10. April 2009

Venedig ist kein Hotel


Im letzten Herbst betrat eine elegante Dame mittleren Alters ein Boot der damaligen Vaporettoline 3 (nur für Einheimische und Inhaber einer Carta Venezia für Nonresidenti), richtete eine feurige Rede an die Passagiere, forderte zum Kampf gegen den Ausverkauf der Stadt auf und verteilte Flugblätter an alle "Diese Stadt ist kein Hotel", "Venezia ist kein Spiel".

40xVenezia ist eine Bewegung von VenezianerInnen, geboren in den 60er und 70er Jahren, die ohne finanzielle Interessen eigene Visionen und zukunftsorientierte/nachhaltige Vorschläge in die Entwicklung der Stadt einbringen wollen.

Es ging in diesem konkreten Fall um ein Gesetz, das die Umnutzung von Wohnraum zur Vermietung an Touristen noch einmal bedeutend erleichtern sollte. Natürlich mische ich mich als Touristin und Gast nicht in kommunalpolitische Fragen ein. Aber schon wenn man ein paar Jahre öfter nach Venedig kommt, erschrickt man über die steigende Zahl der neuen Hotels, den zunehmenden Luxus der Angebote, und die rasant wachsende Menge von 'Ferienwohnungen'. Und parallel dazu den Auszug der Venezi
aner aus ihrer Stadt, was mittlerweile jeder noch so schlichte Reiseführer als Problem benennt.


Für das Stadtbild ist die wachsende Zahl restaurierter Gebäude positiv, dass bei den Restaurationen aber weitgehend Hotels herauskommen, weniger.
Immer mehr Palazzi, z. B. am Canal Grande, sind nach Entfernung der Gerüste Luxusschuppen. Die ehemalige Stucky Mühle auf der Guidecca, deren Brand am 15. April 2003 ich zufällig auf auf dem Weg nach Griechenland entsetzt miterlebte, ist jetzt ein protziges Riesen-Hilton. Die Hauptpost an der Rialtobrücke wurde verkauft und ich befürchte Schlimmes.
Auf der anderen Seite wurden gute Pläne bisher nicht umgesetzt. Wie z. B.
das große ehemalige Jesuitenkloster (an der Gesuite-Kirche in Cannaregio), das zuletzt als Kaserne genutzt wurde und jetzt bis auf eine Polizeistation leer steht, als modernes Studentenwohnheim herzurichten.

Mich irritiert dabei auch die Diskrepanz zwischen der Genervtheit der EinwohnerInnen ("Venedig verkommt zum Disneyland") und der offensichtlichen Gier, mit der die Venezianer selbst den Wohnraum ihrer Stadt nicht mehr an Mitbürger vermieten, sondern entschieden profitabler an Touristen. Wer nur ein einziges 50 qm großes, von der Großtante geerbtes Appartment einrichtet, mit einem kleinen Bad ausstattet und für (billige!) 100 €/Nacht vermietet, angeblich in der Regel an der Steuer vorbei, kann damit schon einen kleinen Lebensunterhalt finanzieren. Vorausgesetzt, er muss nicht selbst Miete zahlen!

Aus der Sicht der Denkmalschützer ist die Nutzung in der ursprünglich vorgesehen Art als bürgerlicher Wohnraum dem Umbau in Hotels vorzuziehen. Die E
ntkernung eines Palazzo zwecks Neuaufteilung der Räume, und z. B. dem Einbau um vieler Nasszellen schadet natürlich mehr als der Erhalt (und die Restaurierung) einzelner Wohnungen, die als 'Ferienwohnungen' verkauft oder vermietet werden.

Haus mit Etagen-
Ferienwohnungen in Castello


Ich selbst gehe mittlerweile nur noch dann ins Hotel, wenn ich nur 1-2 Tage in Venedig sein kann. Eine Ferienwohnung hat keinen Service (den ich nicht brauche), aber wesentlich mehr Platz und Ruhe als ein Hotelzimmer. Und dem venezianischen Hotelfrühstück ziehe ich immer ein Croissant und einen Espresso in der nächsten Bar vor.
Auch bei Ferienwohnungen gilt: je kleiner die Einheit, umso teurer. Allein Reisende zahlen für ein kleines Appartment ab 100 €/Nacht, mietet man Raum für vier Personen, zahlt jeder ca. 50 € (oder sogar weniger). Aber solche für Einheimische unerschwinglichen Preise sind gerade für reisende Familien, verglichen mit Hotelpreisen, ziemlich günstig.

Ich habe bisher drei verschiedene Anbieter von Ferienwohnungen ausprobiert, die Preise nehmen sich nichts und die Abwicklung war jeweils professionell.
Luxrest Venice
Mitwohnzentrale Venezia
FeWo direkt
Ich will für diese Anbieter keine Werbung treiben. Wer mit einem Stichwort wie 'Venice Apartments' o. ä. googlet, findet Mengen von vergleichbaren Ergebnissen, und vermutlich auch den einen oder anderen Abzocker.

Wer eine Wohnung sucht, sollte Kriterien wie Entfernung zur Vaporettostation und Versorgung mit Lebensmitteln nicht zu gering bewerten. Im Norden der Sestieri Cannaregio und Castello gibt es relativ viele Lebensmittelgeschäfte, auch wenn Supermärkte nicht auf den ersten Blick zu erkennen sind. Die Verkehrsanbindung über die Fondamente Nove ist gut und man kommt teilweise auch schnell zu Fuss an den Canal Grande bzw. an die Stationen am Becken von San Marco.

2 Kommentare:

Micha hat gesagt…

Sehr interessantes Artikel, es ist immer schön, die Meinung eines fast Insiders zu haben.
Persönlich habe ich ein Hotel in Venedig gefunden, und auch ein gefunden, zu einem ziemlich günstigen Preis. Ich poste hier also den Link, um mit den anderen Links ein bisschen zu konkurrieren ;-b
http://www.twenga.de/stadte/hotel-venedig-14989.html

B. Eckert hat gesagt…

Hallo Micha,

eine Empfehlung für ein angenehmes Hotel wie das von mir bereits beschriebene Hotel Casa Boccassini fände ich interessant, aber Dein Link führt leider nur zu einer Hotelvermittlungsagentur. Davon gibt es viele, und dies ist keine gute persönliche Empfehlung. Schade.