Beginnen wir das Jahr...
... mit einer kleinen, aber besonderen Bootsfahrt. Wir sind unterwegs wie immer begleitet von jungen venezianischen Musikern und wie immer in einem traditionellen Lagunenboot. Die Gegend ist verkehrsarm - keine Taxis, schon gar keine Gondeln, entlang der Arsenalemauern herrscht Ruhe und rechter Hand dahinter, zu gegebener Zeit, Biennalegewimmel.
Das Boot fährt den Rio delle Verzene (Vergini) entlang und biegt nach links in den Rio di San Daniele ein. Die "Vergini" eigentlich "Vergini di Santa Maria Nascente di Castello", war eines der ältesten Frauenklöster Venedigs, gegründet zu Beginn des 13. JH..
Eines der Klöster wie San Zaccharia, San Lorenzo, La Celestia, in denen reiche und mächtige Familien ihre Töchter standesgemäß vergoldet abstellten - von Verheiratung und Erbschaft ausgeschlossen. Die Äbtissinen der Vergini waren Töchter, Nichten und Schwestern von Dogen, Prokuratoren, Senatoren: Badoer, Contarini, Donà, Gradenigo, Grimani, Malipiero, Querini um nur einige zu nennen. Die Reputation des Konvents war entsprechend hoch angesiedelt und er stand von Beginn unter der persönlichen Schirmherrschaft des Dogen. Und wenn auch die Praxis der lockeren Sitten trotz patriachaler und päpstlicher Interventionen nicht in den Griff zu kriegen war, die Fassade stand bis zum Ende der Republik 1797, inklusive eines rituellen Pflichtbesuchs jährlich am 1. Mai mit venezianischem Pomp und Bootskonvoi.
Die Insel der Vergini mit Kirche und Klostergebäuden zwischen Arsenale und Insel S. Pietro |
Von Kirche und Kloster standen bis 1807 nicht nur die Fassaden, sondern alle Gebäude (siehe Nr. 72 auf dem Stich oben) der Klosterinsel, als sie der Marine zugeeignet wurden. Ab Februar 1809 wurden Kirche und Kloster als "bagno penale", sprich militärisches Gefängnis genutzt, der "barco", die Empore der Nonnen über dem Eingangsbereich der Kirche, als Isolier- und Krankenstation für die Gefangenen. Ab 1822 wurden erste Teile des Chors abgerissen, zwischen 1844 und 1869 alle Gebäude komplett niedergemacht und danach ein Trockendeck installiert.
Absolut nichts ist erhalten vom ehemaligen Reichtum dieser kleinen Insel. 2001 fand man bei Arbeiten zum Hochwasserschutz die Reste eines Wassertors des Klosters in ca. 1 m Tiefe unter dem jetzigen Ufer, die archäologischen Arbeiten wurden von Archeosub dokumentiert.
Das an dieser Stelle einzige erhaltene Relikt der Vergini sieht man kaum vom ponte dei pensieri, sondern eben nur vom Wasser aus, zu Beginn der Bootsfahrt (noch mal in den Film reinschaun!) an der langen Mauer rechts, hinter der der heutige "Garten der Vergini" liegt: der obere Teil des ehemaligen Haupteingangs des Konvents, ein gotischer Bogen mit der Madonna, S. Marco und S. Agostino. Er enthält die Inschrift
(Wer sich für das Thema venezianischer Frauenklöster interessiert, dem/der sei, wiederholt, das Buch von Mary Laven " Die Jungfrauen von Venedig. Gebrochene Gelübde - das wahre Leben hinter Klostermauern" dringend empfohlen. Supergünstig bei Fröhlich und Kaufmann. Der Titel kling grausam kitschig, das Buch ISSESABERNICH!)
Die Kunstwerke der Vergini sind, wir kennen das, nah und weit weg gelandet. Alvise Zorzi beschreibt die prächtigen Gebäude und die ehemals vorhandenen Kunstschätze und beklagt die Verluste so sehr, dass mich beim Lesen in seinem Werk "Venezia Scomparsa", immer die Wut packt. Auch ein "museo di Berlino" besitzt unter der Nr. 1154 ein Werk Alvise Vivarinis, eine 'Santa Maria Maddalena, von Engeln in den Himmeln getragen und eine anbetetende Priorin'.
Einiges jedoch ist in Venedig erhalten - eine ganze Reihe von Grabsteinen und Grabdenkmälern im Seminario Patriacale; die 8 kleinen Bilder in S. Alvise aus der Schule von Lazzaro Bastiani, aber von Ruskin witzigerweise als Jugendwerke von Carpaccio interpretiert; ein schönes Pietà-Altarrelief mit Engeln von Giammaria Mosca ca. 1525, in der Kappelle des Gästehauses Cardinal Piazza.
Andere Werke wurden dokumentiert, sind aber auf weiteren Umwegen irgendwann gänzlich verschwunden.
Giammaria Mosca, Altarrelief im Gästehaus Cardinal Piazza |
Nach ihrer militärischen Nutzung als Gefängnis und Trockendock gab es lange keine Verwendung für die Insel der Vergini am östlichen Ausgang des Arsenale. Die Biennale, die sich im Arsenale immer weiter ausbreitet, Gebäude renoviert und friedlicher Nutzung zuführt, nahm sich des Geländes an und ließ es gärtnerisch gestalten aber die wenigen bunkerähnlichen Gebäude erhalten. Ein wunderbares Beispiel zeitgenössischer Gartenplanung, ein Ensemble blühender Sträucher und Stauden, sehr alter Bäume, Wildwuchs, Mauerruinen und zu Ausstellungsräumen konvertierter Militärhütten. Für die Biennale sind die heutigen Giardini delle Vergini ein Glücksfall und für die Stadt Venedig sowieso. Ein Teil des Gartens ist öffentlich, unabhängig von der Biennale erreichbar über die Brücke der Pensieri.
Giardino delle Vergini Oktober 2011 |
Giardino delle Vergini Mai 2015 |
Der Giardino delle Vergini ist barrierefrei (über stufenlose Treppenrampen) zu erreichen über die Haltestelle S. Pietro, Linien 4.1-4.2, 5.1-5.2.
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