31. Dezember 2012

Monteverdis L'Orfeo in S. Maria Gloriosa dei Frari

Kein noch so perfekt vorbereiteter Venedigbesuch verläuft nach Plan. Gebäude, die in jedem Führer stehen, sind ohne Terminangaben wegen Restaurierung jahrelang geschlossen; andere sind nur zur Führungen am Wochenende geöffnet oder nur ein paar Mal im Jahr; manche Kirchen sind werktags immer offen oder nach dem Gutdünken der Verantwortlichen; manche Gebäude stehen dem Publikum nie zur Verfügung, dann aber doch aus Anlässen wie z. B. der Biennale. Venedig ist und bleibt eine Wundertüte, auch für BesucherInnen, die regel-
mäßig vorbeikommen.


Für kulturelle Veranstaltungen in Venedig gibt es Pläne, auf die man sich verlassen kann. Die der Museen, der Traditionsfeste, der Biennalen etc., und es gibt Veranstaltungen außerhalb der Pläne, die kurzfristig bekannt werden. Mit Terminlisten versu-
che ich, möglichst viele interessante Veranstaltungen einzu-
fangen, Sport, Flohmärkte, Musik, Kunst... aber nie wird es gelingen, alle Angebote aufzulisten. 


Besonders im Sommer gibt es viele (kosten-
lose) Gastveranstal-
tungen von Schulen, Hochschulen, Chören, die im Vorfeld ihres Venedigsbesuchs einen Auftritt organisieren, meist in einer Kirche, die sich ja für Konzerte besonders gut eignen. 2011 konnte ich z. B. ein Konzert einer Mädchenschule aus der Republik Südafrika  in San Francesco della Vigna hören, beeindruckt von der musikalischen Qualität wie von der rappelvollen Kirche. Für die Aufführenden ist ein Auftritt in einer venezianischen Kirche oder einem Palazzo sicher ein unvergesslicher Höhepunkt. Dafür wird wenig Werbung gemacht - ein paar Handzettel, ein paar einfache kopierte Kleinplakate an einer Hauswand oder an der Pinnwand einer Kirche. Man sollte unbedingt darauf achten, um solche Gelegenheiten nicht zu verpassen.


Im Juli dieses Jahres trat die Musikakademie der Universität Ljubljana in der Basilica dei Frari auf. Hier gibt es im Sommer immer wieder kurzfristig Gastkonzerte von Chören oder Orchestern, aber in diesem Fall wurde Claudio Monteverdis  erste Oper, L'Orfeo, gespielt! 
Die Aufführung wurde komplett aufgezeichnet und auf YouTube veröffentlicht, wo ich sie in den Weihnachtsferien-
tagen zum Glück und per Zufall fand.


Die Szene liegt vor der geschnitzten Holzwand, die das Chor-
gestühl zum Hauptraum abschließt und die ein wunderbares Bühnenbild liefert. Das Portal zum Chorgestühl ist auch die Stelle, von der Charon und Apollon die Szene betreten. Die Aufzeichnung ist nicht perfekt (offensichtlich keine spezielle separate Tonaufzeichnung), aber die hohe Qualität des gesamten Ensembles ist so überzeugend, dass man sich schnell daran gewöhnt und ungestört dem Musikerlebnis hingeben kann. Kostüme und die Beleuchtung und damit die Wirkung des Auführungsortes tragen zusätzlich zu einem wunderbaren Kunsterlebnis bei, buchstäblich bis zum letzten Takt.


Ich wünschte wirklich, ich hätte diese Aufführung in der Frari erleben dürfen, wenige Schritte entfernt vom Grab des hoch verehrten Claudio Monteverdi und wünsche Lesern und Leserinnen ein gesundes neues Jahr und glückliche Fügungen in Venedig oder anderen Orten.

Libretto von Alessandro Striggio





(Wer mag, kann den StudentInnen und LehrerInnen aus Ljubljana danken und applaudieren, indem er/sie unter YouTube auf  "mag ich" klickt.)

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4 Kommentare:

Nauplion hat gesagt…

We got a recording of Orfeo for Christmas -- this would be so wonderful in the Frari!

Anonym hat gesagt…

Liebe Brigitte,

danke für die Weitergabe Ihrer immer spannenden "Fundstücke",ein bißchen abseits vom touristischen Mainstream.Wünsche Ihnen ein Jahr 2013 voller spannender Entdeckungen.

Maité hat gesagt…

Je vous souhaite une bonne année ! A presto !

Anonym hat gesagt…

Liebe Brigitte,

Ich war gerade in Venedig und habe, wie alle Jahre in der "Wundertüte" herumgestöbert. Ich lauere auch schon seit Jahren auf das Innere der Scuola Grande della Misericordia,diesmal gelang ein Blick auf den leeren, geisterhaft dunkelgraubraunen Riesenraum mit zwei mächtigen Säulenreihen , für ein brauchbares Foto war ich leider zu langsam, ein freundlicher junger Mann hat mich sogleich verscheucht.
Dagegen hatte ich auf der Giudecca mehr Glück - Santa Croce, schon lange stillgelegt und anscheinend als Stadtarchiv genutzt, hatte offene Türen. Kartons aus dem Archiv wurden gerade auf Handkarren in ein anderes Archiv verlagert. Ich durfte die Reste der Deckengemälde fotografieren, ein reichlich wackeliges Unternehmen von leider mäßigem Ergebnis. Vielleicht weiß jemand, in welchen Archiven die Geschichte von Gebäuden dieser Art ausgegraben werden kann?