20. Dezember 2009

Stockfisch in Venedig


Vor der Latteria Ortiz, einem Lebensmittel-
geschäft, das in besseren Zeiten wohl Milch- und Käseprodukte verkauft hat, in der Salizzada S. Giustina in Castello, schräg gegenüber dem Landportal des
Palazzo Contarini, steht ein Holzfass mit eingeweichtem Stockfisch. Bacalà. Darauf drei Fotokopien, beschwert mit einem faustgroßen Kiesel, zum Mitnehmen: "El bacalà de' venessiani".

Und damit nach 30 Jahren die Antwort auf die Frage: wie kommt skandinavischer Stockfisch nach Kreta und WARUM?


In Schweden habe ich Stockfisch schätzen und zubereiten gelernt, mit all dem Aufwand von tagelangem Wässern, bis das Fischbrettchen die richtige Konsistenz hat.
In meiner Zeit in der venezianischen Stadt Rethymnon (venezianisch Retimo) auf Kreta war mir ein Rätsel, wieso die Kreter skandinavischen Stockfisch importieren, wo das Meer vor der Haustür liegt und die Fischer sogar an guten Tagen im Winter arbeiten können. Die knochentrockenen, grau-schwärzlichen Fischbrettchen liegen in Säcken auf dem Fussboden der Läden der Marktstrasse hinter der Megali Porta, und das war schon immer so, keine Frage.

Vor einigen Jahren habe ich überrascht festgestellt, dass das Athener Traditionsessen des griechischen Nationalfeiertags, 25. März, Stockfisch mit Skordaliá (geknoblauchtes Kartoffelpüree) ist. Ganz Athen geht nach der Militärparade Stockfisch essen (zu viel Aufwand, selber zu kochen), alle Tavernen und Restaurants bereiten ihn zu. Seit wann? Tja, schon immer...

Der Zettel von Ortiz sagt, dass bereits Ende des 13. Jahrhunderts Nicolò und Antonio Zeno die Färöer und Grönland erreichten. Dass 1431 die "Gemma Quirina" unter dem Kommando von Pietro Querini von Candia (dem heutigen Iraklion) zu den reichen Märkten in Flandern ablegte, aber dort nie ankam. Stürme und eine Havarie führten sie zu den Lofoten am Polarkreis, wo die Schiffbrüchigen von den Einheimischen gerettet und mit dem Konservieren großer Fische bekannt gemacht wurden. Die gesäuberten Fische wurden auf dem Schnee getrocknet und blieben viele Monate genießbar, und als die Schiffbrüchigen nach Kreta zurück kehrten, nahmen sie 60 "Stockafissi" mit. Der Nutzen der Haltbarkeit und Transportfähigkeit dieser Speise (für die venezianische Seefahrt und die Versorgung der Kolonien) wurde sofort vom Sekretär des Bischofs Lorenzo Giustinian erkannt, auch für abgelegene Klöster und die Fastenzeiten guter Christen erwies sich Stockfisch als perfekt geeignet.
Bis heute exportieren die Lofoten 2/3 ihrer Stockfischproduktion nach Italien, 50% davon werden im Veneto konsumiert. Wobei es sich beim venetischen Stockfisch um luftgetrockneten Kabeljau handelt, während der Rest Italiens salzgetrockneten Stockfisch isst.

Bacalà-Fässer bei Ortiz, ein Stück eingeweichten Stockfischs unter dem Glasschutz
In Griechenland heißt der Stockfisch Bakaliáro, in Venedig bacalà, die spanisch/ portugiesi-
schen Versionen hören sich ähnlich an, der deutsche Kabeljau dürfte ein Buchstabendreher sein. Wie auch vielleicht die Fondamenta del Baccalà bei San Gregorio, "die zwar nach den ehemaligen Lagern dieses Trockenfisches
aus Übersee" (laut Francesco Berlan) benannt wurden, aber auf älteren Plänen nach einer Familie 'Cabalà' hiess.

Wie die Kreter sind die Venezianer beim Stockfisch geblieben, in den Bars findet man unter den Cicchetti pürierten Stockfisch, ebenso wie an den Salattheken der Supermärkte (naja...).


2001 wurde die
Dogale Bruderschaft des Bacalà gegründet, deren Vorsitzender niemand Geringerer als der Historiker und Autor Alvise Zorzi ist und die die Stockfischtradition pflegt und hoch hält.

Rezept Baccalà alla vicentina
Rezept Porree und Baccalà


Ergänzung 27.11.2015
Neu zum Thema Stockfisch auf der Website Venezia Unica:

La vera storia del “Bacalà Mantecato”

Il capitano, armatore e abile mercante veneziano Pietro Querini, salpò dall’isola di Candia (l’attuale Creta) nel 1431, con centinaia di barili di vino Malvasia da piazzare sui mercati delle Fiandre. Navigò per il Mediterraneo, altrepassò Gibilterra e fece rotta verso le città della Lega Anseatica del Nord Europa, ma una improvvisa tempesta disalberò la nave e ruppe il timone. Così l’equipaggio veneziano restò per settimane fuori dalla rotta, in balia del mare che uccise quasi tutti i marinai. I pochi superstiti, tra cui Pietro Querini, oltrepassarono il Circolo Polare Artico e andarono a naufragare definitivamente sugli scogli dell’arcipelago norvegese delle Isole Lofoten: “in culo mundi”, come ebbe occasione di annotare sul diario di bordo il nostro Capitano. I naufraghi furono accolti e ospitati benevolmente per quattro mesi dagli isolani, che erano pescatori dalle strane abitudini nordiche. Agli occhi dei veneziani del XV secolo, un poco bigotti diremmo oggi, quelle genti apparivano ingenue, senza alcuna malizia si coricavano nudi e usavano fare il bagno caldo tutti assieme, uomini e donne. Sicuramente al "sole di mezzanotte" i nostri naufraghi si diedero da fare, così è facile capire come mai, ancora oggi, c’è chi sostiene che le caratteristiche somatiche degli abitanti delle Isole Lofoten siano, per così dire, più “latine”. (Qualche anno fa ho avuto la fortuna di fare un viaggio molto bello proprio lì e, a onor del vero, devo dire che gli abitanti delle Isole Lofoten e Vesteralen mi sono sembrati come tutti gli altri norvegesi!). A parte la bellezza delle donne, quello che colpì maggiormente Pietro Querini fu il modo di conservare i merluzzi pescati, li definisce “stocfissi” e nel suo diario annota: "… quando si vogliono mangiare li battono con il rovescio della mannara, che li fa diventar sfilati come nervi, poi compongono butirro e specie per dargli sapore..."
Anche il viaggio di ritorno fu avventuroso, ma per fortuna i nostri eroi arrivarono a Venezia con qualche campione di quel pesce seccato all’aria e al sole. A dire il vero, i primi giudizi dei nobili palati veneziani non furono particolarmente positivi: pareva un cibo plebeo, non all’altezza della Serenisima. Poi però il Concilio di Trento della metà del ‘500, stabilì che quel pesce potesse andare proprio bene per i giorni di astinenza dalla carne e fu un successo. Lo “stoccafisso” (da stokkfisk o dall’antico olandese stocvisch, ovvero "pesce bastone"), è simile al baccalà ma si differenzia nel tipo di conservazione e ha un sapore marcatamente diverso: ciò nonostante, vai a sapere il perché, a Venezia lo stoccafisso assume il nome di “bacalà” (si pronuncia senza la doppia).

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2 Kommentare:

Aldebaran hat gesagt…

Hallo,
toller Artikel, ich hatte mich schon immer gefragt, worin der Zusammenhang zwischen Venedig und Stockfisch besteht. Guter Artikel. Vielen Dank.
Übrigens: wie von Ihenen bereits bemerkt gibt es Baccala ja auch in Katalonien, speziell in Barcelona. Es gibt überhaupt viele Ähnlichkeiten Barcelona/Venedig, also den Stockfisch, das Arsenal, von dem die Barcelonesen behaupten, es sei größer und leistungsfähiger gewesen als das venezinaische. Ich habs angesehen und glaube es nicht. El Greco war nach seiner Zeit in Venedig auch in Barcelona. Weitere Bilder von venezianischen Malern. Viel Gotik in Barcelona, völlig anders als in Venedig, viel schwerer. Handel, Seefahrt usw. hatten ein ähnliche Bedeutung. Die Sprachen haben viele Ähnlichkeiten, beide mit dem Provencalischen. Nur so als Bemerkung nebenbei.

B. Eckert hat gesagt…

Hallo Aldebaran,

danke für den Kommentar!
Zum spannenden Thema Sprache möchte ich noch hinzufügen: ich habe gelesen, dass venetan, die venetische Sprache (nicht Dialekt!) mehr Parallelen zu katalan, occitan und provencalisch hat als zum heutigen Italienisch.
(Weshalb mich nicht wundert, dass ich z. B. in Castello kaum ein Wort verstehe, wenn die Nachbarn reden.)

Es gibt eine interessante Website: http://www.orbilat.com/Languages/Venetan/