10. Februar 2008

San Michele - die Friedhofsinsel von Venedig


Der Friedhof Venedigs existiert erst seit dem 19. Jahr-
hundert auf der Kloster-
insel S. Michele, die mit der Insel
S. Christoforo zusammengelegt wurde. Auf älteren Darstellungen sieht man beide Inseln zwischen Venedig und Murano. Davor wurden die Toten wie allgemein üblich auf den vielen Kirchhöfen bestattet.

Die Friedhofsinsel ist einen Besuch wert wegen der schönen alten Klosteranlage und der unterschiedlich gestalteten Teile und sehr besonderen Atmosphäre des Friedhofs. Ein neuer Bereich der "Vier Evangelisten" wurde im September 2007 eröffnet, ich habe ihn noch nicht gesehen.
Die
Rundfahrtlinie 41/42 von Fondamente Nove hält auf der Strecke nach Murano an S. Michele. In den Gassen an der Station Fondamente Nove gibt es Blumenläden, Steinmetze und sonstigen Friedhofsbedarf (siehe auch Eintragungen Cannaregio I und II vom 10.2. und 1.4.07) wie überall in Friedhofsnähe.

Das alte Kloster nimmt einen kleinen Raum in der
Nordwestecke der Insel ein. Seit 2007 finden für ca. 2 Jahre Renovierungsarbeiten statt, die Kirche ist wohl für diesen Zeitraum weitgehend geschlossen.
Danach soll das ehemalige Refektorium (Speisesaal) des Klosters als würdiger Ort für Trauerfeiern genutzt werden.
Es gibt davor einige Bestattungshallen, eine für mich ungewohnte Art von Friedhofsraum.


Der anschließende alte Kreuzgang ist wunderbar erhalten und die Kirche von Mauro Codussi als eine der frühen Renaissance-
architekturen.
Außen auf der Nordwestspitze sitzt die achteckige marmorverkleidete Capella Emiliana von 1530, die ich bisher noch nicht von innen sehen konnte.

Die Klosterkirche (schön und geräumig, der ehemalige
Schmuck des Innenraums wurde im Laufe der Zeit entfernt) kann man normalerweise vom Kreuzgang, also von der Seite aus, betreten. Der Haupteingang zum Wasser ist in der Regel geschlossen.
Ich hatte das Glück, dass diese Tür
zur Lagune wegen der Renovierungsarbeiten geöffnet war und gleichzeitig Mittagspause der Bauarbeiter, Flut und leichtes acqua alta. Jedes vorbei fahrende Vaporetto schickte kräftige und lang auslaufende Wellen auf den Kirchenvorplatz, in der Kirche saß ich allein inmitten des Wellenrauschens, verstärkt durch die Akustik des Gebäudes. Ein unbeschreibliches und unwiederbringliches sinnliches Erlebnis.

Das Klostergelände wird begrenzt durch einen Halbkreis privater Grabkapellen die aus der Gründungszeit des Friedhofs zu stammen scheinen und die stimmungsvoll weil ehemals schön, aber z. T. in einem bejammernswerten Zustand sind.

Private Grabkappelle, deren Dach eingestürzt ist

Der eigentliche Friedhofsbereich
hat für mich völlig unübersichtliche Teile: diese typisch italienischen Gräbermauern (keine Ahnung, wie sie wirklich genannt werden: Ossuarien?) einerseits und große Flächen bedeckende an Soldatengräber erinnernde kleine Wiesengräber mit Grabkreuzen oder kleinen Grabsteinen andererseits. Ich habe zweimal versucht, das Grab von Luigi Nono zu finden, das auf so einer Fläche ausgewiesen wird: keine Chance im Gewimmel.
Dazwischen alte und neue persönlicher gestaltete Gräber, die z. T. sehr teuer
aussehen und viel Platz beanspruchen, oder wirkliche Militärgräber mit martialischer Symbolik.

Zwei Frauengräber im protestantischen Teil des Friedhofs

Es gibt eine Reihe von Berühmtheiten, deren Gräber jeder Führer nennt (Strawinsky, Pound...), die aber erstens nicht leicht zu finden sind und zweitens auch kaum besucht werden. Die beiden gleich schmalen neben einander liegenden Gräber von Madame und Monsieur Strawinsky erregen bei mir eine gewisse Fröhlichkeit, denn sie passen gar nicht zur sehr unterschiedlichen physischen Erscheinung des Paares zu Lebzeiten...
Die alten venezianischen Berühmtheiten, Dogen und immer noch weltbekannte Künstler, sind hier nicht zu finden, sondern in den Kirchen, vor allem in der Frari-Kirche (hier für mich an erster Stelle Claudio Monteverdi) und in Zanipolo.

Ein Teil des Prostestantischen Bereiches von S. Michele

Besonders 'romantisch' und still, ohne friedhofstypische Geschäftigkeit, ist es in den beiden nordöstlichen Bereichen, die Nicht-Katholiken vorbehalten sind: die Ecke der Protestanten und der Orthodoxen. Dort trifft man keine Friedhofsarbeiter an, nur selten gibt es dort Bestattungen, die Flora ist sich weitgehend selbst überlassen und trotz der hohen alten Bäume von freundlicher Üppigkeit. Hier kann man gut spazieren ohne zu stören, man ist in der Regel allein.




Grabstein von Aspasia Manos
Sie wurde im orthoxoxen Bereich begraben und später überführt in die Begräbnisstätte der griechischen Königsfamilie im Park von Tatoi


Der Friedhof öffnet früh am Morgen, ein Besuch in der Morgenfrische nach einem Kaffee an den Fondamente Nove ist ein wunderbarer Tagesbeginn. Die Schließung kann man nicht verpassen. Damit niemand auf der Insel bleibt, wird dermaßen laut gehupt, dass man sich fragt, wie die Toten bei dem Krach ruhig liegen bleiben können...


Ausser der Friedhofsinsel gibt es noch die Ossuariumsinsel Sant' Ariano weiter nördlich. Ich weiss nicht, ob dort nur "alte" Gebeine aus den ehemaligen Friedhöfen der Kirchengemeinden aufbewahrt werden, oder "Bewohner" von San Michele, die nach Ablauf der Ruhephase dort weiter gelagert werden.
Die Insel darf nicht betreten werden. Ein Blogger hat es trotzdem mal versucht. Naja. Entdeckerfreude in Ehren, aber soweit muss sie wohl nicht gehen.


Ergänzung per Mail am 17.2.08 von Andreas Götz

Noch was zu deinem blog: Nach Fertigstellung der Erweiterung des Friedhofs San Michele wollte die comune letzte Woche die Friedhofsgebühren hier um ca 300 % steigern. Nach Protesten wurde das gestern wieder zurückgenommen. Die Erhöhung war mit den Kosten für die Erweiterung begründet worden. Die Arbeiten wurden aber voll aus den Mitteln des "legge speciale" bezahlt, hat die comune also gar nicht belastet. Dass die sowas trotzdem versuchen ...

Und noch was: Seit kurzem können die Angehörigen nicht mehr mit dem Bestattungsboot mitfahren. Weil die "Vesta", die den Friedhof und die Müllabfuhr betreibt, Kräne zum Bewegen der Särge auf den Booten montieren ließ (bis auf eins, daß zu klein war). Auch hier gab es Proteste, aber da die Kräne schon montiert waren ... (Personaleinsparung).

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

danke,hat mir sehr geholfen