30. Juni 2010

54. Biennale - Deutscher Beitrag

Anfang Mai benannte Susanne Gaensheimer, die Kuratorin des Deutschen Pavillons 2011, den Regisseur, Performancekünstler und Autor Christoph Schlingensief für den Beitrag der 54. Biennale. Ein Künstler, den ich als sehr inspiriert, erfreulich unangepasst und ausgesprochen witzig empfinde (ich bin bekanntlich die Anhängerin von Kunst mit Witz).

Da steigt die Spannung! Und die Hoffnung! Nach der bunten und (zu) kleinteiligen Ausstellung Isa Genzkens 2007 und der Küche (Video unten) Liam Gillicks (Küche!! das letzte, wobei ich an Kunst denke; aber auf der Hauptachse der Giardini wurde 2009 ja diverses Hausinterieur geboten) darf man vielleicht zur Abwechslung auf Performatives, Akivistisches, vielleicht Bombastisches erwarten?



Das Thema der Nazi-Architektur des deutschen Pavillons wird regelmäßig mehr oder weniger leidenschaftlich serviert, so auch zur Zeit wieder.

http://www.bernerzeitung.ch/kultur/architektur/Wie-boese-ist-NaziArchitektur/story/29234829

http://www.welt.de/die-welt/kultur/article8176650/Nazi-Architektur-nicht-schlecht-fuer-Kunst.html

http://www.art-magazin.de/szene/29198/christoph_schlingensief_biennale_venedig_2011

http://www.artefacti.de/abstrakte-kunst/index.php/kunst-nachrichten-2010/juni-2010/11902-streit-um-biennale-pavillon-in-venedig-.html

Der Bau ist tatsächlich häßlich, eine Bahnhofshalle, eine Echokammer, man fühlt sich kleiner als ein Dreijähriger in einer Charlottenburger Altbauwohnung. Aber das deutsche Verfahren, unakzeptable Geschichte abzuspalten mittels Vernichtung der hinterlassenen Architektur finde ich wesentlich unerträglicher.

Auf Ihrer Pressekonferenz am 29.6. begründete Frau Gaensheimer ihre Wahl:

“Ausgangspunkt meiner Einladung an Christoph Schlingensief war die Überlegung, einen Künstler meiner Generation anzusprechen, der mit seiner Arbeit in repräsentativer Weise die künstlerischen, gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen der letzten Jahrzehnte der wiedervereinigten Bundesrepublik nicht nur begleitet, sondern massgeblich mitbestimmt hat. Ich halte Christoph Schlingensief für einen der ganz bedeutenden Künstler dieses Landes, der immer vollkommen rückhaltlos, auch sich selbst gegenüber, seine Position geäussert und behauptet hat, in aller Deutlichkeit und Direktheit, die notwendig ist, um Zustände effektiv zu kommentieren und Diskussionen auszulösen.

Für meine Entscheidung, Christoph Schlingensief nach Venedig einzuladen, gab letztendlich auch noch das Afrikaprojekt, das Operndorf in Ouagadougou, den Ausschlag. Hier wird deutlich, dass Schlingensief nicht nur für die Kunst in Deutschland repräsentativ ist, sondern seine Fragestellungen in einen transnationalen, transkontinentalen Kontext stellt. Mit dem Festspielhaus in Afrika und seiner Kooperation mit den dortigen Partnern – allen voran Francis Kéré, der mit dem Aga-Khan-Preis ausgezeichnete Architekt des Operndorfes – und vor allem auch mit der Selbstreflektion des Projekts und der Thematisierung seines eigenen Scheiterns im aktuellen Theaterstück ‘Via Intolleranza II’, gelingt es Schlingensief, seine Analyse des ‘Deutschseins’ und die damit verbundenen Fragen in eine globale, transnationale Dimension zu übertragen: ‘Warum wollen wir ständig dem afrikanischen Kontinent helfen, obwohl wir uns selber nicht helfen können?’ fragt er. Bei der Zusammenarbeit mit Christoph Schlingensief im Deutschen Pavillon im nächsten Jahr, die durchaus auch eine Kontextverschiebung bedeutet, werden wir uns auf die spezifische Dynamik in Schlingensiefs Werk konzentrieren. Eine Entgrenzung der Kunst und eine Stärkung ihrer sozialen Dimension und gesellschaftlichen Relevanz sind heute dringlicher denn je.”


Christoph Schlingesief selbst war aus gesundheitlichen Gründen nicht auf der Presskonferenz anwesend. Er ist mit den Opernfestspielen in München und natürlich seinem Operndorf in Afrika beschäftigt und äußert sich eher entspannt zum Thema:

Schlingensief gegen «Nazi-Nummer» in Venedig

Schlingensief gegen «Nazi-Nummer» in Venedig

Der Regisseur Schlingensief will sich nicht ausdrücklich mit der NS-Architektur des deutschen Pavillons bei der Kunst-Biennale in Venedig auseinandersetzen. Der Künstler soll den Pavillon bei der nächsten Biennale 2011 gestalten.

«Ich muss alle enttäuschen, die schon in Bayreuth enttäuscht waren. Ich werde keine Nazi-Nummer geben! Warum auch?» sagte der an Krebs erkrankte Schlingensief (49) in einem Gespräch mit dem Magazin «Focus». Schlingensief hatte in Bayreuth Richard «Parsifal» inszeniert. In Venedig hätten sich bereits so viele Künstler vor ihm von bis Genzken mit der Architektur auseinandergesetzt, «was soll ich da noch sagen?»

Die Kritik des Künstlers an seiner Venedig-Berufung versteht Schlingensief nicht. Richter habe so etwas nicht nötig. Richter hatte kritisiert, dass mit Schlingensief ein Performer ausgewählt worden sei. «Er kennt nur die Malerei? Das kann ich kaum glauben», meinte Schlingensief dazu, der zurzeit an seinem «» im afrikanischen Burkina Faso arbeitet. Im November sollen dort die ersten Musik- und Filmklassen ihre Arbeit aufnehmen.

Von den Gesamtkosten für das Dorf in Höhe von 1,8 Millionen Euro fehlen seinen Angaben zufolge noch fast 800 000 Euro, trotz großzügiger Unterstützung von Prominenten wie Herbert Grönemeyer, , und Roland Emmerich, die jeweils 100 000 Euro gespendet hätten. Auch das Goethe-Institut und die Bundeskulturstiftung unterstützten das Projekt. «Nur das Auswärtige Amt hat mir unter Westerwelle 100 000 Euro gestrichen, die mir der Ex-Minister Steinmeier allerdings zugesichert hatte.»

Auf seine Krebserkrankung angesprochen, meinte Schlingensief, im Moment sehe es so aus, «dass ich wohl länger lebe, als alle und ich zusammen gedacht haben». Es sei aber «sehr beunruhigend» für ihn, «nach der Totalkatastrophe wieder ganz der Alte sein zu sollen. Das schaffe ich nicht so gut, wie viele denken. Die Ängste bleiben und auch das Gefühl, dass es nie mehr so wie früher sein wird.» Er lebe jetzt «vielleicht so verzweifelt intensiv wie noch nie zuvor».

Blogtainment/ari/dpa / Foto dpa

Website Christoph Schlingensief http://www.schlingensief.com/
Blog Christoph Schlingensief http://schlingenblog.posterous.com/

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