19. Juli 2009

Mexico - Eine irritierende Präsentation



"Aspekte" berichtete zur Eröffnung der 53. Biennale ausführlich über den mexikanischen Beitrag von Theresa Margolles (das Video steht leider nicht mehr auf der Aspekte-Website zur Verfügung).

Ich kannte Margolles bisher nicht, aber im Internet gibt es Einiges, z. B. http://www.mmk-frankfurt.de/mmk_d/03_margolles01.html.
Ihre Arbeit setzt sich seit Jahren ausschließlich mit der Gewalt, sprich dem gewaltsamen Tod in Mexico in den letzten beiden Jahrzehnten auseinander. Laut Ausstellungsflyer starben 2008 5.000 Menschen in Auseinandersetzungen z
wischen Executive und kriminellen Banden, doppelt so viele wie 2007.

Margolles interessiert nicht wer wen tötet, Opfer oder Täter, politische Entwicklung und Ursachen, etc., sondern "la vida del cadáver". Ihre Kunst besteht im spektakulären Recyceln von Menschenüberresten.

Bei allem Respekt vor ihrer kreativen Arbeit und Empathie für ihr Anliegen scheint mir das in Zeiten, in denen der bewußte Umgang mit Körperflüssigkeiten schon zur Gesundheitserziehung von Vorschulkindern gehört, eher vom Thema abzulenken.
Wer ist schon frei von Ekel allein bei der Vorstellung eines mit Leichenwaschwasser gewischten Fussbodens, umgehend verbunden mit der Scham über derartig simple Gefühle, gefolgt von der Reflexion darüber?
Ich bin z. B. auch nicht frei von der Überlegung, was die Verdampfungsaktion zur Gewinnung von eben Putzwasser aus Leichentüchern von Ermordeten im Parterre eines alten venezianischen Gebäudes und die daraus aufsteigende Feuchtigkeit für dieses Haus bedeuten. Inklusive der Peinlichkeit meiner banalen Reaktion angesichts des bitteren Themas und seiner pathetischen Vermittlung!

Beim Besuch stellt sich heraus, dass es bei der Präsentation hauptsächlich ums Konzept geht, die Aktion scheint sich eher auf Medienvorführungen Anfang Juni beschränkt zu haben.

In den leeren Räumen im piano nobile des Palazzo Rota Ivancich steht jeweils ein roter Putzeimer + Feudel und ein Schild, dass "mindestens 1 mal täglich" gewischt wird (wieder eine banale Verknüpfung: Hinweisschild in öffentlichen Toiletten...?), woraus ich schließe, dass die Verdampfung im Parterre maximal 1 mal täglich angeworfen wird.
Die "Verwandten" der Toten, die zum Fussbodenwischen nach Europa gebracht wurden, sind nicht anwesend und ich muss meine Überlegung, wie sie sich dabei fühlen (Opfer des Drogenkriegs? der Verhältnisse? des Kunstmarketings?), auch im Hinblick auf die unzähligen lateinamerikanischen Frauen, die europäische Fussböden wischen (schon wieder eine banale Assoziation...), mit mir selber abmachen.





Ich finde die Präsentation Margolles' (die Performance? das Happening?) und ihre einerseits intime, andererseits distanzierte (sie veranlasst, legt nicht selber Hand an) Arbeit an ihrem Them
a irritierend. Und meine Reaktion darauf auch. Aber Irritation ist vielleicht schon eine aktzeptable Wirkung?

Kleiner Eingangsbereich im piano nobile des Palazzo Rota Ivancich

Der Palazzo selbst, über den ich weiter nichts in Erfahrung bringen konnte, wirkt düster durch abgedunkelte Fenster und funzelige Beleuchtung, leer, mit z. T. in Fetzen hängenden Tapeten und scheint länger nicht bewohnt zu sein. Boden und Wände des Eingangsbereich des piano nobile sind im Gegensatz dazu gut erhalten verspielt dekoriert.
Der Palazzo ist relativ schwer zu finden, die Calle del Rimedio oder Remedio ist die erste rechts, linker Hand der Kanal, wenn man von Sta. Maria Formosa in Richtung S. Giovanni Novo (in Olio) geht.





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