10. April 2016

Schon gesehen? Neuzugänge auf der Venedig-Agenda


"Neu" ist relativ: seit dem 12. Jahrhundert bzw. 15. Jahrhundert an Ort und Stelle, waren die beiden Gebäude seit Jahrzehnten nicht mehr zugänglich und nur von aussen zu besichtigen (1) bzw. nur nach vorheriger telefonischer Anfrage und Terminvereinbarung (2), wer macht das schon - ich jedenfalls nicht.

Die Rede ist 1. vom Treppenhaus des Palazzo Contarini del Bovolo und 2. des Oratorio dei Crociferi. Die beiden historischen Gebäude sind seit Beginn des Jahres wieder zugänglich dank des Kultursponsorings zweier venezianischer Träger von Sozialeinrichtungen, der Fondazione Venezia und den Istituzioni di ricovero e di educazione Venezia, IRE.




Geschichte und Architektur der Schneckentreppe werden vor Ort anhand von Tafeln erklärt. Sie wurde bereits in den 80er Jahren mit Mitteln des World Monuments Fund restauriert, die Restaurierung preisgekrönt
Die Aussicht vom Kuppelraum des Treppenhauses auf das umgebende Sestiere San Marco, vor allem auf die Kuppeln von San Marco und Santo Stefano und diverse Campanili ist großartig. Und natürlich auch der Blick in die direkte Nachbarschaft, wie immer in Venedig indiskret in Innenhöfe und auf Dachterrassen. Man fragt sich schon, wie die BewohnerInnen mit dieser Preisgabe leben.


Canaletto; Campo dei Gesuiti, 18. JH.
In der Mitte das Ospedale und Oratorio dei Crociferi
Das Oratorio dei Crociferi geht zurück auf den Ritterorden der Kreuzträger oder Betlemitani, gegründet in Palästina im 12. JH im Zusammenhang mit den Kreuzzügen wie die Johanniter, Templer etc. Sie waren aktiv in der Pilgerbetreuung und später als Träger von Hospitälern, Alten- und Armenhäusern. Aufgehoben von Papst Alexander VII 1656. 
In Venedig standen 1150 Kirche und Kloster des Ordens, 1155 wurde zusätzlich eine Herberge mit Gebetsraum für Jerusalempilger errichtet. 100 Jahre später war Jerusalem wieder sarazenisch, der Pilgertourismus ging zurück, arme alte Frauen erhielten Heim und Betreuung bei den Crociferi. 


Palma Giovane: Der Doge Pasquale Cigogna besucht die Crociferi
(Kirche der Assunta und Klosterfassade des 16. JH im Hintergrund)
Zwei Dogen waren Förderer der Crociferi: Renier Zen und Pasquale Cigogna (mehr zu ihm in der italienischen Version), die großzügige Mittel zur Verfügung stellten und den Orden politisch nützten in den venezianischen Beziehungen zum Vatikan. Als Freunde und Sponsoren sind sie in der Komplettausmalung des Oratorio mehrfach dargestellt, und zwar vor den Fassaden von Kirche und Kloster des 16. JH. Bei den erforderlichen Renovierungen des gesamten Klosterkomplexes eben im 16. JH wurde Jacopo Palma Giovane mit dieser Ausmalung beauftragt und hat hier sein Meisterwerk abgeliefert. Der Raum ist vergleichsweise winzig, und beim Eintritt in die Pracht bleibt einem der Mund offen und die Luft weg. 
Ein Jahr nach der Auflösung des Ordens kauften 1657 die Jesuiten den gesamten Klosterkomplex und bauten die abgerissene Kirche der Assunta neu - die bombastische Jesuitenarchitektur, die wir heute auf dem Campo dei Jesuiti sehen. Gegenüber das Gebäude des Frauenwohnheims und des Oratorio hat weiter bescheidene Struktur, die sofort als Gegensatz ins Auge springt. 

Informationen:
Scala del Bovolo
Oratorio dei Crociferi

Die Website macht den Eindruck, man müsste online Eintrittskarten kaufen. Das ist nicht der Fall. Es gibt Kartenverkauf vor Ort, und viel mehr noch: sehr freundliches Personal, das gern auf Fragen eingeht. Im Falle des Oratorio dei Crociferi bei meinem Besuch sogar eine sehr kompetente junge Frau (Kunsthistorikerin?), die sehr detaillierte Fragen (auch einheimischer (!) Besucher) mit Geduld und großer Fachkenntnis beantwortete.

Einzeln kosten die Eintrittskarten je 5 €, wenn man weiss, dass man beide Gebäude besuchen will (Oratorio ist nur Freitag und Samstag geöffnet!) kostet ein Komplettticket nur 7 €. Sehr sehr empfehlenswert.



Ergänzung 21.4.:
Ein Korrespondent, gerade aus Venedig zurück, teilt mit, dass bei seinem Besuch der Scala del Bovolo der Zutritt nicht mehr allgemein, sondern in kleinen Gruppen im Rahmen einer Führung erlaubt war. Wartezeit ärgerlicherweise inklusive.
Eine weitere Korrespondentin, zur gleichen Zeit in Venedig, konnte normal nach dem Kartenkauf alleine und ohne Führung auf den Turm.
Also was? 
Für weitere Informationen in dieser Frage wäre ich dankbar via Kommentar oder Email.

Ergänzung 19.5.:
Ein weiterer Korrespondent meldet ungehinderten Besuch des Treppenturms. Danke dafür. Und berichtet auch ungeteilten Aufenthalt oben, während unten auf dem Campo Touristengruppen die Hälse renkten und entweder Kosten oder Zeit nicht aufwenden wollten. Das konnte ich auch beobachten. Und wundere mich immer, wie Menschen viel Geld ausgeben für Essen und Hotel und dann an den interessanten Angeboten der schönsten Stadt sparen wollen. Falsche Priorität aus meiner Sicht.


Ergänzung 2.7.:
Eröffnung der Sala Tintoretto! Seit gestern ist auch die Sala Tintoretto zugänglich, Eingang auf der ersten Etage der Scala del Bovolo. Hier stellen Fondazione Venezia und den Istituzioni di ricovero e di educazione Venezia, IRE Werke aus ihrer Sammlung der 1500-1700 JHe. Auch ein Entwurf des Werks "Paradiso" von Tintoretto, das an der Kopfseite des großen Ratssaals im Dogenpalast hängt. Im Preis enthalten, gleiche Öffnungszeiten wie die Scala del Bovolo. 


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5 Kommentare:

Angela hat gesagt…

Liebe Brigitte,
wieder einmal fantastische Tipps für Neues in Venedig!
Das hört sich sehr, sehr schön an, ich denke, das werden wir schaffen beim nächsten Besuch im Mai.
Herzlichen Dank dafür!
Liebe Grüße
Angela

Birgit hat gesagt…

Toll, endlich wieder offen. Freue mich schon sehr auf den Blick von da oben. Der ist ganz besonders. Und auf das Oratorio bin ich sehr gespannt. Das hatte noch NIE offen, wenn ich da war. Vielen Dank für den Hinweis.

Neuhold Maria hat gesagt…

Danke für diese erfreulichen Neuigkeiten vom allerbesten Venedig-blog den es gibt.
Schon in einer Woche können wir dieses wunderbare Bauwerk begehen, wir freuen uns.
Bleiben Sie gesund und aktiv, damit wir noch viele Ihrer wertvollen Tipps erhalten können - tausend Dank aus Tirol
Maria Neuhold

ebbonn hat gesagt…

Danke sehr und genießen Sie Ihre Zeit in Venedig!

Angela hat gesagt…

Liebe Brigitte,
die Scala haben wir aus Zeitgründen nicht mehr geschafft, wohl aber das Oratorio und wir waren hellauf begeistert und haben mindestens eine halbe Stunde dort verbracht. Gut gefallen hat uns auch das Cafè am Campo neben der Kirche, das wir noch nicht kannten und das sich bis in den schönen Kreuzgang ausdehnt. Ein sehr lohnendes Ziel, nochmals vielen Dank für den Hinweis!
(Leider zu spät gesehen hatte ich, dass die Scuola della Misericordia zugänglich ist - ein Grund für den nächsten Venedigbesuch!)

Herzliche Grüße
Angela