsten Wochen die Medien einiges über dieses neue Museum berichten. Vorläufig gibt es nur einige Links auf italienisch.
Erstaundlich finde ich aber, dass für den Besuch eine telefonische Voranmeldung und die Vorlage des Personalausweises obligatorisch sind, und das ohne Angabe einer Begründung (auf der Website).
Ab heute bis 6. Januar dürfen die Venezianer das neue Prachtstück kostenlos besuchen. Wir Normaltouristen haben einen weiteren Grund, uns auf die nächste Reise nach Venedig vorzufreuen.
Die großen und großartigen Eindrücke (und Fotomotive) in Venedig lassen schon mal das Kleine, weniger Spektakuläre übersehen. Zum Beispiel die Türknäufe.
Es gibt Unmengen von schönen Türknäufen, ich stelle hier als Beispiele einige Exemplare vor, die mir im Laufe der letzten Jahre aufgefallen sind.
Dass manin der Stadt des Markuslöwen massenweise Löwen an den Türen finden, wundert nicht.
Dass es eher wenige TürKLOPFER gibt, wie z. B. das in Griechenland sehr beliebte bronzene Damenhändchen, schon eher.
Erstaunlich finde ich aber die Knäufe in Form von kleinen menschli- chen Köpfen, hier vor allem die afrikanischen Gesichter.
Alvise da Mosto "entdeckte" im 15. Jahrhundert die Kapverden. Über die engen Handelsverbindungen mit Ägypten waren Afrikaner nach Venedig gekommen. Shakespeares Othello ist ein schwarzer Venezianer. Auf Bildern des 15. Jahrhunderts (z. B. Bellini) sind Afrikaner in der venezianischen Bevölkerung zu sehen. Laut Helmut Dumler (S. 254) gabe es damals rund 3000 schwarze Sklaven in Venedig, etwa 3 % der Bevölkerung. Sie kosteten 16 bis 87 Golddukaten pro Person und arbeiten im Haushalten und z. T. als Gondolieri.
Außerdem hat Venedig aus seinen Handelsaktivitäten den Sklavenhandel nicht ausgenommen, der Rialto war lange Zeit das Zentrum des europäischen Sklavenhandels neben Konstantinopel.
Und als man nicht mehr umhin kam, das päpstliche Verbot des Menschenhandels zu respektieren, wurde dieser Handelszweig auf die Kolonialinsel Candia (heute Kreta), in die gleichnamige Hauptstadt (heute Heraklion) verlagert. Hier hatte der Papst nichts zu sagen und das Geschäft blühte.
Wie allerdings die Afrikaner auf ausgerechnet die Türknöpfe kommen, und warum Afrikaner und nicht auch andere ethnische Physiognomien, habe ich bisher noch nicht herausbekommen. Und was die heutigen afrikanischen Immigranten in Venedig darüber denken, werde ich bei passender Gelegenheit mal nachfragen.
Wer einen schönen Türknauf aus Venedig mitnehmen will ist nicht angewiesen auf einen Flohmarktfund, sondern hat die komplette Auswahl preisgünstig in einem Geschäft für Hausmetallwaren an der nordwestlichen Ecke des Campo S. Maria Formosa, rechts vor der Brücke, ein paar Minuten vom Markusplatz entfernt.
Dies ist der schönste Löwentürknauf. Er befindet sich an einer Seitentür des Palazzo Pisani bei S. Stefano. Er scheint sehr alt zu sein und hat trotz seines grimmigen Mauls und der angestrengten Stirnfalten gleichzeitig einen witzigen Ausdruck. Die Stirnlöckchen über dem Machogesicht können kein künstlerischer Zufall sein, finde ich.
Burano in der Laguna Nord ist 'nur' eine Fischerinsel. Die Buranelli empfanden ihre Insel immer als unterbewertet neben Murano, der ökonomisch wichtigen Glaskunstinsel, Torcello, der historisch und kunsthistorisch bedeutenden Besiedungs-Urzelle der Lagune, Sant'Erasmo, die seit Menschengedenken Venedig mit Agrarprodukten versorgt und diversen Klosterinseln. Und sich selbst von der Dominante Venedig mangels historischer und wirtschaftlicher Bedeutung sozial an den Rand gedrängt. Bis heute klagen sie über zu wenig Unterstützung und Subvention, schlechte Bildungs-,Verkehrs- und Gesundheitversorgung.
Winterlicher Kanal Auf der anderen Seite holen sie sich wirtschaft- lich ihr Stück vom Tourismus- kuchen, unter Verzicht auf das "Disneyland"-Gejammere der Venezianer des Centro Storico. Denn kein Wohnraum wurde hier umgewandelt in Hotels, es werden keine Zimmer vermietet und nur ein einziges Haus auf der Insel steht seit kurzem als Ferienwohnung zur Verfügung. Abends werden die Läden geschlossen und im Winter auch die meisten Restaurants und Cafes, und man ist wieder fröhlich unter sich. Was ganz bestimmt kein Zeichen von Xenophobie ist, im Gegenteil. Boot im Winter, bestückt für die Entenjagd
Die Buranelli sind während der täglichen 12 Stunden Tourismus ausserordentlich gastfreundlich und bereit, sich auf Kontakt mit ihren Besuchern einzulassen, was beim Normalvenezianer in der Regel nicht in Frage kommt.
Ich habe an einem regnerischen Dezembernachmittag auf Burano einen (italienischstämmigen) vedischen (indischen) Mönch kennen gelernt und bei mehreren Tassen Tee von ihm erfahren, dass er jedes Jahr vor Weihnachten eine Betteltour von Haus zu Haus auf Burano macht, weil die Leute hier sich über winterlichen Besuch freuten, offen auch für nicht-christkatholische Ansichten seien und nach einem arbeitsreichen Sommer bereit, sein Kloster und dessen soziale Aufgaben mit Spenden zu unterstützen.
Pfarrkirche San Martino In den meisten Reiseführern steht Quark zu Burano, z. B. man könne hier nachempfinden, wie Venedig im 12. (oder auch schon mal 14.!) Jahrhundert ausgesehen habe. Venedig hat sich schnell vom Fischerdorf am Rialto zur Handelszentrale in der Lagune weiter entwickelt. Im 12. Jahrhundert gab es in Venedig dank des Seehandels und Salzmonopols reiche Kirchen, Klöster und byzantinische Paläste am Canal Grande. Boot im Sommer, bestückt zum Fischen Im 14. Jahrhundert war Venedig bereits seit 100 Jahren Kolonialherrin mit Festungen in Kreta, der Agäis und der Peleoponnes. Burano war eine Fischerinsel, ist eine Fischerinsel und steht als solche unter Denkmalschutz, und keineswegs als konservierter historischer Moment Venedigs. Ein weiterer Reiseführer-Unsinn ist die Idee, die Häuser seien bunt, damit die Fischer ihre Wohnungen vom Meer aus sehen und erkennen könnten. Warum und zu welchem Zweck sollten sie? Zumal man vom Meer aus nur den schiefen Campanile sieht, die bunten Häuser aber erst bei der Einfahrt in die Kanäde der Insel.
Einleuchtender scheint mir Lidia Sciama in ihrem Buch 'A Venetian Island. Environment, History and Change in Burano. Sie schreibt:"I asked a man why the islanders paint their houses in many different colours. His answer was:Because once upon a time Burano was one great isolation hospital. When there where cholara epidemics, individuals or whole families would be sent here. The Republic's sanitary officers would come an spray our houses inside-out with quick-lime, but the white-wash made them look desolate and almost sinister, so that, as soon as all members of a household were declared free from infection, they would come out and paint their cottage in vivid colours to celebrate, an to let others know that they could join society again."(S. 42)
Gasse auf Burano Die Insel besteht aus fünf nach venezianischem Vorbild durch Brücken verbundenen Inseln: San Mauro, San Martino Destro, San Martino Sinistro, Guidecca und Terra Nova. Alle Flächen bis auf ein bisschen Grün an den Inselrändern ist bebaut. Es gibt praktisch keine Gärten ausser einem Stückchen Rasen hier und da zwischen den Siedlungsreihen. Die Wohnungsnot, nicht der Wunsch nach einer anderen/besseren Bleibe, hat im letzten Jahrhundert zu massiven Abwanderungen geführt, denn die Buranelli sind ihrer Insel und Dorfgemeinschaft sehr verbunden. Venedig hat aus diesem Grunde eine Siedlung von Sozialwohnungen auf der Nachbarinsel Mazzorbo bauen lassen, wo es freie Flächen gibt (darüber berichte ich ein anderes Mal). Alle Häuser auf Burano sind klein, eng, maximal zweistöckig. Während in Venedig die Grundgeschosse wegen der Feuchtigkeit eher selten bewohnt sind, hat man auf Burano nicht die Wahl, in die 3. oder 4. Etage auszweichen. Aufgrund des Platzmangels und der Denkmalschutz- auflagen sind Ausbau- und Modernisierungs- möglichkeiten im Sinne von 'normalem' Komfort eingeschränkt. Wohnen auf Burano war noch nie komfortabel und ist es heute auch nicht. Aber das enge Zusammenwohnen mit den offen stehenden Haustüren und dem Privatleben in der 'Öffentlichkeit' der Gasse ist noch einen Tick verschärfter als das bereits geschilderte unprivate Leben in Venedig.
In der Mitte Buranos bildet der zugeschüttete große Kanal als Via Baldassare Galuppi heute den touristischen Kern der Insel mit Touristengeschäften, Cafes und Restaurants und führt auf die Piazza Galuppi mit der Kirche San Martino, dem Spitzenmuseum in der ehemaligen Spitzenschule, der schönen Brunnenfassung und der Büste von Baldassare Galuppi.
Galuppi war der Star der venezianischen Musikszene der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts, als der Star der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts, Antonio Vivaldi, längst vergessen war. Vivaldis Werk wurde im 19. Jahrhundert wieder entdeckt und machte eine neue weltweite Karriere, während Galuppis Musik vergessen wurde und zu Unrecht vergessen blieb, nur Robert Browings Gedicht 'A Toccata of Galuppi's' (1843) erinnerte weiter an ihn. Erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts begann man auf Burano und Venedig wieder seine Werke aufzuführen und zu vermarkten. Vivaldi war Komponist, Impresario und Leiter des Mädchenchors am Ospedale della Pietà. Galuppi wurde wie er als Opernkomponist (in Vendig vor allem von Goldonis Libretti) und Leiter des konkurrierenden Mädchenchors des Ospedale dei Mendicanti berühmt, als Kappellmeister des Markusdomes und darüber hinaus in ganz Europa von Paris bis Moskau, wo er drei Jahre am Zarenhof arbeitete, hoch geschätzt. Ich lege Vivaldi, der für jede Werbung, Kaufhaushintergrund- und Fahrstuhlmusik herhalten muss, nicht mehr freiwillig auf, aber die flirrende Eleganz von Galuppis Musik schenkt jedem grauen Dezembertag ein venezianisches Strahlen. Link zu Hörproben. Sommerliche Altana
Das Thema 'Spitzen' liegt in Burano in den Schaufenstern und steht in jedem Reiseführer. Dabei wird gerne der Eindruck erweckt, die überaus wertvollen Spitzen hätten der hungernden Inselbevölerung einen bescheidenen Wohlstand gebracht. Was natürlich nicht wirklich der Fall war, die Produzentinnen des teuren Punto in Aria erhielten einen Hungerlohn für enorm viel Arbeit. Es gab auch nie genug Einwohnerinnen auf der Insel für große Geamtverdienste, wenn z. B. mehrere Frauen gleichzeitig monatelang an einem Brautschleier für eine europäische Prinzessin arbeiteten und sich den geringen Anteil des hohen Preises, der dafür beim Verkauf vom venezianischen Händler erzielt wurde, teilten.
Ähnlich war es nach der Eröffnung der Scuola del Merletto (heute Spitzenmuseum) Ende des 19. Jahrhundert durch die Gräfin Marcello und wohlhabende Freundinnen: neben dem sozialen Konzept Arbeitsplätze für die Frauen der Insel zu schaffen, ging es darum, eine versickertes Geschäft wieder zum Leben zu erwecken. Gleichzeitig stellten sich die adeligen Damen sozialpädagogische Aufgaben, die, wie damals üblich, einem christlichen Kloster übertragen wurden. Die Mädchen und Frauen waren nicht nur billige Arbeitskräfte, sondern wurden bis in ihr Privatleben hinein von den Nonnen kontrolliert und manipuliert. Kleine Grünfläche - großes Katzenhaus
Bei meinem letzten Besuch im Sommer auf Burano fand ich zum meinem Schrecken den Neubau einer Schiffsanlegestelle, der jedes Maß der stillen Laguna Nord sprengt. Aus meiner Sicht reicht die alte Anlegestelle durchaus, auch wenn es im Hochsommer schon mal Schlangen gibt. Angesichts der gegenüber liegenden alten Kirchen von Torcello ist der Anblick dieses Schiffsterminals schon ein gewisser Kulturschock, nach dessen Sinn man sich wohl fragen darf.
Besser flutschende Massenabfertigung? Subventionierte Investition? Noch war das Ding nicht in Betrieb, aber wenn, wird es die bombastischste Anlege in der ganzen Lagune inkl. Venedig Centro Storico sein.
(Anklicken, und hinter der Anlege sind die Kathedrale und der Campanile von Torcello zu sehen)
Auf YouTube gibt es schöne sehr alte Filme über Burano. Ich stelle einen hier ein, mit der Empfehlung, weitere zu entdecken.
Am 1.12. gab es in Venedig ein vorange- kündigtes Hochwas- ser, das über- raschend deutlich höher als erwartet ausfiel und fast ganz Venedig überschwemmte. Verschärft wurde die Situation durch einen Streik im ÖPNV, der unflexiblerweise nicht abgesagt wurde. Ich habe selbst schon einen Vaporettostreik im Dezember erlebt, auch ohne Hochwasser nervig genug! Am 11.12., gestern, folgte eine weitere Überflutung. Die Stadt hat auf Ihrer Website Fotos und Videos eingestellt.
(Zusätzlicher Doppelklick bei 'This Video is no longer available)
Laut 'Buongiorno Venezia' vom 9.12. gibt es auch prompt Streit über die Kosten der Katastrophe.
Warnung an zart Besaitete: dieser Bericht ist makaber.
Ich bin häufig in der Gegend des Campo Santa Maria Nova, Campo San Canciano bis zur Kirche Santi Apostoli in Cannaregio. Dabei fällt mir immer wieder auf, dass VenezianerIn- nen, die die Brücke über den Rio dei Santi Apostoli von San Canciano in Richtung Santi Apostoli überqueren, kurz anhalten und einen Haken berühren. Der Haken, bzw. zwei Haken, sind über Kopfhöhe in die Hausecken eingemauert, viel zu hoch, um jemals ein Boot daran festzumachen. Die Berührung ist kein Vorbeistreifen, sondern hat etwas Rituelles.
Ich habe mich häufig neugierig gefragt, was es damit auf sich haben könnte. Bekannte wussten nichts darüber, einfach jemanden auf der Straße zu fragen kam nicht in Frage. ("Entschuldigen Sie, was machen Sie da und warum?" wäre der Gipfel der touristischen Distanzlosigkeit.) Und ausserdem die Peinlichkeit, freundliche ältere Damen wegen nicht ausreichender Sprachkenntnisse nicht angemessen verstehen und antworten zu können!
Die immer Glück bringenden Ankerhaken in der Nähe von San Canciano seien wohl keine Glücksbringer gewesen für diejenigen, die man früher daran aufgehängt habe, zur Mahnung an die vorüber Gehenden. Von hingerichteten gevierteilten Menschen seien je zwei Viertel an den beiden Haken bei San Canicano, zwei Viertel an einem weiteren Ankerhakenpaar bei den Tolentini (in Sestiere Santa Croce) aufgehängt worden. Das zweite Ankerpaar existiere aber heute nicht mehr.
Eine derart eindeutige Verlautbarung ungewohnt, habe ich zunächst mein Wörterbuch gezückt und festgestellt, dass ich sehr wohl richtig verstanden hatte. Die Nachfrage bei Venedig-Insidern ergab, dass niemand etwas davon gehört hatte, dass in Venedig einst gevierteilt wurde, aber tatsächlich hatte bisher niemand Anlass, sich mit dem Thema zu beschäftigen.
Meine Internetrecherche ergab eine Menge merkwürdiger (und wohl z. T. auch merkwürdig motivierter) Seiten, diverses Lehrreiches über die venezianische Justiz und deren Vollzug, und auch Einiges über venezianisches Vierteilen, in der Tat.
Ob das Berühren wirklich Glück bringt, ob an dieser Stelle tatsächlich so grausiger Vollzug stattfand, oder ob es sich um eine Legende handelt - wieder Fragen, die man nicht stellen kann...
(Die Ortsbezeichnung Sottoportego del Traghetto bezieht sich auf die alte Ruderfähre von Cannaregio nach Murano, die vor dem Bau der Fondamente Nove hier ihre Anlege hatte.)
siehe auch Einträge hier am 23.10. und 18.11.07, 11.08.2008
"Heute besuchte ich das eine halbe Stunde von der Stadt auf einer angenehmen Höhe liegende Prachthaus, die Rotonda genannt. Es ist ein viereckiges Gebäude, das einen runden, von oben erleuchteten Saal in sich schließt. Von allen vier Seiten steigt man auf breiten Treppen hinan und gelangt jedesmal in eine Vorhalle, die von sechs korinthischen Säulen gebildet wird. Vielleicht hat die Baukunst ihren Luxus niemals höher getrieben. Der Raum, den die Treppen und Vorhallen einnehmen, ist viel größer als der des Hauses selbst; denn jede einzelne Seite würde als Ansicht eines Tempels befriedigen. Inwendig kann man es wohnbar, aber nicht wohnlich nennen. Der Saal ist von der schönsten Proportion, die Zimmer auch; aber zu den Bedürfnissen eines Sommeraufenthalts einer vornehmen Familie würden sie kaum hinreichen. Dafür sieht man es auch in der ganzen Gegend von allen Seiten sich auf das herrlichste darstellen. Die Mannigfaltigkeit ist groß, in der sich seine Hauptmasse zugleich mit den vorspringenden Säulen vor dem Auge der Umherwandelnden bewegt, und die Absicht des Besitzers ist vollkommen erreicht, der ein großes Fideikommißgut und zugleich ein sinnliches Denkmal seines Vermögens hinterlassen wollte. Und wie nun das Gebäude von allen Punkten der Gegend in seiner Herrlichkeit gesehen wird, so ist die Aussicht von daher gleichfalls die angenehmste. Man sieht den Bach Iglione fließen, Schiffe von Verona herab gegen die Brenta führend; dabei überschaut man die weiten Besitzungen, welche Marchese Capra unzertrennt bei seiner Familie erhalten wollte."
J.W. Goethe: Italienische Reise
Fotos: Villa Cornaro ora Gable in Piombino Dese, Rückseite und Blick von der rückwärtigen Loggia auf Garten und Felder
Vergangenen Sonntag fand der diesjährige Venice Marathon statt und wie schon im letzten Jahr bleiben bis zum 11. Januar 13 Brückenrampen stehen.
Eine gute Gelegenheit für Menschen mit eingeschränkter Mobilität, sich in den ruhigeren Monaten nach der Herbstsaison und vor dem Karneval auch unabhängiger in Venedig zu bewegen.
Es handelt sich um die Brücken an den Zattere und auf der Spitze von Dorsoduro, sowie entlang des Bacino entlang der Riva dei Schiavoni bis zu den Giardini. Der Besuch u. a. der Peggy Guggenheim Collection oder der Architekturbiennale (diese noch bis 23.22., siehe Eintrag vom 23.9.08) wird dadurch erleichtert.
Auf der städtischen Website gibt es einen genauen Plan. (Auf den Link am Ende des Textes klicken und herunterladen).
Hortensie im Vorgarten des Palazzo Cavalli-Franchetti an der Accade- mia-Brücke/ Campo S. Stefano. Der Gartenteil zum Canal Grande ist nicht öffentlich, der Palazzo ist bei Ausstellungen zu besichtigen.
Unterwegs in Venedig überfällt mich spätestens am dritten Tag ein gewisser Grünentzug. Die komplette und dichte Bebauung. Die über Jahrhunderte gewachsene bewunderungswürdige architektonische Gestaltung der Stadt (zusätzlich zu allem, was innerhalb der Gebäude an Kunst und Gestaltung geboten wird). Steine und Wasser - der Mensch braucht mal kurz einen Baum und ein Stück Wiese. Leicht zu finden auf den meisten Laguneninseln, aber darauf will ich hier nicht hinaus. Denn auch in der Stadt gibt es kleinste bis überraschend große Grüninseln, die mehr oder weniger frei zugänglich sind.
Ich fange mit einem einmalig schönen Garten an: der der Peggy Guggenheim Collection. Er liegt zwischen dem Palazzo Venier dei Leoni am Canal Grande (dem Hauptausstellungs- gebäude) und dem dazu erworbenen Gebäudetrakt an der Fondamenta Venier südlich davon. Inmitten des großen alten Baumbestands, Gebüschen und Blütenpflanzen finden sich Skulpturen, Sitzgelegenheiten und natürlich Peggy Guggenheims Grab (und das ihrer Hunde). Zwischen den Baumkronen blitzt die Kuppel der Salute. Die Geräusche vom Canal werden durch den Palazzo abgeschirmt, und wie in allen grünen Oasen Venedigs herrscht lautes Olivenbaum am Grab von Peggy Guggenheim, gepflanzt von Yoko Ono 2003
Vogelzwitschern, natürlich am schönsten direkt morgens früh oder nachmittags kurz vor der Schließung. Tagsüber hat der Garten (und die Terasse am Canal Grande) oft ziemlich viele Besucher.
Zwei öffentliche Gärten gibt es in direkter Bahnhofsnähe: den Giardino Papadópoli kennt jeder, denn auf dem Weg vom Piazzale Roma zur Scalzibrücke musste man bisher an seiner mit Plakaten beklebten Mauer vorbei oder man hat dort die Wartezeit auf den Bus verbracht. Jetzt auf dem Weg über die neue Brücke hat man auch einen guten Ausblick auf die hohen alten Bäume und den kleinen Kinderspielplatz in der Mitte des Gartens. Mir ist diese Anlage tagsüber zu ungemütlich und hektisch in der Nähe des Bahnhofs und des Piazzale Roma.
Ganz anders der zweite Garten, der Parco Savorgnàn, der fast ausschließlich von Venezianern besucht wird, die den Hund ausführen oder ein paar Schritte gehen wollen: vom Bahnof aus bis zur Gugliebrücke, vor der Brücke links am Canal di Cannaregio abbiegen und bei der ersten Möglichkeit wieder links durch ein Eisentor, das tagsüber offen steht und abends verschlossen wird, in den Park eintreten. Stille, Vogelgezwitscher, hohe alte Bäume (Buchen, Platanen, Lorbeer), Rasen, einfache alte Springbrunnen, Bänke und die schlichten Rückseiten der umgebenden Gebäude, auch die der Palazzi Venier und Savorgnàn. Der Park ist leer und groß genug, dass man dort sowohl umgestört ein paar Runden laufen als auch eine Mediationspause auf dem Rasen einlegen kann. Auf der Südseite des Canal Grande (in den Sestieri Santa Croce, San Polo und Dorsoduro) gibt es eine ganze Reihe von Universitätsgebäuden, die zwar Universitätgelände, aber quasi öffentlich sind, wo mich jedenfalls noch nie ein Pförtner aufgehalten hat. Wenn man den Eingangsbereich durchquert hat, landet man in kleinen oder größeren einfachen aber stimmungsvollen Gärten mit Schatten und Sitzgelegenheiten, während der Unter- richtszei- ten leer und unbenutzt. Ein Beispiel aus San Polo(Fotos oben und unten): den Innenhof der Scuola Grande di San Giovanni Evangelista durchque- rend, die Scuola rechter Hand, hinter dem Durchgang der erste Eingang links ist ein solches Unigebäude, einen kleinen Teil des Gartens kann man schon vom Eingang sehen. Im Eingangsbereich gibt es Toiletten und einen Getränkeautomat, so dass man sich für ein ruhiges halbes Stündchen im Garten versorgen kann. Ein Beispiel aus Dorsoduro: auf dem Weg vom Museum Ca' Rezzonico Richtung Frari-Kirche gibt es direkt nach der Überquerung des Rio di Ca' Foscari (an der Feuerwehrstation) links eine Gartenpforte, die normalerweise offen steht. Den kleinen romantischen Garten sieht man schon von vor der Brücke aus. Zu Pausen- zeiten ist der Garten bevölkert von Student- Innen und Angestell- ten der Uni und umlie- gender Behörden. Ansonsten ist er ein Idyll, um eine kleine Wanderpause ein- und die Füße hochzulegen. Ich kann nur ermutigen, solche Gärten zu entdecken und zu betreten. Solange man nicht die Privatspäre von Einzelpersonen oder den Hausfrieden verletzt, sehe ich darin kein Problem.
Über Gärten verfügen natürlich eine ganze Reihe von Hotels die ausserhalb meines Budgets und meines Zutritts liegen. Das kleine Hotel, das ich seit vielen Jahren nutze wenn ich nur ein paar Tage in Venedig bin (eine 'Ferienwohnung' rechnet sich ab 5 Tagen) hat einen sehr kleinen, aber geradezu intimen und wunderschönen Garten mit Mosaikbrunnen, in dem man herrlich im Schatten entspannen kann und der abends mit Kerzenfackeln erleuchtet ist. Ich habe schon in allen 12 Zimmern geschlafen, aber den 'Zuhausefaktor' hat hier für mich der Garten. Innenhofgarten des Hotels Boccassini in Cannaregio
Die größte Parkanlage Venedigs sind die Giardini di Castello. An der Stelle gab es früher Spitäler und Pflegeeinrichtungen für verletzte und kranke Seeleute, Napoleon hat die Gegend in eine Parkanlage umgestalten lassen. Der Teil des Parkes zwischen den Haltestellen Giardini und S. Elena mit Kiefern, Pinien und Rasen und mit weitem Blick auf die Wasserfläche ist ganzjährig nutzbar.
Der größte Teil der Giardini ist allerdings nur für Biennale-Ausstellungen geöffnet, d. h. in Jahren mit gerader Zahl von September bis November für die Architektur-Biennale, in Jahren mit ungerader Zahl von Juni bis November für die Kunst-Biennale. Dann allerdings ist er, im Zusammenklang mit den Ausstellungen, ein ganz wunderbarer mediterraner Garten. Ein Teil der Giardini (der historische Pavillon Italia) soll künftig ganzjährig für Kunstprojekte zur Verfügung stehen. Ich lasse mich überraschen, wie die Abgrenzung funktionieren soll.
Es gibt einen weiteren Park in Cannaregio, in dem ich noch nie einen Touristen gesehen habe: der Parco Groggia an der Nordwestspitze von Vendig.
Er ist leicht zu finden in unmittelbarer Nähe der Haltestelle S. Alvise der Linien 41/42/51/52 und bietet sich auch als 'Mitnehmer' an, wenn man die Kirchen Madonna dell'Orto und S. Alvise besucht. (Ein paar Meter entfernt steht auch der Garten eines eher edlen Altenheimes zurBesichtigung, Sonntag von 11-13 Uhr, ich habe es noch nie pünktlich dorthin geschafft.) Der Parco Groggia besteht aus Dattelpalmen, Lorbeergebüschen, Buchen, Rasen und überaus romantischen Ruinenresten. Dazu gehört ein städtisches Kulturzentrum, das Teatrino Groggia, wo man (wenn man rechtzeitig das Programm erfährt), Theater- und Musikaufführungen erleben kann.
Der Campo S. Pietro am ganz anderen Ende von Venedig, auf der Insel S. Pietro ist eine andere grüne Oase, vor der Kirche San Pietro mit Palladio-Fassade und dem ehemaligen Patriachenpalast, zu Füßen der des wunderschönen schiefen Campanile von Codussi. Hohe alte Buchen, gemütliche Sitzbänke, Blick auf den Canale di S. Pietro und das Arsenale, Hunde, Katzen und (so selten in Venedig zu sehen!) auf dem Rasen Fussball spielende Kinder.
Schuhe aus, Füsse ins Gras und den Kopf in den Nacken gelegt, die ideale meditative Pause unterwegs in Venedig.
There is something so different in Venice from any other place in the world, that you leave at once all accustomed habits and everyday sights to enter an echanted garden.
Carlo Fruttero:
Perché nessun' altra città al mondo è immersa come questa non già nell'acqua ma nel tempo. È il tempo che circola nei canali, lambisce i palazzi, scivola tra piccoli ponti, cupole, erosi gradini di pietra; è il tempo che impregna persino gli umili souvenir in vendita per i turisti.
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