29. Juli 2016

Dogenpalast, 29.7., 8:45 Uhr...

Streikmorgen am Eingang des Palazzo Ducale
... und überraschenderweise ist das Portal noch zu. Davor die übliche Schlange und außerdem eine Menge ItalienerInnen, angespannte Stimmung. Tor geht auf und sofort steht eine Gruppe Frauen Schulter an Schulter auf der Schwelle, entschlossene Blicke Richtung Publikum, dahinter guckt die Security in Uniform etwas zögerlich aus der Palasttür.

Bei mir als Gewerkschaftsfrau fällt der Groschen umgehend, ich frage aber trotzdem vorsichtshalber: STREIK, auf italienisch sciopero! Heute und morgen. Der Dogenpalast bleibt 2 Tage zu. Es meldet sich aber auch eine Dame aus der 2. Reihe: das sei der Plan der streikenden GewerkschaftskollegInnen, aber mit einer reduzierten MitarbeiterInnengruppe würde dann doch etwas später geöffnet. Mit einem venezianischen Spezialausdruck belegt: eine Streikbrecherin.


4 römische Kaiser,
5 venezianische Damen neben der Porta della Carta vor ihrem Arbeitsplatz
Die MitarbeiterInnen des Dogenpalastes sind ja normalerweise sehr dienstlich im Dienst - auch ich habe mir schon Anschnauzer der Herren und Schnippischkeiten der Damen eingefangen - aber hier wird jede Frage freundlich und bereitwillig beantwortet. Alle Arbeitsverträge der städtischen Museen laufen zum Jahresende aus oder wurden gekündigt. Neue Verträge ab nächstem Jahr sollen jetzt verhandelt werden. Wie üblich geht es wohl darum, die Betriebskosten über die Personalkosten zu reduzieren. Und das ist mit Recht zu befürchten bei einem Bürgermeister Brugnaro, der eher kultur- und bildungsfern angelegt ist, dies schon öfters unter Beweis stellte und der als Boss einer Zeitarbeitsfirma in solchen Fragen erfahren sein dürfte. Die KollegInnen sehen ihre Arbeitplätze in Gefahr.

Auf der Piazzetta sammeln sich immer mehr von ihnen, in Freizeitkleidung und Sandalen, diskutierend wie in alten Zeiten die Mitglieder des Großen Rates vor den Sitzungen. Während ich mit ein paar Frauen an der Porta della Carta spreche, sehe ich schon die erste Wirkung des AufpasserInnenmangels: ein Päärchen in Shorts klettert über die Kette an der Scala dei Giganti und flitzt die Treppe hoch. Die streikenden Museumsfrauen auf der Piazzetta schreien dienstlich entrüstet auf, die Security drinnen reagieren und pfeifen auf den Fingern, rennen und holen die jungen Leute von der Treppe runter. 


Gruppe von Streikenden auf der Piazetta
Den Streik zu unterlaufen kommt für mich nicht in Frage, statt dessen nutze ich die Gelegenheit, mir die wunderbaren Details außen am Dogenpalast in Ruhe anzusehen: zum Beispiel die großartige Kapitelle, jede Säule hat ein anderes Dekorationsmotiv. 
Die Judenausstellung, auf die ich so gespannt bin, sehe ich mir dann übermorgen dann...

Viel Erfolg bei den Vertragsverhandlungen wünsche ich den Streikenden und ihrer Gewerkschaft.






Nachtrag 12.8.: möglicherweise gibt es einen weiteren Streiktag in den städtischen Museen am 16.8., also nach dem Feiertag Ferragosto. Was den Streikenden ein langes Wochenende beschert...

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