18. Januar 2015

Venedig 1940



Die alte Serenissima, die hier fast ausschließlich von Kindern belebt zu sein scheint. Kleine Jungen, die johlend über Plätze und Brücken laufen, kleine Mädchen, die allein oder in Begleitung von Müttern spielen und brav Gassen queren oder, geführt von Nonnen, zwei und zwei den Campo S. Agnese und dabei dem Schatten eines Hauses exakt ausweichen als sei er eine Mauer. Die wenigen Frauen kaufen ein oder hängen Wäsche auf den Campo, die wenigen Männer sind gemessener Haltung mit dem Tragen und dem Transport von Dingen beschäftigt, zu Fuß, zu Wasser, mit der Karre.  

Der Filmemacher Francesco Pasinetti zeigt uns das Venedig von 1940, die Stadt ist arm, aber weder zeigt noch bejammert sie ihre Armut. Man lebt in alten renovierungsbedürftigen Wohn-
häusern, geschniegelte hochglanzrenovierte Konversion ist noch fern, Hotels sind nicht das Thema des Films.  Die BewohnerInnen stellen sich selbst dar, haben ihre guten sauberen Sachen angezogen, kleine Mädchen in Spitzenkleidchen, SchülerInnen in Schulkleidung. 

Pasinetti nimmt uns mit zu Fuß über Brücken, entlang Ufer-
mauern, in Innenhöfe, lässt uns mitfahren auf menschenleeren Kanälen.


Wir erkennen die Orte auch nach 75 Jahren wieder, in Dorso-
duro, in Cannaregio, wir gehen mit über die Campi von S. Rocco und S. Giovanni Evangelista und über den Campo Bragora, wir fahren unter den kleinen Brücken von Birrí her und entlang der Kanalseiten der Wohnhäuser, wir sehen einen Dominikaner des Ospedale auf dem Rio dei Mendicanti rudern und durch das geöffnete Wassertor in den Innenhof des Palazzo Soranzo van Axel, und am Ende dürfen wir in Begleitung einer sehr kleinen Venezianerin über den Campo S. Stefano eintreten in den Pa-
lazzo Pisani und dem Chor des Conservatorio Marcello lauschen, der oben im Übergang zwischen den beiden Innenhöfen singt. 


Und wenn wir uns an die überfüllte Riva bei unserem letzten Venedigbesuch erinnern, das Gedrängele auf den breiten Brücken... wissen wir, was 75 Jahre in Venedig verändert haben, was WIR in 75 Jahren in Venedig verändert haben. 

Nochmals herzlichen Dank an Georg Eichinger, der mir den Link schickte.


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