5. August 2011

Ausflug nach Malamocco


Schöne dicke Madonna in einem Sottoportego des Borgo von Malamocco






Ich war in
Malamocco, und zwar ausschließlich eines Freundschaftsdienstes wegen, nämlich ein Foto der Dorfkirche S. Maria Assunta für die Website Churches of Venice zu machen.

Denn der Lido, auf dem Malamocco liegt, ist aus meiner Sicht irgendwie jenseits von allem: ä
hnlich weder Venedig, noch den einfachen Laguneninseln, er ist ein vergleichsweise neu bebautes Wohngebiet von Bessergestellten mit Autoverkehr, eine Ansammlung von Hotels, die 3 Monate im Sommer brummen und dann wieder schlafen gehen... Überraschung, Malamocco ist nicht der Lido!
Piazza Maggiore von Malamocco

Vom Vaporetto in den Bus A (B geht auch), raus nach 15 Minuten an der Riva G. Diacono, 150 m bis zur Piazza und schon bin ich in einem anderen Kosmos.

Ein kleines, altes Dorf, Morgensonne, Leere, Ruhe, Kinder sind in der Schule, 2 Männer die auf der Straße Handwerkliches treiben, 2 Frauen mit Einkaufstaschen hängend an Fahrrädern unterwegs, erste
vormittägliche Düfte aus italienischen Küchen, Dudelradio in einer offenen Haustür.
Südeuropäisches Sommeridyll, ich schalte sofort einen Gang runter. Mache Fotos, finde ein kleines Café in dem ich
einen Espresso und ein hervorragendes Brioche frühstücke um mich über meine Vorurteile zu trösten.
Blick auf Borgo und Campanile S. Maria Assunta

Malamocco war vor gut 100 Jahren überhaupt die einzige Gemeinde auf dem Lido, viel mehr war da nicht, außer den alten Strukturen im Norden der Insel, die Kirche S. Niccoló und das dazugehörige Kloster, der alte jüdische Friedhof.

Malamocco gehörte zu den ersten Ansiedlungen in der Lagune vor dem ersten Jahrtausendwechsel, war vorübergehend Dogen- und sehr
lange Bischofssitz, wurde nach seiner Zerstörung im 12. Jahrhundert durch ein Erdbeben plus Sturmfluten wieder neu aufgebaut und blieb ein wichtiger Vorposten Venedigs beim Schutz vor Feinden und dem Meer.
Im Borgo von Malamocco

Der alte Ort, der "Borgo" genannt wird (wie die Ortsteile griechischer Ansiedlungen um eine koloniale venezianische Festung) ist heute eine Insel, umgeben von zwei Kanälen, in der Mitte des Ortes die große Piazza um die Kirche und viele kleine Häuschen drumherum, von denen einige sicher nicht mehr aus dem Mittelalter stammen, aber manche schon. Der Eindruck ist eher ländlich im Vergleich zu deutlich insularen Orten wie Burano.
Es gibt eine große Gartentrattoria und in einer kleinen Gasse ein Lokal mit rustikalen Tischen vor der Tür, das jedes gebildete Kind sofort als Piratenkaschemme identifiziert und in dem die Einheimischen eine Sprache sprechen, die auch ein Romanist nicht als italienisch erkennt.
Festungs-
graben mit Festungs-
teil im Hinter-
grund


Mitten im Borgo liegt ein gepflegter
Boots-
hafen, in dem auch die beliebten
Lagunen-Hausboote anlegen können, dahinter die ziemlich neuzeitliche Festung Forte Malamocco, von einem Wassergraben umgeben wie auch z. B. das Fort Massimiliano auf S. Erasmo. Offensichtlich nicht an die Gezeiten angeschlossen.
Das Fort ist leider nicht zugänglich, Schilder an der Mauer besagen, dass hier ein Wellness Center entstehen soll, und die Website www.marcopolo.it, die auf den Schildern zur weiteren Information lädt, ist zwar sehr interessant, die "News" sind aber aus dem Jahr 2005. Naja, vielleicht wieder mal ein Projekt mit einem stillen Abgang, oder eins, das nur zwecks Fundraising gegründet wurde?






Weg auf die Murazzi von Malamocco, Großfamilie im Großfahrrad auf der Mauer


Hinter d
em Fort gibt es einen Fussweg durch Felder, Wiesen und Schilf ans Meer, auf die Murazzi. Sie sind hier ein fester Deich auf dem viel Fahrrad gefahren wird, die Strecke Lido-Alberoni (und von dort, wenn man will, mit der Fähre übersetzen nach Pellestrina).
Im Gespräch mit einer 6köpfigen Dreigenerationenfamilie auf einem großen überdachten Fahrrad erfuhr ich, dass die Stundenmiete 18 €, die Tagesmiete 50 € kostet und das ziemlich große Gefährt auch im Straßenverkehr problemlos sei. (Siehe Link unten: Fahrradvermietung.)

Kanal in Malamocco

In Malamocco gibt es kleine Hotels,
B & Bs, Ferien-
wohnun-
gen, innerhalb und ausserhalb des Borgo, im Internet zu finden. Vielleicht ein guter Vorschlag für Familien mit Kindern, die ländlich und am Meer, aber auch sehr nah an Venedig Ferien machen wollen. Oder für Liebhaber venezianischer Kultur, denen die Nähe zum Meer und den Naturschutzgebieten von Alberoni und Ca'Roman wichtig ist.


Das örtliche Fest der Madonna di Marina findet jährlich in der zweiten Juliwoche statt und ist eine Mischung aus ernst genommener religiöser Tradition und krachender Dorfkirmes (schätze ich mal anhand des
Programms vom 2011, ich habe es leider um 3 Tage verpasst).


Heiraten im Palazzo del Podestá auf/in Malamocco
Besuch des mittelalterlichen Borgo von Malamocco
Fahrradwege - Fahrradvermietung

Ergänzung vom 30.8.2011
Ein freundliches Mail von Andreas Götz, Venedigkenner und Anbieter von Unterricht im venezianischen Rudern, erreicht mich mit wichtigen Hinweisen zum Fahrradfahren auf dem Lido und den folgenden Inseln. Die Information ist so wichtig, dass ich den Text hier anhänge und nicht in einem Kommentar, wo sie übersehen werden könnte.

In deinem Bericht über den Ausflug nach Malamocco schreibst du nebenbei, man könne dann auch noch nach Pellestrina fahren. Was nicht nur richtig ist, sondern sehr schön. Es kann aber auch teuer sein.
Vor etwa zwei Jahren bin ich zum Lido, habe mir ein Fahrrad gemietet und bin über Pellestrina bis nach Chioggia gefahren. Mit dem abonnamento lagunare habe ich damals nur je ein Euro für das Fahrrad auf den Fähren hin und zurück bezahlt, also insgesamt 4 Euro. Auf der Fähre nach Pellestrina war auch eine Familie (zwei Erwachsene, zwei größere Kinder). Die hatten auch irgendwo gelesen, man könne ja mit dem Fahrrad nach Pellestrina, und waren mit Einzelfahrausweisen zum Lido gefahren und hatten sich Fahrräder gemietet. Auf der Fähre erfuhren sie nun wieder, daß sie Einzelfahrausweise (damals 6 Euro) lösen müssen (keine Tageskarten an Bord) sowie einen Fahrschein fürs Fahrrad (damals ebenfalls 6 Euro). Als die Frau das realisiert hat, wurde sie ziemlich blass. Da ist ja einiges zusammen gekommen, was einen als glücklichen I-Mobber nicht ereilen kann: ab Tronchetto pro Person vier Einzelfahrausweise plus zwei mal Fahrrad, also 24 Euro mal vier Personen, macht 96 Euro plus die Miete der Fahrräder.
Mit dem 24 Stunden-Ticket in jedem Fall schon mal billiger, sollte also jedem, der sich nicht mit den Tarifen des ACTV auskennt, wärmstens empfohlen werden.


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4 Kommentare:

Nauplion hat gesagt…

When I lived on Lido, I had fantasies of retiring to Malomocco and writing there. Thank you for this.

Anonym hat gesagt…

Ihre Berichte über Venedig erfreuen mich fast täglich und ich möchte Ihnen dafür herzlich danken.
Eine Venedigbesessene aus Österreich

Anonym hat gesagt…

Danke für diesen wunderbaren Bericht. Ich werde in 6 Jahren (in meiner Pension/Rente) nach Venedig übersiedeln. Diesen Ort kenne ich nicht und werde ihn bei meinem nächsten Venedigbesuch ansehen.

Liebe Grüße
Veronika aus Österreich

Brigitte hat gesagt…

Liebe Veronika,

danke, und für den großen Plan nach dem Berufsleben wünsche ich glückliches Gelingen!