Koloniale Mitbringsel 2 - die Mesopandítissa in Santa Maria della Salute
Venedigs zweite "nicht von (Menschen-)
hand gemachte", sprich "vom Hl. Lukas gemach-
te", ist die Mesopandítissa in der Salute Kirche.
Sie ist nicht "schwarz", wie gerne behauptet wird, sondern einfach alt, wie auch die Nikopió in San Marco (siehe vorherigen Eintrag).
Auch sie stammt ursprünglich aus Konstantinoupolis und wurde während des Bilderstreits und vor der Eroberung der Stadt durch die Kreuzfahrer nach Kreta, damals Chandaka, gerettet. Sie wurde dort, wie die Odigítria in Konstantinoupolis, die zentral verehrte Ikone und hatte ihren Sitz in der Hauptkirche Agios Titus, in Wohngemeinschaft mit den Reliquien eben dieses Heiligen.
Ihr Name ist nicht so sinnfällig wie der der Nikopió/Siegbringerin. Im Prinzip tragen viele orthodoxe Marienikonen einen persönlichen Namen wie du und ich, und die, die keinen Eigennamen haben, gehören zu einer inhaltlichen "Gattung", der man sie zuordnen kann. (Die Mesopandítissa ist eine Odigítria, eine Wegweiserin.) Auf der Website der Pfarrgemeinde im heutigen Iraklion, zu der sie ursprünglich gehörte, wird der Name pragmatisch definiert als "Die zwischen Lichtmess und Fastenbeginn (ihren Feiertag hat)". Älter ist die Übertragung "Die zwischen den Parteien Vermittelnde, die Mediatorin". Die Wunderwirkung der Ikone der Mesopandítissa liegt nicht im Militärischen , wie die der Nikopió, sondern in der Aussöhnung Verfeindeter, mit legendären Belegen.
Besonders während des heiklen Agios-Minas-Aufstandes 1264 der anfänglich permanent gegen die venezianische Kolonisierung rebellierenden Kreter kam es zum Friedensschluss durch die aktive Intervention der Ikone.
Die Venezianer übernahmen die Verehrung der Kreter für die Ikone, deren dienstägliche und feiertägliche Prozessionen (die den Riten in Konstantinopel entsprachen) ausgedehnt wurden. Die Ikone wurde nicht mehr nur zwischen den orthodoxen Kirchen paradiert, sondern vor allem auch zu den lateinischen Kirchen und Klöstern innerhalb der Befestigungsmauern der Hauptstadt Candia.
Zur Teilnahme verpflichtet war nicht nur die Bevölkerung, sondern auch der orthodoxe und der lateinische Klerus (letzterer sogar bei Strafandrohung). Die Prozession der Ikone wurde so zum wöchentlichen Hauptevent in Candia und wichtigen sozialen und religiösen Bindeglied zwischen den beiden Bevölkerungsgruppen Venezianer - Kreter. Die Mesopandítissa spielte sozusagen die Rolle der Garantin kolonialen Friedens und Harmonie auf der Insel Candia.
Als die Venezianer unter Francesco Morosini (siehe auch Eintrag vom 20.4.2008) nach langer Belagerung durch die Osmanen Candia 1669 aufgeben mussten und die Insel damit komplett in Feindeshände fiel, wurde die Mesopandítissa neben Menschen, Archiven und anderen Werten als Bestandteil des kolonialen Erbes nach Venedig gerettet. Ihre neue Kirche wartete bereits, Santa Maria della Salute.
Sie blieb und bleibt in Venedig, als Versicherung gegen die Pest, während die ebenfalls "geretteten" Reliquien des Hl. Titus immerhin 1966 zurück reisen durften.
Die Ikone wird, wie die Nikopió von San Marco, nicht mehr herumgeschleppt. Statt dessen kommt jährlich am 21. November die ganze Stadt - Bevölkerung, Honorationen, Ruderclubs, der Patriarch... zu Besuch, man hängt ihr ihren gesamten Gold- und Silberschmuck um, eine Brücke wird für drei Tage über den Canal Grande gebaut. (Siehe auch Eintrag vom 12.1.2008).
Ein verbindendes Fest, ein ziemlicher Rummel. Aber vielleicht war das nicht viel anders, früher auf Kreta.
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