Mazzorbo
Mazzorbo gehörte mit Torcello zu den ersten Inseln, die in der Lagune als Fluchtort besiedelt wurden, lange bevor es Venedig gab.
Und sie war wie Torcello sehr dicht besiedelt und wohlhabend durch ihren großen Hafen, der fast den gesamten Handel nach Norden (die Route Alemagna) zollmäßig abwickelte.
Vor allem war sie auch kirchlich gut aufgestellt mit diversen Pfarrgemeinden (S. Pietro, S. Bartolomeo, S. Angelo, S. Stefano, SS. Cosma e Damiano,) und Klöstern (S. Eufemie, S. M. Valverde, S. Maffio, S. M. delle Grazie, s. Michele Arcangelo und S. Caterina).
Auf alten Karten sticht das heute unscheinbare Mazzorbo durch Größe und Bebauung vor Torcello (siehe mehrere Einträge zu Torcello unter dem Label 'Insel') und Burano hervor.
Ein Haus mit besonderem Geschmack - eher buranisch als mazzorbisch
Burano war dagegen 'nur' die Insel der Fischer und dabei blieb es; dort drängeln sich heute die Tagesausflügler zwischen freundlichen Buranelli.
Während die Leute von Mazzorbo und Torcello schon ab dem 11. Jahrhundert ihre Häuser abbauten und mitsamt ihrem Baumaterial weiter nach Süden zogen, zum neuen Magneten Rivoalto, dem künftigen Venedig.
Hinterlassenschaften zieren als einzelne Marmorspolien die Inselhäuser, und werden immer noch dank archäologischer Bemühungen oder Zufallsfunden der Bewohner entdeckt.
Eingang ehemaliges Kloster S. Caterina
Der Kanal zwischen Mazzorbo und Maz-
zorbetto, durch den heute das Vaporetto fährt, war als Canal Grande gesäumt von stattlichen Palazzi, bevor es den venezianischen Canal Grande gab, man sieht hier und dort noch ein gotisches Fenster, z. B. in der schönen kleinen Casa S. Caterina auf Mazzorbetto. Aber was nicht beim Exodus der Jahrhunderte mitgenommen wurde, hatte wiederum Jahrhunderte Zeit, zu verrotten und Platz zu machen für die heutigen Gemüsegärten, gesäumt von schlichter ländlicher Architektur.
S. Caterina - Kirchenheizung! Vergitterte Nonnenempore!
In allen Büchern wird der Exodus mit Malaria begründet, aber ich frage mich, ob Burano kein Malariaproblem hatte, während Torcello und Mazzorbo geräumt wurden? Oder konnten sich nur die Wohlhabenden, die Geschäftsleute, Patrizier, InsassInnen reicher Klöster, nicht aber die Fischer, diesen Umzug leistern? Oder war die Malaria nicht die wesentliche Ursache, sondern das Kapital, das umzog, und der Handel, der ein aktiveres Zentrum installiert hatte?
Innenhof S. Caterina
Ich habe eine Website auf italienisch gefunden, auf der man auch ohne Sprachkenntnisse einen Eindruck vom ehemaligen großen Mazzorbo gewinnen kann ohne seine Vorstellungskraft zu sehr strapazieren zu müssen. Beeindruckend, finde ich!
Die alte Baukunst ist hinüber, wer sich für zeitgenössisches Bauen interessiert, findet auf Mazzorbo eine in Fachkreisen ziemlich bekannte Anlage von Sozialwohnungen des Architekten und Planers Giancarlo De Carlo,
die sich an die Bauweise der Häuser auf Burano anlehnt und auch deren Farbigkeit, ein bisschen zaghaft, andeutet. Es gibt sogar einen kleinen Kanal, aber die Anlage hat trotzdem ihren sehr eigenen Charakter und ist auf keinen Fall "wie Burano", nicht im Draufschauen und nicht im Durchgehen.
Sozialwohnungsanlage auf Mazzorbo
Auf Mazzorbo findet man nicht die heitere Urlaubskuschlichkeit, die die Buranelli ihren Gästen für ein paar Stunden vorzaubern, und schon gar nicht das kostbare veneto-byzantinische Erbe Torcellos, aber als Teil des Mosaiks der nördlichen Laguneninseln und mit sehr freundlichen Bewohnern ist Mazzorbo unbedingt einen Besuch wert.
Unterwegs nach Mazzorbo - verfallenes Inselkloster Madonna del Monte. Im Hintergrund links Mazzorbo, rechts mit schiefem Campanile Burano
Am besten mit einem frühen Vaporetto (der Linie N z. B. um 8 Uhr ab Fondamen-
te Nove, Haltestelle auf Höhe der Gesuiti-Kirche), um am Morgen/Vormittag in Ruhe einmal um die Inseln zu wandern. Ab Haltestelle Mazzorbo nach rechts (Süden), immer den Kanal entlang, bis zur einzig übrig gebliebenen Kirche, der des Klosters S. Caterina (ab ca.9 Uhr geöffnet). Im letzten Herbst waren am Seitenkanal Brückenarbeiten im Gange. Die Kirche ist schlicht, aber mit einer Heizung (!) ausgestattet, sieh an! Sie hat eine sehr schöne Schiffskiel-Kassettendecke, eine der früher üblichen Nonnenemporen im restaurierten Zustand und einem stimmungsvollen kleinen Innenhof (kein Kreuzgang).
S. Michele Arcangelo - zeitgenössische Friedhofskirche im byzanti-
nischen Stil auf Mazzorbo
An der Ostseite der Insel geht man am Friedhof für die Bürger von Mazzorbo, Burano und Torcello vorbei wieder Richtung Norden. Auf dem Friedhof herrscht das blühende Leben, in der heftig bunten Blumenpracht, den Grabfotos und vor allem in den munteren Sozialkontakten der grabpflegenden Bevölkerung. Hier wünscht man sich, die venezianische Sprache zu beherrschen, mehr als in einer Bar in Venedig. Die neu erbaute kleine Friedhofskirche im byzantischen Stil ist nach der ehemaligen Kirche S. Michele Arcangelo benannt und erinnert ein bißchen an peloponnesische Feld- und Wiesenkirchen.
Campanile des alten S. Michele Arcangelo aus dem 11. Jahrhundert
Von der ehemaligen S. Michele Arcangelo-Kirche ist nur ein auffall-
ender Campanile mitten im Weinfeld nebenan erhalten.
Blick von oben auf Mazzorbo (auf Luftbild/Vogelperspektive klicken)
Zur Krönung des Mazzorbo-Ausflugs empfehle ich NICHT, über die Brücke nach Burano zu wandern, sondern an den Sozialbauten vorbei links herum an die Vaporettohaltestelle zurückzukehren und ein gepflegtes Mittagessen Alla Maddalena einzunehmen.
Trattoria Alla Maddalena am Vapo-
retto-Stop Mazzorbo
Diese ländliche Familien-
trattoria ist nur mittags geöffnet und hat Tische im Garten und zum Kanal. Es gibt normalerweise zwei einfache gute Menüs zur Auswahl, tendeziell meeresfruchtig, zu normalen Preisen. Zur Jagdsaison gibt es wohl auch selbst geschossenes Lagunengeflügel. Allgemein geben die Inselbewohner hier im Norden gerne mit ihren herbstlichen Jagdgästen an, vom früheren Hemingway bis zum heutigen König Juan Carlos, der jährlich zum Entenschießen kommt, wie man hört. Aber vielleicht wird es auch nur erzählt, weil es die Touristen hören wollen? Jedenfalls essen auch Einheimische hier, sonntags ist der Laden von Venezianern ausgebucht.
Die Ruhe hier am Kanal mit ab und zu vorbei tuckernden Vaporetti und Inselbooten ist einfach wunderbar, nicht zu vergleichen mit dem Rummel auf Burano.
Es gibt auf Mazzorbo kein Hotel, wie auch nicht auf Burano, aber seit letztem Jahr soll es eine Jugendherberge mit ca. 25 Betten geben, die ich allerdings selbst noch nicht gesehen habe. Bei meinem nächsten Besuch prüfe ich die Information.
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