In Venedig am Strand
In einer Stadt umgeben von Wasser hat man, zumindest im Sommer, die Vorstel-
lung, nichts könnte leichter sein als bei Bedarf die Füsse ins Wasser zu stellen für eine angenehme Abkühlung.
Dem ist nicht so. Weder ist das Wasser in den Kanälen sauber, noch sind die vielen Bootsanlegestellen wirklich für solche Zwecke nutzbar, da die grün bewachsenen Stufen für nackte Füsse einfach zu glitschig scheinen. Außerdem: wer will schon möglichen Einparkern ihren Platz streitig machen?
Man geht also an den dafür vorgesehenen Strand. Jeder hat dazu das Bild des Lido-Strandes vor Augen, am Hotel des Bains, sei es nach der Lektüre von Thomas Mann, nach dem Film von Luchino Visconti oder einfach nach Durchsicht eines Reiseführers/Bildbandes. Diese venedig-typische Art von "Privacy" der Capanne, die genauso wenig 'privat' ist wie das Alltagsleben in den Nachbarschaften der Stadt, wo man einfach ignoriert, dass das Umfeld alles sieht und jedes Wort hört. Darüber hinaus eine elitäre Angelegenheit, die nicht jedem zur Verfügung steht, es muss also ein öffentlicher Strand sein!
Öffentliche Adriastrände gibt es an den Lidi von Nord nach Süd:
1. Cavallino/Treporti, langer breiter Sandstrand, den man von Venedig mit dem ÖPNV (Linea 17) nach Punta Sabbioni erreichen kann. Der Verkehr geht allerdings eher umgekehrt: die Urlauber auf den vielen Campingplätzen bis hinauf nach Jesolo nutzen das Boot für einen Tagesausflug nach Venedig. Ich jedenfalls war da noch nie.
2. die Nordspitze des Lidos, sprich S. Niccolò. Man kommt mit dem Bus vom Verkehrsknotenpunkt Piazzale S. M. Elisabetta dorthin, bis zum Wende-
punkt. Dort in der Nähe der M.O.S.E. Baustelle gibt es auch ein paar Dünen. Oder die Nord-Süd-Straße Gran Viale S. M. Elisabetta bis zum Ende, Piazzale Bucintoro, und dort direkt an den Strand. Diese beiden Empfehlungen sind vom Insider meines Vertrauens, selbst habe ich sie noch nicht ausprobieren können.
3. Mit dem Bus (Nr. 11) vom Lido nach Pellestrina, die Privatstrände auslassend, an die öffentlichen Strände von Malamocco und Alberoni, oder am besten ein bisschen weiter bis zur End-
haltestelle (Fahrt-
dauer mit Fähren-
überfahrt über den Porto di Malamocco ein gutes Stündchen).
Auf der Mauer bei Pellestrina
Hier findet man überall hinter den Murazzi (Hochwassermauern aus dem 18. Jahrhundert als Schutz gegen die Adria) schöne Sandstrände, lange gemauerte Wellenbrecher und keine Hütten, Liegebetten oder sonstige Scherze, aber auch wenig Schatten und wenig Service (Lokale + Toiletten).
Einsame Pietà in einem Garten auf Pellestrina
An der Busendhaltestelle in Pellestrina gibt es eine kleine mobile Café-Bude (in den letzten Jahren ist sie etwas modernisiert, vergrößert und festgezurrt worden) direkt am Wasser, hier ist auch die Anlegestelle des Linienschiffes nach Chioggia. Der Blick über die südliche Lagune ist wunderbar und zusammen mit dem herrlich schmonzigen Italo-Pop, der dort ganztags läuft, und der untergehenden Sonne nach einem Besuch am Strand empfinde ich diesen eher prosaischen Ort als ausgesprochen romantisch...
Düne auf der Oasi Ca'Roman
4. Der Strand der Oasi Ca'Roman schließt sich hier im Süden an, wenn man zu Fuss (oder mit dem Fahrrad, aber nicht mit dem Auto) das etwa 1 km lange Murazzi-Teil, das ins Wasser gebaut wurde, hinter sich hat. Man kann auf dem Weg oder oben auf der Mauer laufen. Direkt am Ende der Mauer kann man sich auch an einer Kaffee-Imbiss-Bude mit dem Nötigsten versorgen.Ca'Roman steht unter Naturschutz, im Frühling ist das Betreten der Dünen wegen der brütenden Vögel verboten. Es gibt auch einen schönen Wald auf dieser Landspitze vor dem Porto di Chioggia, den ich aber fluchtartig nach ein paar hundert Metern wieder verließ, wegen der Schwärme von Stechmücken.
Diese vier sind, wie gesagt, Adriastrände, am offenen Meer, mit weitem Blick, Muscheln am Strand, tiefer werdendem Wasser und viel Platz. Allerdings hat man von den Stränden aus auch immer gute Sicht auf die Industriebaustellen der M.O.S.E.-Anlagen, heißt Spezialkräne und sonstiges Getüm.
Strand auf Ca'Roman in Sichtweite der M.O.S.E. Baustelle Porto di Chioggia
Grüner Sandstrand auf S. Erasmo
Dann gibt es noch einen 'Binnen'-
strand, innerhalb der Lagune auf der Südspitze der Insel S. Erasmo (siehe auch Eintrag vom 15.4.07, Venedig mit Kindern V.). Man kommt nach S. Erasmo ganzjährig mit der Linea 13 ab Fondamente Nove, und während der Sommermonate direkt an die dafür eingerichtete Strandhaltestelle ab Lido mit der Linie 18 (mit einem zweckorientierten Fahrplan nur morgens und abends, und nur stündlich.) Fahrtdauer jeweils unter 30 Minuten.
Kreuzfahrtriese im Canale di S. Erasmo, Sandbank vorne
Diesen Strand, genannt "Bacan" finde ich für meine Bedürfnisse ziemlich traumhaft: neben dem immer interessanten italienischen Familienstrandleben mit Schirmen, Tischen, Stühlen, Grill, Spielsachen und allen dazugehörigen Personen gibt es was zu gucken: eine Hauptverkehrs'straße', der Canale di S. Erasmo, führt direkt vorbei mit den üblichen Motor- Ruder- und Segelbooten, Vaporetti, aber auch mit den großen Pötten, die in die Adria wollen. Griechenlandfähren, Kreuzfahrtriesen, 3-5mastige
Segler, alles was zum Porto di Lido strebt fährt in scheinbar greifbarer Nähe vorbei.
'Parking' der veneziani-
schen Badegäste
Die Venezianer kommen im Motorboot zum Strand, 'parken' trotz der kleinen Marina um die Ecke im flachen Wasser und schleppen ihre Strandmöbelierung ans Ufer bzw. auf eine der vielen Sandbänke, die es hier ausserhalb der Fahrrinne des Kanals gibt. Das extrem flache Wasser ist voller Getier, man buddelt Schalen- oder sonstige Tiere aus oder fängt sie, und wenn auch dies kein Adriastrand ist, für einen schönen wassertretenden abkühlenden Spaziergang ist diese Ecke einfach wunderbar.
Canale di S. Erasmo
Die Krö-
nung der Lokalität
ist ein großer grüner schattiger Biergarten (!) mit hohen alten Bäumen, frei zur Verfügung stehenden Tischen und Bänken und einer einfachen Restauration.
Wer keine Lust auf Sandstrand hat, kann sich hier gemütlich aufhalten, lesen, Schwätzchen halten und bei Bedarf ins Wasser gehen.
Biergarten am Strand von S. Erasmo
Zu besichtigen und besuchen gibt es direkt hinter dem Strand die Torre Massimiliana, auf drei Seiten umgeben von einem Wassergraben, die (zumindest Freitag-Sonntag) mit interessanten kleinen Ausstellungen moderner Kunst geöffnet ist. Ich habe dort die sehr interessanten Ausstellungen von Werken von Lucio Andrich (2005) und Emilio Vedova (2007) gesehen, zur Zeit wird dort eine sehr schöne Fotoausstellung über das Leben der Lagunenbewohner gezeigt.
Blick aus der Torre Massimiliana
Man kann ansonsten auf S. Erasmo durch die Gemüsefelder wandern, Fahrräder aussleihen und über die Insel fahren, und sogar übernachten: ein paar Hundert Meter vom Strand entfernt, direkt neben der kleinen Marina, im Lato Azurro, der "Blauen Seite". Preisgünstig für Einzelreisende und Gruppen. So gesehen, ist S. Erasmo sogar geeignet für einen Strandurlaub.
Wassergraben um die Torre Massimilia
Nachträglich eingefügt am 2.6.2011: eine neue Website zum Lido
Nachträglich eingefügt am 29.6.2011: die Haltestelle S. Erasmo der Linie 18 ist laut Fahrplan "vorübergehend aufgehoben". Was immer das heißt. Die 18 fährt also Lido-Murano und zurück. Nach S. Erasmo an den Strand kommt man zur Zeit nur mit der Linie 13, Haltestelle Capannone, und muss dann 10 Minuten zu Fuß (durch die pralle Sonne) gehen.
Aber wer fährt schon nach VENEDIG, um seine Zeit am STRAND zur verbringen?!?
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