Vogalonga, alles rudert...
...und die Unsportlichen stehen am Ufer und machen Bilder. Ich auch, eher ungeplant zum Vogalongatermin am 27.5. passend in der Stadt. Ein glücklicher Zufall.
Die Einstimmung auf das Ereignis findet schon um 8 Uhr morgens an der Vaporettohaltestelle Orto statt, als ein Drachenboot auf dem Weg zum Start im Bacino um 9 durchfährt. Die ältere Venezianerin, die mit mir wartet, gerät bei seinem Anblick aus dem Häuschen wie eine Kölnerin an Weiberfastnacht um 11:11, und hört nicht mehr auf ihre wunderbare Stadt zu bejubeln bis das Vaporetto kommt.
Eine junge Venezianerin in rot-weißen Vereinsfarben springt noch mit aufs Boot, wir fahren beide 3 Stationen bis Celestia. Ich um von dort zu Fuß an der schmalsten Stelle der Stadt in ein paar Minuten vom Nordufer ans Bacino zu kommen, sie um mit ihrem Club von San Francesco, Clubhaus in der äußersten nordwestlichen Ecke innerhalb der Arsenalmauern, zur Vogalonga anzutreten. Sie rät mir, nicht am Canal Grande, sondern unbedingt am Canale di Cannaregio das Ende der Regatta erwarten, gegen Mittag wenn die Boote eintreffen. Und ja, es gehe bei der Vogalonga ums Dabeisein, nicht ums Gewinnen, trotzdem versuchten die venezianischen TeilnehmerInnen, möglichst als Erste anzukommen, weniger aus Ehrgeiz als aus Zeitersparnis... was ich vier Stunden später begreifen soll.
Wir passieren das blumen- und fahnengeschmückte Bootshaus des hellbau-weißen Ruderclubs der Querini zwischen Ospedale und Celestia, Hochstimmung dort, Boote werden zu Wasser gelassen, sie haben es nicht weit zum Bacino durch den Rio S. Lorenzo. Ein schöner erster Akt der Vogalonga, ich freue mich.
Wir passieren das blumen- und fahnengeschmückte Bootshaus des hellbau-weißen Ruderclubs der Querini zwischen Ospedale und Celestia, Hochstimmung dort, Boote werden zu Wasser gelassen, sie haben es nicht weit zum Bacino durch den Rio S. Lorenzo. Ein schöner erster Akt der Vogalonga, ich freue mich.
Das Becken ist kurz vor 9 Uhr voller Boote, ca. 1800 Boote sind angemeldet, heißt ca. 7200 RuderInnen, davon fast 4000 aus dem Ausland (und entsprechend ist der Büroverkehr in der Anmeldestelle im Obergeschoß des Fischmarktes am Rialto bis zum Samstag).
Man glaubt nicht, wie viele Arten von zu rudernden Booten es gibt, unterschiedliche Weisen zu rudern und zu steuern, Besatzungsstärken von Einern bis zu über 10 Leuten auf einem Boot, Besatzungen die wie aufs Boot gequetscht wirken trotz breitbehäbigem Bau, Besatzungen, die jede Arm- und Beinfreiheit haben aber auf einem Lineal zu sitzen scheinen; und dann die vielen EinzelruderInnen, die Wasserflaschen und Obst rund um ihren Sitz befestigt haben, einer sogar eine Kamera auf der Stirn.
Und natürlich die venezianische Armada der Ruderclubs mit diversen Lagunenbooten, und die Gondeln, die mir zum ersten Mal nicht elegant, sondern riesig und schwer vorkommen, gerudert von nur einer Person, im Vergleich zu den schmalen leichten Pfeilen mit 4 oder 8 Leuten Besatzung. Ich sehe beeindruckend viele alte RuderInnen, vor allem bei den Einern, ein Sport, den man bis ins hohe Alter und als EinzelgängerIn nach persönlichen Wünschen ausüben und gestalten kann.
Und natürlich die venezianische Armada der Ruderclubs mit diversen Lagunenbooten, und die Gondeln, die mir zum ersten Mal nicht elegant, sondern riesig und schwer vorkommen, gerudert von nur einer Person, im Vergleich zu den schmalen leichten Pfeilen mit 4 oder 8 Leuten Besatzung. Ich sehe beeindruckend viele alte RuderInnen, vor allem bei den Einern, ein Sport, den man bis ins hohe Alter und als EinzelgängerIn nach persönlichen Wünschen ausüben und gestalten kann.
Um 9 Uhr höre ich aus Richtung der Piazzetta sehr leise, denn ich stehe auf Höhe von S. Giovanni in Bragora, die San Marco-Hymne, beim letzten Akkord kommt der Kanonenschuss zum Start von der Insel S. Giorgio Maggiore. Die GLocken von San Marco läuten. Die riesige Menge von Booten und Menschen bewegt sich zügig aber ohne jede Hektik, vielstimmig übers Wasser rufend aber ohne Lärm nach links Richtung S. Elena. Trotz der enormen Wasserfläche des Bacino dauert es gut 15 Minuten bis alle Boote raus sind, abgesehen von nachziehenden Individualisten in nicht geringen Mengen. Aber es geht ja nicht ums Gewinnen!
Ein schöner und erhebender zweiter Akt der Vogalonga, wunderbarer Anblick des Beckens voller Boote, beeindruckende Ausstrahlung der SportlerInnen an Land und zu Wasser in meiner Nähe in Erwartung des Starts.
Drei Stunden später treffe ich am Canale di Cannaregio zwischen den Brücken Guglie und Tre Archi ein, jetzt ist der Lärm schon von weitem zu hören, die ersten Boote sind bereits durch, der Jubel der ZuschauerInnen am Ufer und an den Tischen der Ufertrattorien, auf Brücken, an den Fenstern ist groß. Die RuderInnen strahlen unterschiedliche Pegel von Adrenalin, manche auch Erschöpfung aus, die Begeisterung teilen sich alle. Die VenezianerInnen werden per Namen oder Namen des Ruderclubs begrüßt und Fremde werden bewußt herzlich in den Empfang einbezogen, sind teilweise ganz überrascht vom Begeisterungstaumel der venezianschen ZuschauerInnen. Um 12 Uhr läuten die Kirchenglocken, wie beim Start. Die Sache hat sehr viel von Karneval, "dr Zoch kütt" und jeder ist dabei. Eine französische Universtiätscrew singt die Marseillaise, die Ruderer des hellblau-weißen Clubs der Querini grüßen mit erhobenen Rudern.
Weitere Videos:
http://youtu.be/VCqhBxi_b78
http://youtu.be/42z03nAQh9o
http://youtu.be/Z3OwoyXwMck
http://youtu.be/SUvYownbGB0
Nach kurzer Zeit wird die Folge der einlaufenden Boote immer spärlicher statt dichter wie zu erwarten und es scheint sich etwas zu tun an der Tre Archi, ich gehe nachsehen und finde den Stau des Jahres (vermutlich jeden Jahres): 1800 Boote kommen leicht aus dem großen Bacino raus, aber nur schwer durch einen Kanal, geschweige denn eine dreibogige Brücke wieder rein.
http://youtu.be/8NPl3nCmg6c
Vor allem, wenn die beiden Seitenbögen entgegen der polizeilichen Tagesordnung durch die Boote von Anwohnerparkern versperrt sind.
Weitere Videos:
http://youtu.be/VCqhBxi_b78
http://youtu.be/42z03nAQh9o
http://youtu.be/Z3OwoyXwMck
http://youtu.be/SUvYownbGB0
Nach kurzer Zeit wird die Folge der einlaufenden Boote immer spärlicher statt dichter wie zu erwarten und es scheint sich etwas zu tun an der Tre Archi, ich gehe nachsehen und finde den Stau des Jahres (vermutlich jeden Jahres): 1800 Boote kommen leicht aus dem großen Bacino raus, aber nur schwer durch einen Kanal, geschweige denn eine dreibogige Brücke wieder rein.
http://youtu.be/8NPl3nCmg6c
Vor allem, wenn die beiden Seitenbögen entgegen der polizeilichen Tagesordnung durch die Boote von Anwohnerparkern versperrt sind.
Und hier zeigt sich die eigentliche sportliche Herausforderung der Vogalonga: sich so zu verhalten, dass nicht nur das eigene Ziel erreicht wird, sondern in höchstmöglichem Maße um-, vor-, nach-, weit-, rück- und voraussichtig, dass man auch keine anderen RuderInnen daran hindert.
Ich wundere mich immer noch, dass sich das Chaos nach und nach lichtete. Ich saß auf der Bank der Haltestelle Tre Archi bis 14:30 und durfte ehrlich staunend eine hochkonzentrierte Demonstration menschlichen Sozialverhaltens beobachten.
Von arroganten, autoritären und sogar tückischen Aktionen über Freundlichkeit, Ruhe, Zurückhaltung und gegenseitiger Unterstützung und Hilfsbereitschaft bis hin zu herausragenden Situationen in denen RuderInnen ihre eigenen Interessen zurückstellten um andere zu ermuntern, voranzubringen, Konflikte zu lösen, Stimmung und Humor hochzuhalten und sich und anderen die Freude an diesem Erlebnis nicht kaputt machen zu lassen. Manche halfen sich einfach selbst "Kommt, mir trinket erschd oiner, da vorne isch Kadaschdrofe pur..." , andere waren der Verzeiflung nahe. Vor allem junge Teamruderinnen, die sicher gute Sportlerinnen und von der Strecke nicht überfordert sind, waren es von dieser Ausnahmesituation. Kopflosigkeit und Stress verstärken sich offensichtlich, wenn man gegen die Fahrtrichtung sitzt. Es gab hervorragende Steuermänner/frauen, die ihr Team mit Überblick und sehr präzisen Befehlen dirigierten, und stauunerfahrene Steuerleute, die ihr Boot gnadenlos ins dickste Knäuel schoben.
Von arroganten, autoritären und sogar tückischen Aktionen über Freundlichkeit, Ruhe, Zurückhaltung und gegenseitiger Unterstützung und Hilfsbereitschaft bis hin zu herausragenden Situationen in denen RuderInnen ihre eigenen Interessen zurückstellten um andere zu ermuntern, voranzubringen, Konflikte zu lösen, Stimmung und Humor hochzuhalten und sich und anderen die Freude an diesem Erlebnis nicht kaputt machen zu lassen. Manche halfen sich einfach selbst "Kommt, mir trinket erschd oiner, da vorne isch Kadaschdrofe pur..." , andere waren der Verzeiflung nahe. Vor allem junge Teamruderinnen, die sicher gute Sportlerinnen und von der Strecke nicht überfordert sind, waren es von dieser Ausnahmesituation. Kopflosigkeit und Stress verstärken sich offensichtlich, wenn man gegen die Fahrtrichtung sitzt. Es gab hervorragende Steuermänner/frauen, die ihr Team mit Überblick und sehr präzisen Befehlen dirigierten, und stauunerfahrene Steuerleute, die ihr Boot gnadenlos ins dickste Knäuel schoben.
Für ZuschauerInnen wie mich, die in dieser Situation ohne schlechtes Gewissen beim besten Willen nicht helfen können, eine hochinteressante Beobachtungssituation, die auch um 14:30 noch nicht aufgelöst war, deren Ende sich aber abzeichnete, weil der Zulauf zum Stau immer geringer wurde. Ein schöner, fröhlicher aber auch schwieriger dritter Akt der Vogalonga.
Und ich habe verstanden, warum die venezianischen TeilnehmerInnen als erste durch den Canale di Cannaregio wollen: vor dem Stau ankommen und rechtzeitig zum Mittagessen.
Und ich habe verstanden, warum die venezianischen TeilnehmerInnen als erste durch den Canale di Cannaregio wollen: vor dem Stau ankommen und rechtzeitig zum Mittagessen.
Unter diesem Link gibt es weitere Details und einen stimmungsvollen Zusammenschnitt von Eindrücken der Vogalonga 2012: http://www.vogalonga.it/
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3 Kommentare:
Hallo Brigitte, vielen Dank für die tolle Berichterstattung von der Vogalonga. Und die vielen Tipps und Anmerkungen dazu.
Gruß
Aldebaran
Hallo Brigitte,
da versteht man dann, warum die Venezianer im Stehen rudern und dabei nach vorne schauen. Durch das steil geführte Ruder braucht man viel weniger Platz und man kann leichter rangieren (auch deshalb die offene Ruderhalterung). Nur so kann man auch in ganz schmalen Kanälen rudern.
Die Skuller sollten sich kleine Padel zum manövreieren mitnehmen.
sciao vostro, Andreas
Hallo,
ich habe mit Interesse diesen Artikel zur Vogalonga gelesen.
Wir haben vor kurzer Zeit eine deutschsprachige Webseite zur Vogalonga erstellt (www.vogalonga.eu) und würden uns freuen, wenn Sie in Ihrem Beitrag auf diese Seite verlinken könnten.
Auf www.vogalonga.eu werden neben allen wichtigen Informationen zur Anreise, Anmeldung und Teilnahmebedingungen u.a. auch Campingplätze vorgestellt und die Möglichkeit geboten, diese zu bewerten. Darüber hinaus gibt es ein eigenes Forum, in dem sich Fans, Interessierte und Teilnehmer austauschen und ihre Reise nach Venedig gemeinsam planen können.
Vielen Dank und herzliche Grüße!
Ihr vogalonga.eu Team
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