Die Isola di San Lazzaro degli Armeni...
...liegt zwischen Venedig um dem Lido und ist seit fast 300 Jahren die Heimat des Klosters der armenischen Mechitaristen.
Der armenische Orden wurde 1700 in Konstantinopel gegründet von Mechitar da Petra aus Sebaste. Die Armenier waren seit dem 14. Jahrhundert eine verfolgte Ethnie ohne Staat und eigenes Land und gründeten von Trapezunt über Kleinasien und die ägäischen Inseln bis zum griechischen Festland (und darüber hinaus) Gemeinden, oft Dörfer mit Namen wie Armeni oder Armenous, die man bis heute auf griechischen Karten findet.
In Konstantinopel erregte der Orden aufgrund seiner Sympathien für die Papstkirche das Mißtrauen der orthodoxen Kirche, konnte deshalb nicht bleiben und siedelte 1703 in die katholische, weil venezianische Stadt Modon an der Westküste der Peloponnes um. Modon war mit Koron die "Augen der Republik", beides sehr frequentierte Zwischenstopphäfen der europäischen Pilgerschiffe auf dem Weg von Venedig nach Jerusalem. (Über Modon, heute Methoni, und Koron, heute Koroni, wir noch Weiteres in diesem Blog zu erzählen sein.)
Die Mechitaristen in Modon engagierten sich als katholisch-armenisches Kloster in der Pilgerbetreuung, mussten aber ab 1714 wie die Venezianer flüchten, nachdem die Osmanen in der Ägäis Insel für Insel und auf der Peloponnes Hafen nach Hafen eroberten. Sie landeten letzendlich in Venedig und 1717 schenkte ihnen die Republik als unwiderruflichen Standort die Lazzaro-Insel, die zuvor wie mehrere andere Inseln der Pestquarantäne gedient hatte.
Die Führung übernimmt eine polyglotte klösterliche habitundsandalentragende Plaudertasche, die wie viele Guides mehr sich selber darstellt als das Kloster, seine Geschichte und Kultur.
z. B im Kreuzgang, in dessen offenem Quadrat meterhohe Rosensträucher und Rosmarine, die Dächer weit überragende Zedern und Palmen und weiteres mediterranes Gesträuch wachsen. In der Mitte steht ein steinerner Pozzo, überwuchert von einer Glyzinienpergola. Ich sitze zwischen den Säulen des Kreuzganges und vergesse, dass dies eine winzig kleine Insel ist, nicht viel mehr als diese Gebäudegruppe;
oder an der Installation des griechischen Künstlers Jannis Kounellis *1936, in einer Kammer, die direkt vom Kreuzgang abgeht: deckenhohe Regale prall gefüllt mit dicken Packen uralter verstaubt riechender Akten beschriftet mit kalligraphischen Zeilen armenischer Schrift, in den Zwischenräumen hängen Metallmobiles mit Kerzenbehältern. Nicht nur höflich die Nase durch die Tür stecken! Erst wenn man die Installation richtig betritt, wirkt der nicht unvertraute Eindruck von Enge, Muffigkeit und Sammelzwang in Verbindung mit dem schwebenden Metall...;
oder im Refektorium, dessen Wände mit dunklen geschnitzten Holzpanelen und großen Gemälden verkleidet sind, während der lange Esstisch für zehn Personen mit dickem altmodischem Steingutgeschirr und Silberbesteck gedeckt ist, das wahrscheinlich seit Gründung des Klosters in verwendet wird...;
oder in den langen Fluren mit verschlossenen Türen im Obergeschoss, deren Wände Rahmen an Rahmen Kunstwerke füllen, signiert mit Namen armenischer Maler (alle enden auf -ian) der letzen ca. 200 Jahre. Unglaubliche Schinken, wahrscheinlich mit bewegten Gefühlen hergestellt und mit freundlicher Verbundenheit aufgehängt, aus Höflichkeit nie entsorgt... aber ich sehe auch Bilder, die Melancholie übertragen, Farben in Spannung zu einander und Motive, die mich berühren.
Eine andere sinnliche Erfahrung bietet die weltweit reichste Bibliothek armenischer Schriften in einer eigens dafür gebauten Rotunde: wunderbare gemalte und verzierte Evangeliare in Glasvitrinen entlang der gewölbten Wände, angenehme Kühle durch eine die Bücherschätze behütende Klimaanlage und eine Echokammer-Akkustik unter der Kuppel der Rotunde.
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