1. April 2007

Cannaregio II


Gegen Abend verlief ich mich wieder ohne Führer in die entferntesten Quartiere der Stadt. Die hiesigen Brücken sind alle mit Treppen angelegt, damit Gondeln und auch wohl größere Schiffe bequem unter den Bogen hinfahren. Ich suchte mich in und aus diesem Labyrinthe zu finden, ohne irgend jemand zu fragen, mich abermals nur nach der Himmelsgegend richtend. Man entwirrt sich wohl endlich, aber es ist ein unglaubliches Gehecke ineinander, und meine Manier, sich recht sinnlich davon zu überzeugen, die beste. Auch habe ich mir bis an die letzte bewohnte Spitze der Einwohner Betragen, Lebensart, Sitte und Wesen gemerkt; in jedem Quartiere sind sie anders beschaffen. Du lieber Gott! was doch der Mensch für ein armes, gutes Tier ist!

Sehr viele Häuserchen stehen unmittelbar in den Kanälen, doch gibt es hie und da schön gepflasterte Steindämme, auf denen man zwischen Wasser, Kirchen und Palästen gar angenehm hin und wider spaziert. Lustig und erfreulich ist der lange Steindamm an der nördlichen Seite, von welchem die Inseln, besonders Murano, das Venedig im kleinen, geschaut werden. Die Lagunen dazwischen sind von vielen Gondeln belebt.

J. W. Goethe, Die Italienische Reise (1829) (www.textlog.de)



Fortsetzung vom 10.2.07

Wer durch die enge Calle del Fumo auf die Fondamente Nove zugeht, sieht spätestens an ihrer Verbreiterung zur Calle degli Buranelli den weiten Kanal und die schöne ockerfabene Mauer, die die Friedhofsinsel S. Michele umgeben.

Aber leider nicht zur Zeit, da genau dort der Bauzaun steht, der die Arbeiten zur Erhöhung der Fondamenta abschirmt.
Das Programm der Erhöhung der Ufer läuft schon seit geraumer Zeit. Das breite Südufer der Zattere im Stadtsechstel Dorsoduro, auch "ein schön gepflasterter Steindamm", beliebt als Flaniermeile und Sonnenbank, verschwand über Jahre hinter einem sich langsam verschiebenden Bauzaun, bis die Arbeiten endlich abgeschlossen waren. Man kann das als Einschränkung und ästhetische Irritation sehen, ich finde aber, die Gelegenheit solche Maßnahmen zu besichtigen sollte man unbedingt wahrnehmen, da sie sicher in absehbarer Zeit nicht wieder geboten werden wird.
Die Arbeiten dienen der Restaurierung und Konservierung der alten Uferbefestigungen, die vor allem durch den starken Motorbootverkehr und den damit verbundenen Wellengang notwendig wurden, aber eben auch der Erhöhung der Ufer um bis zu 30 cm als Schutz vor dem Hochwasser, das Venedig immer häufer trifft.
Da ich nicht vom Fach bin, stelle ich hier einige Fotos ein und empfehle ausdrücklich, sich die Sache von Nahem anzusehen. Sollte ein Leser die Fotos fachlich erklären können, bitte ich sehr darum (unter Kommentar).


Frühes Stadium der Maßnahme zur Renovierung und Erhöhung des Ufers,
Bohrgerät (??) zur Verlegung von Drainagen (??), im März 07 zwischen Vaporettostation und Ponte Doná, am Restaurant Algiubagió
(Im Hintergrund Friedhof San Michele)




Hinter der Ponte Doná:
Uferbefestigungsarbeiten sind fortgeschritten, mehrere neue Bootsanlegetreppen wurden gebaut. Drainage hält die Baustelle trocken
(Blick nach Westen, im Hintergrund Marina Sacca della Misericordia)




Restaustierung der Fondamenta ist weitgehend fertig, Baustelle ist noch abgeschottet, mit großer Drainage und kleinen Gemäuerdrainageschläuchen
(links Blick nach Osten entlang der ganzen Fondamenta bis zum Arsenale, rechts nähere Aufnahme der gleichen Stelle)


Gleichzeitig wird die Ponte Doná, die über den Rio dei Gesuiti zur Haltestelle der Linie Nord führt, restauriert und im Kern neu aufgebaut. Eine gute Gelegenheit, in das Innere einer venezianischen Brücke zu sehen und ihren Aufbau zu studieren. Ich fürchte, die Chance ist von kurzer Dauer, da der Aufbau im März 07 schon gut erkennbar ist und vermutlich die Arbeiten bis zum Beginn der Hauptsaison und damit der starken Frequentierung der Vaporettolinie in die
Laguna Nord und damit der Nutzung der Brücke vorangetrieben, wenn nicht sogar beendet werden sollen.


Restaurierung der Ponte Doná, (links
Richtung Westen, teils Grob- und teils Stufenaufbau, rechts Richtung Osten, Grobaufbau)


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