31. Dezember 2013

Vor einem halben Jahr...

Programmteil "Musica sull'acqua" der ArtNight 2013 in Venedig am 22. Juni.
 
Andrea Gabrieli
Battaglia
Aufführende: Musikhochschule Marcello, Venedig

Die bisherigen ArtNights fanden immer am Mittsommersamstag statt, den 21.6.2014 sollte sich in den Kalender schreiben wer zu diesem Zeitpunkt eine Reise nach Venedig plant. Eine lange helle warme Sommernacht mit Kunst und Musik in Palästen, auf Gassen und Kanälen ist ein zauberhaftes Erlebnis.
Mehr Termine in Kürze. 





Packen wir das neue Jahr entschlossen und fröhlich an!


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26. Dezember 2013

Accademia - Renovierung vollendet

S. Maria della Carità Oktober 2012 frei von Einrüstung
Fast 3 Wochen ernsthaft stillgelegt durch eine Infektions-
krankheit, kann ich diese hocherfreuliche Nachricht erst mit Verspätung melden. Am 18. Dezember wurden die neuen Ausstellungsräume der Accademia und die Ergebnisse der 6 Jahre dauernden Renovierung vorgestellt. Bisher anscheinend nur von den lokalen und regionalen Medien zur Kenntnis genommen (venezia net; La Nuova); nicht einmal auf der Website der Accademia findet sich das Ereignis bisher.


Die Vergrößerung der Ausstellungsflächen ist vor allem zu danken dem Umzug der Kunsthochschule 2004 in den Komplex des ehemaligen Klosters und Hospitals der Incurabili an den Zattere (Haltestelle Santo Spirito, Linie 6; Zutritt nur gestattet anlässlich der ArtNight am Mittsommersamstag).
Dadurch wurden Räume im ehemaligen Kloster S. Maria della Carità frei, einem Werk Andrea Palladios, das nun nach der 6 Jahre dauernden Renovierung wieder zu bewundern ist.

Goethe lässt in seiner "Italienischen Reise" seiner Begeisterung für dieses Gebäude freien Lauf:

" Den 2. Oktober 1786.
Vor allem eilte ich in die Carità: ich hatte in des Palladio Werken gefunden, dass er hier ein Klostergebäude angegeben, in welchem er die Privatwohnung der reichen und gastfreien Alten darzustellen gedachte. Der sowohl im Ganzen als in seinen einzelnen Teilen trefflich gezeichnete Plan machte mir unendliche Freude, und ich hoffte ein Wunderwerk zu finden; aber ach! es ist kaum der zehnte Teil ausgeführt; doch auch dieser Teil seines himmlischen Genius würdig, eine Vollkommenheit in der Anlage und eine Genauigkeit in der Ausführung, die ich noch nicht kannte. Jahrelang sollte man in Betrachtung so eines Werks zubringen. Mich dünkt, ich habe nichts Höheres, nichts Vollkommeneres gesehen, und glaube, daß ich mich nicht irre. Denke man sich aber auch den trefflichen Künstler, mit dem innern Sinn fürs Große und Gefällige geboren, der erst mit unglaublicher Mühe sich an den Alten heranbildet, um sie alsdann durch sich wiederherzustellen. Dieser findet Gelegenheit, einen Lieblingsgedanken auszuführen, ein Kloster, so vielen Mönchen zur Wohnung, so vielen Fremden zur Herberge bestimmt, nach der Form eines antiken Privatgebäudes aufzurichten.


Die Kirche stand schon, aus ihr tritt man in ein Atrium von korinthischen Säulen, man ist entzückt und vergißt auf einmal alles Pfaffentum. An der einen Seite findet man die Sakristei, an der anderen ein Kapitelzimmer, daneben die schönste Wendeltreppe von der Welt, mit offener, weiter Spindel, die steinernen Stufen in die Wand gemauert und so geschichtet, dass eine die andere trägt; man wird nicht müde, sie auf- und abzusteigen; wie schön sie geraten sei, kann man daraus annehmen, dass sie Palladio selbst für wohlgeraten angibt. Aus dem Vorhof tritt man in den innern großen Hof. Von dem Gebäude, das ihn umgeben sollte, ist leider nur die linke Seite aufgeführt, drei Säulenordnungen übereinander, auf der Erde Hallen, im ersten Stock ein Bogengang vor den Zellen hin, der obere Stock Mauer mit Fenstern. Doch diese Beschreibung muß durch den Anblick der Risse gestärkt werden. Nun ein Wort von der Ausführung.

Nur die Häupter und Füße der Säulen und die Schlußsteine der Bogen sind von gehauenem Stein, das übrige alles, ich darf nicht sagen von Backsteinen, sondern bon gebranntem Ton. Solche Ziegeln kenne ich gar nicht. Fries und Karnies sind auch daraus, die Gleider der Bogen gleichfalls, alles teilweise gebrannt, und das Gebäude zuletzt nur mit wenig Kalk zusammengesetzt. Es steht wie aus  e i n e m  Guß. Wäre das Ganze fertig geworden, um man sähe es reinlich abgerieben und gefärbt, es müßte ein himmlischer Anblick sein.

Jedoch die Anlage war zu groß, wie bei so manchem Gebäude der neuern Zeit. Der Künstler hatte nicht nur vorausgesetzt, daß man das jetzige Kloster abreißen, sondern auch anstoßende Nachbarshäuser kaufen werde, und da mögen Geld und Lust ausgegangen sein. Du liebes Schicksal, daß du so manche Dummheit begünstigst und verewigt hast, warum ließest du dieses Werk nicht zustande kommen!"

30 neue Ausstellungsräume machen aus der erweiterten Accademia das größte staatliche Kunstmuseum Italiens. Die architektonische Restaurierung  ist vollendet, an der internen Technik wird 2014 noch weiter gearbeitet. Immerhin konnte ich im Oktober schon ein großräumiges neues Treppenhaus, zeitgemäße Sanitärräume und insgesamt die bisher in der Accademia vermisste Barrierefreiheit zur Kenntnis nehmen. Die Räume werden nun Schritt für Schritt kuratorisch bearbeitet und ausgestattet, das wird dauern. Der Kreuzgang wird für termporäre Ausstellungen und Konferenzen zur Verfügung stehen.

Für Venedig-LiebhaberInnen der erste Gang beim nächsten Besuch, wie auch der zur wieder eröffneten Scuola Grande di San Marco. Kompliment und Glückwünsche an die schönste Stadt, die es versteht, ihre Schätze zu pflegen und uns BesucherInnen immer wieder zu beglücken.

Artribune 12.12.2013

Blogeinträge zum Thema Palladio

Anekdote aus der Renovierungszeit: S. Maria della Carità Juni 2009






8. Dezember 2013

Venezianische Freundschaft

Foto: Rendezwous Filmverleih
Der Filmtitel ist eigentlich "Io sono Li", Ich bin Li, aber irgend wie muss das Marketing ja die Zielgruppe der Venedig-Appas-
sionati treffen. Denn beim Normalpublikum ginge dieser schöne, zurückhaltende Film unter, nachdem es auch schon 2 Jahre dauerte, bis er es in deutsche Kinos schaffte. Mal wieder das Problem, vermute ich, einen Verleih zu finden, der ausbleibenden Gewinn riskiert oder kompensiert.


Also wurde auch sparsam auf die Synchronisation verzichtet, das Plakat sagt OmU - italienisch mit deutschen Untertiteln. Kann man so nicht sagen. Was gesprochen wird ist 1. chine-
sisch, 2. italienisch mit chinesischem Akzent (ein Grund, beim nächstens Venedig-Besuch die DVD zu kaufen, um das in Ruhe anzuhören. Klingt wunderbar. Man hört die Kompliziertheit des Sprachorgans Zunge. Man fühlt Balanceakte im Mund mit.), 3. italienisch im Dialekt von Chioggia, 4. italienisch (2 Personen, wenn ich das richtig sehe). 

Der Dialekt ist weich wie der venezianische (ein Beispiel, das so häufig vorkommt, dass man darauf achten kann: 'mi piace' ("gefällt mir, freut mich") kommt nicht mit einem laut schmatz-
enden italienischen TSCH sondern zartcremig venezianisch als PIA:SE
) mit stimmhaftem s; und auch die deutsche Unter-
titelung ist (leider) weichgespült und befreit von den wenigen 'Ausdrücken', abwertenden sexuellen, unnötig angepasst an die Freigabe ab 6.


Den Inhalt des Films erklärt der Verleih ausführlich.
Zu sehen ist: das proletarische,  winterliche Chioggia und, in einer sehr kurzen Sequenz, Venedig, so touristenfrei wie wir es gerne hätten (also konsequenterweise auch ohne uns). Das schneebedeckte Alpenmassiv, scheinbar zum Greifen nah. Die von der Fischereiindustrie geprägte südliche Lagune, aber auch deren peocere und Fischerhütten auf Stelzen bei Pellestrina.
Zu erleben sind: alte Männer, die nehmen, was ihnen vom Leben bleibt, EinwanderInnen, die nehmen, was sie kriegen zu einem hohen Preis, und das schwer zu durchschauende Aus-
beutersystem, das die Menschen gegeneinander ausspielt. 


Die 'venezianische Freundschaft' ist ein Beispiel des Themas  "Migropolis" Venedig. Die Stadt, in der die beiden globalen Be-
wegungen Migration und Tourismusindustrie aufeinander treffen. Gefühlt gibt es in Venedig kaum noch eine Osteria, die nicht von freundlichen jungen ChinesInnen betrieben wird, das ist eines der sichtbaren Signale. Nicht immer sichtbar ist, dass der Tourismus nur durch die AusländerInnen in allen Dienst-
leistungsbereichen funktioniert, deren fragwürdige Lebens-
bedingungen wir hinnehmen.

Wer heute noch unbekümmert nach Venedig reist, verdankt das seiner/ihrer Ahnungslosigkeit. Wer nicht ahnungslos ist, kann keine Freude mehr haben an Venedig oder muss bewußt Inakzeptables akzeptieren oder gezielt ausblenden (wie auch ich). Wie kann das Unerträgliche aufgewogen werden gegen Schönheit, die in über 1000 Jahren gewachsen ist?

Eine sympathische Figur im Film ist die chinesische Zimmer-
genossin. Sie ist in den Händen der 'chinesischen Mafia' wie Li, aber sie fährt neben der Arbeit regelmäßig mit dem Vaporetto die eine Station von Chioggia zum Ca'Roman, und praktiziert
Taijiquan auf dem grauen, nassen Strand vor den Kränen der MOSE - Baustelle im nebligen Hintergrund . Das ist eine schöne Kompensation und nicht der beste Weg, aber ein funktionierender, wie sich zeigen wird.

Der Film ist sensibel und poetisch, aber nicht tröstlich. Trotzdem eine schöne gefühlvolle winterliche 2-Stunden-Reise in die Lagune, auf die man in der harten Vorweihnachtszeit nicht verzichten sollte.

Foto: Rendezvous Filmverleih

Wo und wann

Unterkunft (Ergänzung am 17.12.2013)
Aufgrund dieses Eintrags landete eine Hotelwerbung in meiner Mailbox, die ich weitergeben möchte an die, die nach diesem Film Chioggia näher erleben möchten.
Ich habe noch nicht in diesem Hotel Clodia gewohnt, aber Chioggia ist kleiner, nicht so überlaufen wie Venedig, die Verbindungen sind gut über Pellestrina/ Lido, das Hotel scheint nicht plüschig zu sein (für mich ein KO für venezianische Hotels) und der Preis OK. Ich könnte mir vorstellen, dass man vor allem einen Urlaub mit Kindern mit viel Strand und Radfahren entlang der Lidi auch sehr gut von Chioggia aus genießen kann.
(Berichte werden sehr dankend entgegen genommen und bei Einverständnis veröffentlicht.)

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