2. August 2008

Venedig - Palazzo Soranzo van Axel

Sicht von der Ponte dell'Herbe
Jahrelang habe ich mir vergeblich gewünscht, den Palazzo Soranzo van Axel durch sein wunderschönes hölzernes Eingangstor am Rio della Panada betreten zu dürfen. (Kunsthistorische und architekturwissen-
schaftliche Beschreibung auf der Seite von
Jan-Christoph Rößler.)

In J-C. R.s Liste de
r ehemaligen Besitzer des Palazzo finden sich Namen, die mir im Zusammenhang mit den früheren venezianischen Kolonien geläufig sind: Venier, "Herren" auf Kythira (http://gr07-ebb.blogspot.com/), Sanudo und Barozzi, "Herren" auf Naxos. Noch heute leben einige Barozzi, z. B. eine Psychiaterin, auf Naxos, die Familie war aber auch noch wesentlich auf Milos und Andros vertreten (http://gr08-ebb.blogspot.com/).
Wobei ich natürlich nicht weiss, ob die Soranzo-Nachfolger im Palast auch zu den Kolonisten-Zweigen der jeweiligen
Familien gehörten.
Ansicht der ersten Wasserseite von der Ponte della Panada. Dieses Wassertor führt in den ersten Innenhof (links)

Unten Ansicht der zweiten Wasserseite von der Ponte del Piovan o. d. Volto (hinter den beiden Booten).

Ich vermute, dass das zweite Wassertor ursprünglich zum Gebäudeteil um den zweiten Innenhof gehörte, zu dem es sich öffnet.






Das Glück traf mich überraschend: zur 52. Kunstbiennale wurde die zweite Etage vermietet für die Ausstellung von Mexiko!
(Dies ist, ich wiederhole mich, eine der wirklichen Vorzüge der Kunstbiennale von Venedig: sie
ist so groß, dass regelmäßig zusätzliche Räumlichkeiten angemietet werden müssen, die sonst dem Publikum verschlossen sind. Man hat auf diese Weise einmalige Gelegenheiten zur Besichtigung, auch wenn es z. T. nur einzelne Etagen sind, zu denen dann aber auch Eingangsbereiche, Androne, Treppenhäuser etc. gehören. Und für die Eigentümer ist es natürlich eine ordentliche Mieteinnahme, die sich z. B. für den Erhalt des Gebäudes rechnet.)



Vorderer Innenhof, mit komplettem Brunnensystem

Steht man vor dem Gebäude, wirkt die Sache etwas geheimnisvoll, da nur das (normalerweise immer geschlossene) schöne Tor gut zu sehen ist. Die Fassade, bzw. zwei Fassaden, da das Gebäude zwei Wasserseiten (und zwei Wasseeingänge) hat, sind nur von den drei nächstliegenden Brücken zu sehen. Am besten von der Ponte dell'Erbe mit Blick auf das Eingangstor, aber auch von den beiden Brücken die man vom Campo S. Maria Nova zum Campo Zanipolo überquert, sieht man jeweils eine der beiden Fassaden.

Vorderer Innenhof, zweistöckige Treppe und Wandschmuck

Der erste Eindruck beim Betreten des Gebäudes ist atemberaubend: ein mittelalterlich wirkender Innenhof erinnert mich an eine Kernburg, mit steiler Aussentreppe über zwei Etagen, einem Brunnen und Wirtschaftsräumen im Parterre. Der Hof ist schön gestaltet mit Statuen und Pflanzen, die Wände mit alten Patere (byzantinischen Schmuckscheiben), die ich auch von alten Gebäuden auf den ägäischen Inseln kenne, und die sich noch an vielen Häusern in Venedig finden.
Der Rundgang der Ausstellung führt über den ersten Innenhof, dann tunnelartig und dunkel entlang der Räume, die an die beiden Kanäle grenzen, in den zweiten, sehr kleinen Innenhof. (Beachtenswert die unterschiedlichen Pflasterungen der beiden Innenhöfe - vorne Trachit, der 'moderne', hinten Backstein, der 'alte' - vermute ich ich jedenfalls.)

Hinterer Innenhof mit Treppe und Backsteinpflaster

Ein verschlossenes Tor führt auf den Vorplatz der Miracoli-Kirche und eine noch schönere Treppe in die erste Etage. Hier hat man von einem kleinen "Balkon" auf dem Treppenabsatz einen guten Blick auf das Dach der Miracoli.

Es gibt auch hier einen wunderschönen Brunnen, aber offensichtlich ohne unterirdische Zisterne wie beim Brunnen im ersten Innenhof, bei dem die Sammellöcher des Brunnensystems und die weißen
quadratischen Markierungen sichtbar sind. Ob hier es hier eine Verbindung zur Zisterne im anderen Hof gibt, oder es sich nur um einen dekorativen Pozzo ohne Funktion handelt, weiss ich nicht (ich habe nicht hinein gesehen).

Weiter geht der Rundgang nun innerhalb des Hauses durch schlicht weiss gestrichene enge Flure um einige Ecken herum und an einigen verhängten, privaten (leider!) Türen vorbei hinaus auf den Treppenabsatz des ersten Innenhofes zurück, und bietet einen wunderschönen Blick von oben.







Hinterer Innenhof, Treppenabsatz mit kleinem Balkon und Blick auf das Dach der Miracoli-Kirche

Die Ausstellung fand in den
Räumen im Piano Nobile der zweiten Etage statt.
Die Räume si
nd alle stark abgedunktelt, zu erkennen sind aber schöne Türrahmen, sehr große Kamine und die venedigtypischen alten Terazzofussböden.

Die Anordnung der Räume ist völlig untypisch (also nicht ein langer Portego in der Mitte, von dem rechts und links kl
einere Räume abgehen), entsprechend dem ungewöhnlichen Grundriss "um die Ecke gebaut" des Palazzo. Der einzige Raum mit unverhängten Fenstern ist der kleine Raum im Turm über dem Eingangstor, von dem man einen schönen Blick über die Gebäude des ehemaligen Klosters von Santa Maria dei Miracoli einerseits und auf den Rio della Panada und die Ponte dell'Erbe und den Palazzo Pisani Santa Maria hat.
Auch in diesem kleinen Raum gibt es einen großen Kamin und eine Art Becken an der Wand, dessen Funktion mir nicht klar ist.
Treppe im vorderen Innenhof, rechts weiterführend in den 2. Piano Nobile
Die Ausstellung von Mexico des Künstlers Hemmer hat mir übrigens sehr sehr gut gefallen, eine toll konzipierte, technisch sehr gut gemachte computergestützte
"Mitmach"-Kunst, die ich erfrischend und witzig, aber gleichzeitig teilweise auch etwas geheimnisvoll und geisterhaft fand (auf den Fussboden projizierte 'schlafende' Menschen, die plötzlich Blickkontakt aufnehmen und aktiv werden, sobald der Schatten eines Beobachters auf sie fällt; oder das große Auge, das meinen Bewegungen folgt und sich schließt, wenn ich still stehe...).
Kleiner Raum über dem Portal, "Becken" ; Blick zum Canal und Palazzo Pisani S. Maria

Möglicherweise war die Biennale die einzige Möglichkeit, den Palazzo zu besuchen, denn er wird im Internet zum Verkauf annonciert:

...The same agents are handling the sale of the extraordinary 15th-century Palazzo Soranzo Van Axel, one of Venice's most important Gothic houses, which has changed hands only six times in its 600-year-history. Built over a pre-existing Byzantine building, the Palazzo Soranzo Van Axel stands alongside the church of the
Miracoli, with its own private water entrance on the Rio di San Canciano. The palazzo, which surrounds a main central courtyard with a central well and two exterior Gothic staircases, has two splendid façades with characteristic Gothic windows, two internal courtyards and an entrance door unique in Venice, with its original wood carving and 15th-century door knocker.

Originally built for the Gradenigo family, the palazzo was bought in 1473 by Nicolò Soranzo, the Procurator of St Mark's, whose family lived there for almost two centuries. In the 16th and 17th centuries, it was owned by the Venier and Sanudo families until in 1627, it was bought by the Van Axel family, wealthy textile merchants from Ghent, who became Venetian patriarchs in 1665. It remained the Van Axels' family home until 1920, when the antiquarian Conte Dino Barozzi bought and restored it, filling the house with magnificent, mainly 15th-century, furniture and paintings. It has been the home of the present owners since the mid-1950s.
Conscious of the palazzo's historical and architectural importance, the owners want to pass it on to individuals or organizations who are capable of sustaining it, and are offering the vast, 2,900sq m (31,000sq ft) palazzo either as a whole, or as three separate apartments-two piano-nobile floors and a top-floor penthouse. The first piano nobile measures 425sq m, the second, 565sq m and the third-floor penthouse, 735sq m. The asking price for the whole is €16 million.
Vielleicht ist er mittlerweile ja auch bereits verkauft. Hoffentlich an einen neuen Besitzer, der eine Miteinnahme alle zwei Jahre gut gebrauchen kann.

(Der etwas alberne Disney-Film "Casanova" (2005), über den die Venezianer, die ich kenne, sehr gegackert haben, spielt zum Teil im vorderen Innenhof des Palazzo Soranzo van Axel. In der Fechtszene kann man den Hof bewundern.
Und, nebenbei, in der Nonnen-Szene zu Beginn den Zellentrakt und die Longhena-Treppe des Palladio-Benediktinerklosters San Giorgio Maggiore.):









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