23. Oktober 2007

Villa Cornaro - ein Ausflug aufs Festland



Vom Bahnhof kommen der erste Anblick der Villa Cornaro - riesig!



















Kein Versehen - es geht tatsächlich um einen Ausflug aufs Festland. Mit der Bahn für knapp 3 Euro in 40 Minuten nach Piombino Dese, zwecks Besichtigung der Palladio-Villa Cornaro.

Am Anfang dieser Tour stand eine Googlesuche mit dem Stichwort "Palladio", die mich auf die Website von Carl Gable führte.

Er und seine Frau Sally sind seit 1989 Besitzer einer Villa, die Andrea Palladio für die venezianische Familie Corner/Cornaro in Piombino Dese baute und haben das Buch 'Palladian Days' veröffentlicht, das ich in der Folge mit echten Vergnügen las und empfehle. Es ist ein sowohl warmherziger und liebenswerter als auch präziser Bericht über ihre Erfahrung mit dem Erwerb einer berühmten denkmalgeschützten Immobilie und der Integration unter speziellen Bedingungen, dank nachbarschaftlicher Unterstützung und offener, pragmatischer, scheuklappenfreier Einstellung. Durch die freundliche und humorvolle Schilderung kommt (zumindest bei mir) kein Hauch von Neid auf, sondern Freude, dieses Abenteuer lesend miterleben zu können. (Buch kann bei internationalen Versandbuchhandlungen bestellt werden. Keine deutsche Übersetzung.)

Die Gables steigen in ihrem Buch und auf ihrer Website sehr informativ und übersichtlich in die Themen 'Palladio' und 'Cornaro' ein. Von beiden hatte ich bis dahin keine tiefergehenden Informationen - die Palladio-Kirchen in Venedig, die Königin Katharina Cornaro von Cypern, einige Corner-Palazzi
am Canal Grande.

Und natürlich - über Cypern hinaus - die Verknüpfung der Familie Corner zu den venezianischen Kolonien im Mittelmeer, für deren Geschichte ich mich interessiere. Männer der Familie Corner/Cornaro spielen über Jahrhunderte hinweg immer wieder führende Rollen in der Verwaltung von Kreta, Kythira etc..

Wirklich bekannt war mir nur der kretische Dichter Vitsentzos Kornaros, Autor des vertonten Gedichts "Erotokritos" (mehr Informationen und 2 Interpretationsbeispiele: ein klassisches des 1980 verstorbenen kretischen Künstlers Nikos Xilouris und ein szenisches des Greek Festival Athen 2015, nachträglich hier eingefügt), ein Zeitgenosse Palladios. Da ich bisher ve
rgeblich nach Informationen über den (möglicherweise venezianischen) Hintergrund dieses Kornaros gesucht hatte und die Gables in ihrem Buch die Arbeit an einem Stammbaum der riesigen Familie Corner schildern, suchte ich den Kontakt zwecks Informationsaustausch. Eine Mischung aus Fakten und Intuition lässt Carl Gable vermuten, dass Vitzentsos Kornaros zu einem der Corner-Zweige gehört,und zur Vertiefung des Austauschs sowie zur Besichtigung des Corner-Gable-Hauses wurde ich eingeladen, die Villa zu besuchen.

Blick vom hinteren Portiko auf den Garten
Der Eindruck ist übewältigend durch die Größe des Baus, seine vollkommene architektonische Übersichtlichkeit (für mich als Laien) und die physisch fühlbare Harmonie der Proportionen. Darüber hinaus wurden die Räume der Villa zwei Jahrhunderte nach ihrer Errichtung mit Fresken biblischer Themen in warmen aber sehr zurückhaltenden Farben (im Gegensatz zu "venezianischen" Farben) ausgeschmückt.

Die Möblierung der alten Villa in einer Mischung aus schönem und funktionalem Alten und Neuen (Küche! Bad! knallrote Couch!) macht aus dem Riesengeb
äude mit den enorm hohen Räumen eine sehr wohnliche Residenz.Die beiden Aussentreppen aus dem Vorgarten in die Villa hinauf und, gegenüberliegend, aus der Villa in den Garten hinunter erlauben durch sehr flache und breite Stufen einen überaus bequemen und gleichzeitig eleganten Schritt und erinnern mich an die Prachttreppen im Palast von Phaistos auf Kreta. Aber das ist eine andere Geschichte...

Die Pappelreihen im Garten hinter der Villa, die man in älteren Bildbänden noch sieht, mussten im letzten Winter wegen Bruchgefahr geschlagen werden und sind bereits durch junge Bäumchen ersetzt worden. Derzeit überlegen die Gables, ob der frühere, jetzt trockene Teich im Garten, über den eine siebenbogige Brücke führt, wieder mit Wasser gefüllt werden soll.



Brücke über den ehemaligen Teich im Garten der Villa,
dahinter strecken sich noch immer Felder

Die Villa Cornaro steht nicht in den regulären Venedig-Führern. Eine Besichtigung ist aber ein eindrucksvolles Erlebnis. Sally und Carl Gable empfangen Besucher überaus freundlich.

Sie sind Mai und September in Piombino Dese, Besucher können Samstags von 15:30 - 18:00 am Eingangstor klingeln. Gruppen können auch ausserhalb ihrer Anwesenheit einen Besuch vereinbaren. Kontakthinweise auf der Website, per Mail und Telefon.



















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17. Oktober 2007

Musik aus Venedig

Heute mal was ganz anderes: Musik aus Venedig zum Kennenlernen!
Weiteres zur Band

10. Oktober 2007

San Francesco della Vigna



















Das Kloster San Francesco della Vigna liegt im ruhigen Nordosten Venedigs, zwischen dem städt-
ischen Krankenhaus und dem Arsenale, an der Vaporettohaltestelle Celestia. Vom Wasser
aus sieht man es direkt links der Gasbehälter. Es grenzt an die Laguna Nord und hat noch ein altes Wassertor in der Gartenmauer. Aktuell ist eine Renovierung an der Gartenmauer zur Lagune per Bauschild angekündigt, ich vermute, die Mauer selbst ist das Objekt der Renovierung.

Hier ist die Stelle, an der San Marco ein Engel im Schlaf erschien mit den Worten PAX TIBI MARCE EVANGELISTA MEUS, dem Satz, der auf vielen Darstellungen im geöffneten Buch steht, das der geflügelte Löwe mit seiner rechten Tatze hält. Die Geschichte beweist den frühen genialen Sinn der Venezianer für Marketing, gut erfunden und gut verwertet bis auf den heutigen Tag!

Campanile San Francesco della Vigna,
der überragende Turm am Nordufer Venedigs

























Frisch mit dem Alilaguna-Boot vom Flughafen ankommende Reisende werden ab Murano ganz aufgeregt 'der Markusplatz!!' weil sie den Campanile von San Francesco della Vigna für den Campanile von San Marco halten. Die beiden Türme sehen ähnlich aus, wenn auch San Marco natürlich viel größer ist.

Einzelheiten über die Kirche San Francesco
finden sich in jedem Führer, insbesondere über die schöne, von Palladio entworfene Fassade. Zu ergänzen ist, dass die Person, die die Kirche schmückt, eine Schwäche für weisse Lilien hat. Bei bisher jedem Besuch empfing mich eine entrückende Wolke Lilienduftes von frischen Sträußen, die im rechten Chorbereich stehen. Im linken Chorbereich ist die wunderbare Badoer-Kappelle der Lombardos.


Fassaden San Francesco (links) und Palazzo Gritti (rechts) im Hintergrund Säulenreihe und Brücke über den Rio di San Francesco











Wohngasse hinter San Francesco









Wie man auf der Satellitenaufnahme sehen kann, liegt rund um den Campo della Confraternita ein Gebäudeensemble von Kirche, Kloster, zwei Kreuzgängen und einem großen Garten sowie dem Palazzo des Dogen Andrea Gritti. (Dieser Palazzo ist TV-Glotzern bekannt als "Questura" in Verfilmungen von Donna Leon - Venedig-Krimis, inklusive zugehöriger Gruppe von braun-weissen Säulen und Brücke über den Rio di San Francesco.)


In die Kreuzgänge kommt man nur durch die Tür vorne links in der Kirche. Zunächst betritt man die Kapelle mit der gerühmten Bellini-Madonna (Münzautomat für die Beleuchtung). Dann links in den ersten Kreuzgang, dahinter liegt der zweite, etwas größere Kreuzgang mit einer Statue von San Francesco. Beide sind Räume der Stille, besonders am frühen Morgen, wenn man sich dort alleine aufhält.






2. Kreuzgang (oben)
Die weiteren Fotos: 3. Kreuzgang zur Lagune hin mit Klostergarten












Rechts der beiden Kreuzgänge liegt der Klostergarten, dessen Pforte ich bei meinem ersten Besuch an einem sehr frühen Maimorgen weit offen fand. Es gibt dort einen dritten (halben) Kreuzgang und eine Tür zum Refektorium, aus der freundliches Geschirrklappern zu hören war.

Der Garten
ist so gepflegt und üppig, wie man es von einem Kloster-
garten erwartet:
Kräuter, Zwiebeln, Rüben, Kartoffeln, Paprika, Artischo-
cken, Tomaten, Zucchini, Bohnen, Salat, Beeren- und
Blumensträucher, Obstbäume aller Arten, einen kleinen Weingarten (Vigna!), Blumen, Zypressen, Palmen, Vögelgezwitscher. Er endet an der Mauer (mit dem alten Wassertor) zur Laguna Nord.








Der Weingarten














Es ist hier wie so oft in Venedig: man tritt durch eine Tür und ist in einer anderen Welt. Während ich eine glückliche Stunde der Kontemplation auf dem Mäuerchen des Kreuzgangs sass, arbeitete ein weisshaariger Mönch in einiger Entfernung gebeugt im Gemüse und ich glaube, er hat mich überhaupt nicht wahrgenommen.Oder es war venezianische Höflichkeit...


Wassertor in der Gartenmauer zur Laguna Nord
















Aktuell bis zum 21. November stellt im Rahmen der
52. Kunst-
biennale Syrien in San Francesco della Vigna aus.






5. Oktober 2007

52. Kunstbiennale Venedig - noch 6 Wochen


Nicht verpassen!

Am 21. November schließt die 52. Kunstbiennale. Sie ist wie immer eine tolle Wundertüte aktueller Kunst, aus der man sich Überraschungen aller Arten und Mengen fischen kann.

Am Eingangscafé der Giardini "La
Grande Catalina" (KünstlerIn leider nicht notiert)

Es gibt wie immer die zwei zentralen großen Ausstellungsbereiche, die sonst nicht öffentlichlich zugänglich sind: die Giardini und ein kleiner Teil des Arsenale. Dafür zahlt man einen moderaten Eintritt von 15 € (Ermäßigungen siehe die Website der Biennale, unten).




Giardini

Österreich, Herbert Brandl Griechenlandpavillon

Die Aus-
stellungen in den Länder-
pavillions und -ber
eichen sind übersichtlich (auch die damit verbundenen Fusswege), und mit dem kostenlos verteilten grün-roten Ausstellungsheft findet man sich gut zurecht, sogar im Italienischen Pavillon der Giardini, der das etwas labyrinthische Herzstück der von Robert Storr zusammengestellten Schau ist. (Es gibt seit diesem Jahr noch einen zweiten Italienischen Pavillon im Arsenale.)



Pavillon Rumänien aussen

Pavillon Japan, Masao Okabe









Arsenale

Blick in die Austellung der Corderie

Guillermo Kuitca, Argentinien)


Ausstellungsgelän
de Arsenale












Ausstellungsorte in der Stadt

Neben den Giardini und dem Arsenale gibt es, und das ist das Besondere und Spannende an der Biennale di Venezia, überall in der Stadt zusätzliche Ausstellungen und "Collaterale Events" von Ländern, die über keinen (tradionellen) Pavillon verfügen und von Einzelkünstlern.


Pavillon Mexico (zum ersten mal dabei) im Palazzo Soranzo van Axel. Hinterer der beiden Innenhöfe und Blick aus dem 2. Piano Nobile. Eine vielleicht einmalige Gelegenheit, diesen Palast zu besichtigen. Er steht zum Verkauf...)

Die Teilnahme an der Biennale wird von den teilnehmenden Ländern organisiert und bezahlt. 'Man' kann aber auch per Teilnahmebeitrag von 20.000 € + Miete einer Lokalität + Einstellung von Ausstellungspersonal, z. B. Studierende, sich die Teilnahme selber organisieren. Man sollte ca. 100.000 € einplanen für die Zeit Juni-November...

Der Eintritt in diese Ausstellungen ist frei, geht einfach rein, wo immer das quadratische rote Biennale-Logo im Stadtbild, an einem Hauseingang zu sehen ist, und sucht die Überraschung!


Einzelausstellung Jan Fabre im Palazzo Benzon; Exponat im Androne und Blick vom Piano Nobile auf den Canal Grande









Die Überraschung ist doppelt, denn man landet z. T. in Gebäuden,
die sonst verschlosssen sind (Ausstellung Mexico im Palazzo Soranzo Van Axel bei der Miracoli Kirche), die nur für Veranstaltungen zur Miete stehen, zu denen ein Normalbürger normalerweise keinen Zutritt hat (Ausstellungen Armenien, Schottland, Lateinamerika im Palazzo Zenobio, Bildungsinstitut der armenischen Mechitaristen am Rio d. Carmini in Dorsoduro) oder von außen bestens bekannt, aber strikt privat sind (Ausstellung Luxemburg, Ca' del Duca am Canal Grande).


Verschiedene Länder- und Einzelausstellungen im Palazzo Zenobio: Garten mit Bibliothekgebäude, Blick auf den Carmini-Campanile; Ballsaal mit 1 (!) Exponat (Guatemala)


Doppelte Überraschungen bieten auch Verbindungen von Kunstwerken mit dafür ursprünglich nicht vorgesehenen Räumen, z. B. Kirchen oder Klöstern (Ausstellung Syrien in San Franceso della Vigna) Krankenhäusern oder konvertierten Anlagen (Vedova-Ausstellung auf Sant' Erasmo, Torre Massimiliana).



Das sind einige Beispiele von insgesamt 87 Events, die sich über Stadt und Inseln verteilen.


Man kann also, neben dem massenhaften und spannenden aber auch ziemlich erschöpfenden Kunstkonsum an den beiden zentralen Stellen, insgesamt locker eine Woche damit verbringen, die Stadt zu durchwandern und durch das Wundertütenangebot neue Perspektiven zu gewinnen, insbesondere auch jetzt im Herbst. Die Öffnungszeiten sind an allen Ausstellungsorten nur 10:00-18:00 Uhr, was, wenn man nur wenige Tage hat, zu logistischen Problemen führen kann. Deshalb lieber ein bisschen mehr Zeit nehmen!


Torre Massimiliano, Sant' Erasmo




Hier ist die offizielle Site der Biennale di Venezia
Hier gibt es einen fotografischen Rundgang durch die wichtigsten Länderpavillons
(und gute Ausstellungsplan- und Stadtplanauszüge, die die Orientierung erheblich erleichtern!)
Hier gibt es einen vollständigeren Rundgang, der viele Videos, teils von den ausstellenden Künstlern selbst hergestellt, und Interviews mit den Künstlern bietet, zum Teil aber auch Blicke auf die Ausstellungsorte (für Venedig-Freaks...)

Im November bieten die ersten Hotels schon ihre Winterermäßigung an, während der letzten beiden Biennale-Wochen kann man zum Teil recht preisgünstig wohnen. Die Sache kann fast um die Hälfte billiger werden als im Oktober, ist also auch für schmale Budgets finanzierbar. Beispiel: das sehr einfache, bahnhofsnahe aber preisgünstige Hotel Guerrini,zwischen Bahnhof und Canale di Cannaregio; das überaus angenehme und sehr freundlich familiengeführte Hotel Boccassini in der Nähe der Fondamente Nove; und etwas teurer, aber nur wenige Schritte vom Piazzale Roma das Hotel Canal mit Blick auf die neue Brücke. (In diesen Hotels habe ich schon gewohnt bzw. wohne regelmäßig dort, aber per Internetrecherche finden sich weitere Angebote unterschiedlicher Preis- und Luxusstufen.)