29. September 2015

Herbstbeginn in Venedig

Nebenausstellungen der Biennale schließen: Morgen, 30.9.  Finissage von
"Scattered Rhymes" 
Der September geht zu Ende, die herbstlichen Besucherzahlen steigen noch einmal kräftig an. Die Kreuzfahrtindustrie gibt alles vor Saisonende, 8 Pötte lagen am Samstag in der Stazione marittima (und, vom anderen Ende der Preisskala, 6 Riesen-
yachten an der Riva und den Zattere. Kann man online und in Echtzeit verfolgen und per Klick Detailinformationen abrufen.).

Wer das Sommerklima und die kurzen, unbehaglichen Winter-
tage meidet, kommt jetzt.
 Dies ist die ideale Zeit für Sonnenauf- und -untergänge, nicht zu früh, nicht zu spät, herrliches Licht für Morgenspaziergänge zu menschlicher Zeit entlang der Ufer und auf der menschenleeren Piazza. Das venezianische Trachyt-
pflaster ist nass vom Morgentau als ob es geregnet hätte, und Nebel bildet sich manchmal überraschend im Bacino erst nach Sonnenaufgang, steht für 2 Stunden wie ein Körper über dem Wasser und gibt dann wieder den blauen Himmel frei. 


Die Biennale ist noch in vollem Gange, nun ist die schönste Zeit in den Giardini, buntes Laub und Kindergruppen bei angenehmen Temperaturen. Dies ist die Jahreszeit für die Venedig- und Kunstappassionati. Die sommerliche Freitagsöffnung bis 20 Uhr im Arsenale ist leider vorbei, und der dänische Pavillon, den Danh Vo von Kunstlicht befreit hat, wird spätestens zum Ende der Sommerzeit schon vor 18 Uhr schließen - zu dunkel. Ein guter Teil der Nebenausstellungen in der Stadt ist längst, oder jetzt zum Monatsende, beendet. Dafür werden jetzt die Herbst-
ausstellungen eröffnet, hier kommen meine Empfehlungen.



Giardini, vor dem Pavillon der Niederlande
Herausragend ist die Fotoausstellung "From These Hands: A Journey Along the Coffee Trail" im Arsenale Novissimo, Tesa 113. Jede/r kennt zumindest ein Foto des Fotografen Steve McCurry: das des afghanischen Mädchens, Sharbat Gula.
Steve McCurry arbeitet mit Lavazza zusammen. Der Kaffee-
konzern sponsort nicht nur ihn, sondern auch Projekte zu Nach-
haltigkeit und Fair Trade im Kaffeegeschäft (mehr dazu ist nach-
zulesen bei der Venedig-Bloggerin Cat Bauer), und man sollte sich von der Kaffeewerbung nicht irritieren lassen. Man sollte sich genügend Zeit nehmen: diese Fotos kann man sich nicht in ein paar Sekunden 'reinziehen', man kann kaum den Blick lösen. Jedes Foto ist wie ein Film, der vor dem geistigen Auge spielt. Die Freude wird gestört durch eine kitschige Schleifenmusik, ein kuratorischer Totalausfall, leider.

Artribune-Bericht mit anklickbaren Fotos.
Eintritt frei, 23.9.-8.11., täglich von 10-18 Uhr, Haltestelle Bacini der Linien 4.1, 4.2, 5.1, 5.2. Hinter der Mauer zeigt ein Wegwei-
ser nach rechts, der führt zum Eingang durch die Tesa 105. Man kann den Weg abkürzen, indem man geradeaus geht und genau an der Tesa 113 landet. Sie liegt am Turm der Porta Nova, den man wegen seiner Höhe von überall her gut sehen kann. 



Casa Tre Occi: Sguardo di Donna

Die zweite, sehr empfehlenswerte Fotoausstellung sieht man in der Casa Tre Occi: Weiblicher Blick "Squardo di Donna". Sehr unterschiedliche Frauen blicken auf sehr verschiedene Themen. Und wenn schon die Präsentation ungewöhnlich ist, sind es die Arbeiten unbedingt. Von Diane Arbus über Nan Goldin, Donata Wenders und Sophie Calle bis zu Letizia Battaglia, um nur einige der großartigen Fotografinnen zu nennen.
Bericht mit vielen, aber bei weitem nicht allen, Fotos. Artribune-Bericht mit anklickbaren Fotos.
11.9.-8.12., 10-19 Uhr täglich außer Dienstag, 12 € Eintritt/Ermäßigungen, (Vorbestellung nicht erforderlich!) Haltestelle Zitelle Linien 2, 4.1., 4.2.


Die Herbstausstellung auf San Giorgi Maggiore "imago mundi" ist eine Explosion von Kreativität. Man weiß, dass Tausende von Kunstwerken im Format 10 x 12 cm auf einen zukommen, aber jede Vorstellung davon wird übertroffen. Wieder spielt ein be-
kannter Name, Benetton, eine Rolle, aber es geht weder um Werbung noch um Sponsoring sondern um die private Kunst-
sammlung Luciano Benettons. Er fördert mit seinem globalen Projekt unbekannte und bekannte KünstlerInnen, sortiert die Werke nach Kontinenten und Regionen und überwältigt jede/n BetrachterIn. Hier hätte ich wirklich gewünscht, so einen Mit-
schlepphocker aus Leichtmetall zu haben, die jetzt in den großen Museen zur Verfügung stehen, denn ich hätte Stunden in dieser Ausstellung verbringen können. Alternative: da eintrittsfrei, öfter mal, wenn man auf der Linie 2 an S. Giorgio vorbeikommt, aus-
zusteigen und das Stündchen, das man gerade übrig hat, hier zu verbringen. Und weiter zu staunen.  


Imago mundi: Luciano Benetton's global art project (L'italoamericano 22.8. )
Map of the New Art/Imago Mundi (Fabrica 26.8. )
Is Luciano Benetton the World's Biggest Little Art Collector?  (artnet news 9.9. )
Kunst, nach Farben sortiert; Detail: 'Germany, mon amour' (Süddeutsche Zeitung 14.9. )

Insel S. Giorgio Maggiore, Eingang links der Kirche (wenn man mit Blick zu ihr davor steht), 1.9.-1.11., 10-19 Uhr täglich außer mittwochs, Eintritt frei, Haltestelle S. Giorgio der Linie 2 (1. Hal-
testelle von S. Zaccaria kommend)


Detail Glasteehaus Mondrian
Auch der Ausstellungsraum Stanze del Vetro, der jährlich min-
destens 2 Glaskunstausstellungen auf S. Giorgio Maggiore zeigt, hat vom
13.9.-10.1.2016 ein neues Angebot: Fulvio Bianconi. Wie immer von hoher Qualität und ruhiger konzentrierter Präsen-
tation. Wie immer sehr empfehlenswert. Im hinteren Teil der Insel, am Terrassencafé rechts, der erste Eingang im Gebäude auf der linken Seite.


Auf der rechten Seite, Eingang durch den lebenden Zaun gegen-
über dem Eingang zu den Stanze del Vetro gibt es noch bis 30.11. (und nach mehreren Verlängerungen) das Glas Teehaus Mondrian von Hiroshi Sugimoto. Ein Ort der Kontemplation, den ich nach 4 oder 5 eigenen Besuchen immer weiter empfehlen kann. 



Die Fotoausstellung "Venezia e le grandi navi" des italienischen Fotografen Gianni Berengo Gardin, berühmt auch für seine Auf-
nahmen von Venedig seit vielen Jahrzehnten, sollte ursprünglich ab dem Herbst im Dogenpalast, einem der städtischen Museen Venedigs, stattfinden. Sie wurde vom neuen Bürgermeister Luigi Brugnaro direkt nach seiner Wahl
abgesagt, neben anderen Fehlleistungen. Er ist ein Förderer der Kreuzfahrtindustrie. Die Ausstellung findet nun vom 22.10.-6.1.2016 im Negozio Olivetti (selbst eine Sehenswürdigkeit, ein Werk des Architekten Carlo Scarpa)am Markusplatz statt, siehe Link oben. Nicht verpassen.

Längerfristige Veranstaltungsinformationen gibt es wie immer im Blogterminkalender, den ich laufend fortschreibe. 


Ein wichtiger Termin bei der herbstlichen Reiseplanung gilt auch für nicht Interessierte: Venice Marathon am 25.10.; volle Hotels, volle Parkhäuser. 


Für Begleitungen im Oktober kann ich noch freie Termine in der 2. Monatshälfte, aber nur noch nachmittags und nicht mehr an Wochenenden, anbieten. Besonders für Kurzbesu-
cherInnen empfiehlt sich eine von mir geplante und beglei-
tete Agenda zu ihren Besichtigungswünschen, auch, um nicht vor verschlossenen Türen bereits beendeter Ausstel-
lungen zu stehen. Novembertermine 
für persönliche Beglei-
tungen 
sollten rechtzeitig gebucht werden, die Biennale schließt am 22.11. endgültig.
Kontaktaufnahme zu unverbindlichen Informationen führt per Klick ganz oben rechts auf mein persönliches Mailkonto. 


Herbstlicher Sonnenaufgang mit der täglichen Ankunft eines
(oderer mehrerer) großen Schiffes


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27. September 2015

Blog gekapert


Liebe Leser und Leserinnen meines Blogs,

mein Blog wurde gekapert. Schon im Frühling dieses Jahres, herausgefunden habe ich es per Zufall im Juni. Kapern bedeutet: ein Blog wird 1:1 kopiert und unter einer neuen Domain veröf-
fentlicht. Der Zweck der Sache ist, in den kopierten Blog Wer-
bung einzufügen und damit Geld zu verdienen, ohne eigene inhaltliche Leistung. Also unter illegaler Verwendung gestohlenen geistigen Eigentums. 


Ich habe Namen und Adresse des Kaperers recherchiert und ihm per Abmahnung verboten, meinen Blog zu benutzen. Ich habe ihm eine Unterlassungserklärung geschickt mit der Bitte, diese zu unterschreiben und sofort auf die Nutzung meines geistigen Eigentums zu verzichten. Auf beides hat der Kaperer nicht rea-
giert. Mir bleibt die Möglichkeit einer Strafanzeige, eine höchst unerfreuliche Option.   


Der 'Klon' meines Blogs heißt nicht "Unterwegs in Venedig" sondern "sinceely" und sieht so aus:
http://www.sinceely.com/
Wenn Du/Sie über eine Suchmaschine auf dieser Blogadresse gelandet bist/sind, weisst Du also jetzt, dass Du einen gekaper-
ten Blog liest. 


Wenn Du/Sie auf der Adresse 
http://venedig-ebb.blogspot.de/
bist/sind, ist das korrekt der Blog der Bloggerin Brigitte Eckert.
Du erkennst meine Arbeit auch daran, dass es bei mir eben keine Werbung gibt. Bitte lies meinen Blog und nicht den des Kaperers, und wenn Du den Blog weiter empfiehlst, verwende bitte diese Adresse und nicht die des Kaperers.


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12. September 2015

Heute neu: La Gazzetta di Poveglia




Heute erhielt ich als Email-Newsletter die erste Ausgabe von 

La Gazzetta di Poveglia 

Eintrag vom 11.5.2014 Poveglia



Nächste Ruderfahrt nach Poveglia am 20.9.2015.

Ergänzung 15.9.2015: Oho, schon ist die nächste Ausgabe da.
Ergänzung 27.9.2015: Wer die Gazzetta di Povelia als Newsletter abonniert hat, erhält mittlerweile ein tägliches Update. 


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11. September 2015

Isola di San Secondo

Insel und Kloster S. Secondo auf der Barbari-Karte 1500
deutlich erkennbar der runde Turm, der 1534 zerstört wurde.
Sie ist wirklich sehr klein, man kann sie nicht besuchen (außer mit einem Privatboot) und man sieht sie auch nur im Vorbei-
fahren auf der nördlichen Seite der Brücke zum Festland, oder im Anflug, wenn man schlau einen Sitz F gewählt hat. Wenn über-
haupt, dachte ich bisher, dass sie irgendwie Teil des militäri-
schen Befestigungssystems der Lagune aus dem 14.-16. JH ist, zu dem u. a. die Festungsinsel Sant'Andrea am Nordeingang des Lido und die Oktogone an den beiden Südeingängen bei Mala-
mocco und Pellestrina gehören. 




Mein Interesse an der Insel San Secondo wurde geweckt durch die Information, dass seit Ende August ein Stück Land Art vom Ufer grüßt. Das Werk Terra.Terra wurde (nach vorangehenden Rodungsarbeiten) gestaltet von 7 KünstlerInnen der Gruppe Opera Bosco. Das ist die zweite Aktion von Opera Bosco - Museo di Arte nella Natura in der Lagune, über die erste Installation auf der Insel Certosa habe ich 2014 berichtet.

Medienberichte zu Terra.Terra:
www.arte.it

www.veneziaartmagazine.it
www.insideart.eu
www.eliconie.info
Schön wäre ja, wenn mal jemand eine Drohne drüberfliegen liesse, damit man die Sache genauer sehen kann...

Jedenfalls habe ich den Anlass genutzt, um in meiner Bibliothek und im www nach Informationen zu dieser Insel zu suchen und es fand sich einiges. Seit 30 Jahren ist die Insel unbewohnt, überwuchert und weiter geschrumpft, überraschend sind die Stiche, die das ehemalige Kloster zeigen. Im 11. JH als Bene-
diktinerinnenkloster Sant'Erasmo gegründet, wurde im 13. JH dank der venezianischen Eroberung der Stadt Asti und der Reli-
quien von San Secondo das Kloster ihm geweiht und gelangte schon Ende des 13. JH in den gewissen Ruf vieler venezianischer Frauenklöster ('arm, aber sexy'). 


Ich empfehle an dieser Stelle mal wieder wärmstens die Lektüre von "Die Jungfrauen von Venedig" von Mary Laven, eine wissen-
schaftliche Arbeit, aber informativ und spannend bis zu letzten Zeile. (Rezension des Guardian



Vincenzo Coronelli, Atlante Veneto 1696
San Secondo von Osten, Süden und Westen,
mit Nachfolgecampanile, quadratischem Pulverturm und allen Gebäuden im Detail
Da alle Disziplinierungsmaßnahmen der Kirche nicht griffen, wur-
de die Gemeinschaft 1531 aufgelöst (!) und das Kloster komplett in ein Dominikanermännerkloster umgewidmet. Vielleicht erlaub-
ten sich die Mönche weniger Eskapaden, vielleicht standen sie aber auch nur weniger im Fokus wie die der Nonnen... Während der
Pestepidemien des 16. JH diente die Klosterinsel der Isolie-
rung von Kranken, danach kehrten die Mönche zurück und blieben bis 1806, als das Kloster von den napoleonischen Schließungen betroffen war und sie ins Kloster der Gesuati an den Zattere umgesiedelt wurden.


Domenico Codagli war Prior auf San Secondo 1607-6010 und verfasste die Geschichte der Insel und des Klosters "Historia dell' isola e monasterio di S. Secondo di Venetia", online und digita-
lisiert im www zu lesen, inklusive Lobgedichten, Listen der Äbtis-
sinnen und schöner Buchgestaltung. 



Illustration in Codagli "Historia dell' isola..." Darstellung der Klosterinsel
Nach dem großen Arsenalebrand 1569 beschloss die Serenis-
sima die sichere Aufbewahrung und Auslagerung von Schieß-
pulver, auf San Secondo wurde der erste der quadratischen Pulvertürme gebaut, dann auf fast allen Laguneninseln, deren Vorgängerarchitektur in den venezianischen Festungen in Adria und Ägäis z. T. noch heute zu finden sind. 1574, als
Heinrich III auf seiner Reise von Polen nach Frankreich Venedig besuchte, wurde ihm auf seiner Vorüberfahrt von San Secondo aus mit Büchsen-, Musketen- und Kanonenschüssen und Feuerwerk salutiert. In die Verteidigungsanlagen wurde die Insel tatsächlich integriert, allerdings erst Anfang des 19. JHs, als Kirche und Kloster längst niedergerissen waren und aus der deutlich verkleinerten Insel tatsächlich ein Oktogon gemäß den älteren Oktogonen gebildet wurde.

San Secondo war verkehrstechnisch von Bedeutung da es direkt auf dem wichtigsten Verbindungskanal zwischen Venedig und dem Festland saß. Im Spätmittelalter war es sogar der einzige erlaubte Bootsweg zwischen Cannaregio und der gegenüber liegenden befestigten Stadt Mestre sowie dem Handelsort Mar-
ghera, um den Schwarzhandel mit Schlachttieren einzudäm-
men. 

Die Insel war schützender Hafen bei gefährlichem Wetter und bei Bedarf Reiseetappe mit Versorgung der Gäste. Das Kloster hatte laut Alvise Zorzi "zwei riesige Bootshäuser", die Schiffen und Be-
satzungen im Notfall zur Verfüung standen, aber auch sommerli-
chen AusflüglerInnen als "Unterhaltungsgasthof" (albergo dilet-
tevole), die hier die kühle Brise (oder Sonstiges dilettevole) genießen wollten. 

Das galt auch für Wanderer, die bei geschlossener Eisdecke die Lagune zu Fuss überquerten. Die Lagune fror nicht oft zu, aber wenn, war dies eine ausserordentliche Gelegenheit sich ohne Verkehrsmittel zu bewegen. 

In besonderer Erinnerung ragt schriftlich und im Bild festgehalten der außerordentlich kalte Winter 1788/89 heraus. "Wir beginnen das Jahr 1789 mit Eis, das täglich stabiler wird, die Leute benut-
zen es um frei und ohne Kosten für ein Boot nach Mestre oder Campalto zu gehen. Die vielen Leute sind ein wunderbarer An-
blick, sie gehen überall herum und transportieren alle Arten von Lebensmitteln ohne Furcht vor Belästigung durch den Zoll." (Ricciotti Bratti, 'Vecchie isole veneziane')




Ein Mönch auf San Secondo, Cherubino Zeli, beschreibt in einem Brief, was sich vor seinem Fenster abspielt: "Am 14. Dezember 1788 begann es zu schneien und das Wetter war so kalt und klar, dass am Morgen des 21. die ganze Lagune von Eis bedeckt zu sein schien. Die Werftarbeiter, die geschickt worden waren um den Kanal vom Eis zu befreien und ihn offen zu halten, kämpften vergeblich, denn die Kälte war so bitter, dass das Eis laufend dicker wurde. Es war so kalt, dass es notwendig war, ein Feuer auf dem Altar in Gang zu halten, damit das Wasser in den Messkännchen nicht gefror. Am vorletzten Tag des Jahres fingen die Leute von Mestre an, aufzukreuzen, wanderten auf dem Eis aber nur bis San Secondo. Am Tag danach war ein regelmäßiger Verkehr von Venedig zum Festland im Gange, die Leute trans-
portierten Brot, Wein, Fleisch und alles mögliche Essbare. Es war ein ungewöhnlicher Anblick, und die Fenster zur Lagune und die Ufer der Insel waren voll besetzt mit Leuten die Stunden um Stunden nur standen um dem zuzusehen, und dabei lange Tele-
skope benutzten um die unzähligen kleinen Szenen zu beobach-
ten, di sich auf dem neuen und außergewöhnlichen Fernweg abspielten. Es zeigten sich auch herausgeputze Personen in großen scharlachroten Mänteln, oder in weiß mit Pelz eingefasst; und viele hübsche junge Mädchen eingewickelt in Umhängetü-
cher; und 
Damen der Nobilität in Begleitung ihrer Verehrer; alle unterwegs zu ihrem Vergnügen und manche bis nach Mestre, um dort einen Kaffee zu trinken. Auch Schlitten, Karren und Schubkarren gbegannen zu erscheinen, die Lagune zwischen Venedig und Mestre verwandelte sich in ein wunderbares fröh-
liches Theater, mit Masken und Verkaufständen für Umhänge und Proviant, später Marktständen und Puppentheatern. Die Nicolotti machten Wettkämpfe auf dem Eis und Moreskentänze, während Ochsen und Schafe, Schweine und Hühner mit ihren Hirten in Ruhe das weite Eisfeld überquerten." (
Zitat s. o., Übersetzung ebbonn)

Alvise Zorzi, wie immer in Trauer über die Verluste in seinem Werk "Venezia scomparsa" erzählt, dass nach der Umsiedlung der Mönche zu den Gesuati und des schönen marmornen Haupt-
altars der Kirche inklusive Tafelbild in die Kirche Santo Spirito, auch am Ufer der Zattere, die Insel der Marine überlassen wur-
de, die ganze Arbeit leistete: Kloster und Kirche aus dem 11. JH, die zu Beginn des 17. JHs renoviert worden waren, wurden in den ersten 20 Jahren des 19. JHs dem Erdboden gleichgemacht. Was bleibt, sind die Kupferstiche von Francesco Tironi und Vincenzo Coronelli, die das Kloster San Secondo in Erinnerung halten.


San Secondo, Francesco Tiromi 1779


Noch eine Buchempfehlung:
Giorgio e Maurizio Crovato: Isole abbandonate della laguna veneziana. The abondoned islands of the Venetian lagoon. Italienisch/Englisch, 30 €, in venezianischen Buchhandlungen.


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5. September 2015

Blitzshow: Liechtenstein


Liechtenstein wird vom 23.10.-1.11. sein Biennaledebut als Blitzauftritt absolvieren. Glück hat, wer dann in Venedig und neugierieg genug ist (z. B. ich).

Liechtenstein stellt im Palazzo Trevisan am Campo Sant'Agnese aus, dem Schweizer Konsulat und Sitz der Stiftung Pro Helvetia. Mein Besuch im Salon Suisse im Mai war leider gar nix, eine öde Party, im Gegensatz zum frischen Pavillon der Schweiz in den Giardini. "The Silver Lining" der Liechtensteiner zeigt Künstler-
Innen aus Liechtenstein, Island, Luxemburg und Montenegro:


Beate Frommelt
Anna Hilti
Gabriela Fridriksdottir
Gunnhildur Hauksdottir
Anna Frida Jonsdottir
Karolina Markiewicz und Pascal Piron
Adrijana Gvozdenovic
Natalija Vujosevic

Ich freue mich besonders auf die Künstlerinnen aus Island, ich bin ja ein großer Fan isländischer Kunst (Biennale 2009Biennale 2011, Biennale 2013, großartig, aber ohne Bericht war auch die Troll-Ausstellung 2007) während die "Moschee" in diesem Jahr vergleichsweise soo isländisch nicht war und mehr gezieltes Politikum als Kunst.


Nachtrag 2.11.2015
Das war eine kleine, feine Ausstellung mit sehr unterschiedlichen Exponaten, die von den Mitgliedern des Kunstvereins Schichtwechsel überzeugend zusammengestellt wurden.
Für Biennaleverhältnisse einzigartig war, dass die KünstlerInnengruppe und die KuratorInnen während der ganzen Dauer in der Ausstellung anwesend waren, man sie also kennenlernen und mit ihnen über ihre Werke und Arbeit sprechen konnte. Sehr persönliche Gastfreundlichkeit der Verantwortlichen, die sogar Kaffee, Tee und Kuchen einschloss und eine spontane internationale BesucherInnenkonversation über Kunst, Politik und den geschlossenen isländischen Pavillon waren schon ein sehr außergewöhnliches und erfreuliches Biennaleerlebnis. Liechtenstein bot einen Kunstsalon. Danke nochmal!

Ein paar Presselinks:
http://www.vaterland.li/liechtenstein/kultur/Stelldichein-der-Kulturpolitik-in-Venedig;art175,163120
http://www.saiten.ch/dolce-vita-und-duestere-kunst-in-venedig/

http://www.suedkurier.de/nachrichten/kultur/Von-Vaduz-nach-Venedig;art10399,8258019


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1. September 2015

Goldener Löwe auf S. Lazzaro

Der Goldene Löwe neben Grabungsfunden
im abschließbaren Regal des Kreuzgangs
Die Vaporetto-Sonderlinie zwischen Giardini und S. Lazzaro degli Armeni fuhr nur von Anfang Mai bis Ende Juni. Jetzt gibt es nur noch die reguläre Linie 20, die ab S. Zaccaria um 13:10, 14:20 und 15:10 Uhr fährt, zurück von S. Lazzaro dei Armeni nach S. Zaccaria um 15:25, 16:45 und 17:25 Uhr. Wer nur für ein paar Tage zur Kunstbiennale kommt und Mühe hat, Giardini, Arsenale und ein paar der schönsten Palazzi ins Zeitmanagement zu kriegen, mag erwägen, auf den Besuch auf S. Lazzaro zu verzichten. Ganz falsch! Denn hier steht der Goldene Löwe für  "Armenity", die beste nationale Ausstellung 2015, in einem bescheidenen Glasregal im Kreuzgang des Klosters, und zwar zu Recht, und darüber hinaus nicht bis Biennaleende am 22.11., sondern nur bis 18. Oktober. 

Noch 7 Wochen, und auch die einmalige Gelegenheit, Arbeits-
räume des Klosters wie die ehemalige Druckerei links des Kreuz-
gangs zu betreten, ist dann vorbei. Vorbei auch die Möglichkeit, sich unabhängig und frei von einer Führung zu bewegen. Die Führungen hier sind hier normalerweise eher straff um nicht zu sagen streng (siehe Einträge vom 10.11.2011 und vom 3.2.2007). 




Die Chance, in Ruhe die Kirche zu besichtigen, die Gemälde-
galerie, die unendliche Menge an alten Kunsthandwerk, kost-
baren historischen Artefakten und die Bücherrücken in der Bib-
liothek, dabei nicht gescheucht zu werden, kommt mit Sicherheit so schnell nicht wieder. Da es Versorgungsautomaten und saubere Waschräume im Kloster gibt, ist auch fürs Körperliche gesorgt und man kann auch die Sonne in der grünen Oase des Kreuzgangs sitzend genießen. 


Wer zum ersten Mal und ganz unvorbereitet nach S. Lazzaro kommt, sollte trotzdem an einer Führung teilnehmen, um zu verstehen, was er sieht. Bei vertieftem Interesse für die Ge-
schichte des armenischen Volkes und seiner historischen Wan-
derschaft über Kleinasien, die griechischen Inseln und die Pelo-
ponnes bis nach Venedig empfehle ich den Kauf des Buches "Vom Ararat nach San Lazzaro" von Alberto Peratoner. Es war vergriffen und wurde neu aufgelegt (im Mai in englischer und italienischer Sprache, da es auch schon in deutscher Sprache existierte, vielleicht auch wieder in deutsch?). Im Klosterladen.


Die Ausstellung hätte zum Thema des 100. Jahrestages der Massaker und des Völkermordes an der armenischen Bevöl-
kerung Aufgeregtheit und Bitterkeit erwarten lassen können, ist aber nicht so. Es sind eher stille und zurückhaltende künstle-
rische Äußerungen von Nachkommen der Überlebenden, die sich weniger als Anklagende denn als Trauernde äußern. Bilder, die lange tragen, ebenso wie die Gedichte armenischer Dichter, die als Drucke ausgestellt sind. 



Daniel Varoujan (Waruschan), Opfer des Völkermordes
Ich habe einige deutschsprachige Kommentare zur Ausstellung zusammen gestellt:
Detuschlandradio Kultur 5.5.2015 Armenische Rezepte der Uroma im Biennale-Pavillon
art Das Kunstmagazin 11.5.2015 Keine Insel der Seligen 
ZEIT online 12.5.2015 Ein Pavillon der Versöhnung (gleicher Autor)
monopol 13.5.2015 Eine Oase der Ruhe
Radiobeitrag SWRII 11.5.2015 Poetisch, politisch, persönlich 

Außerdem habe ich online einen sehr lesenswerten Auszug aus dem Ausstellungskatalog (in eglischer Sprache) gefunden: Undoing Denials at the Vencie Biennale's Armenian Pavilion 

Im Garten vor dem Kloster und auf der Aussichtsterrasse zur Lagune sind ebenfalls Kunstwerke und ausgestellt, sogar im Bootshaus unter der Terrasse. Der Eintritt ins Kloster kostet 6 €, wer eine Biennale-Eintrittskarte vorlegt, zahlt nur 3 €.



Ich begleite und führe zu Biennale-Ausstellungen in interes-
santen Gebäuden in der Stadt. Auch themen- oder personen-
orientierte Begleitungen können angefragt und abgestimmt werden über einen Klick ganz oben rechts in der dunkelgrünen Spalte.




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