25. Juni 2015

Venedigs zentrale Baustelle - der Rialto


Nach einer schlaflosen Nacht Anfang Mai war ich morgens um 7 Uhr am Rialto, Baustellen gucken, solange dort noch Ruhe herrscht. Die versammelten Einrüstungen von Brücke, Fondaco dei Tedeschi und Palazzo dei Camerlenghi müssen einen selt-
samen Eindruck machen auf  Menschen, die zum ersten Mal hier vorbeikommen. Eine riesige Christo-Aktion vielleicht?!




Zwischen all den Gerüsten und Hüllen kam ich mir vor wie in den Kulissen einer Bühne: im doppelten Sinne aus dem Raum ge-
rückt. Hier geht es um Sponsoring: die Restaurierung der Brücke wird mit Vertrag vom Dezember 2012, Baustart März 2015, vom Modelabel Diesel finanziert, Kosten 5 Mio €. Ebenso die Restau-
rierung der Fassaden und des Daches des Palazzo dei Camerlenghi während der nächsten 2 Jahre, Kosten 2 Mio €. Diesel gehört zur OTB-Holding von Renzo Rosso, wie auch das Modelabel Marni, das eine interessante Nebenausstellung "Becoming Marni" der Biennale im ehemaligen Kloster S. Grego-
rio sponsort, für die an der Baustelle Rialtobrücke ein großes Banner wirbt. 




Auf der anderen Kanalseite geht es ums Geld verdienen und hier ist die Sache schon etwas weiter gediehen. Siehe Label 'Fondaco dei Tedeschi'. Vorgestern gab es eine Pressemitteilung, die die Eröffnung des Kaufhauses für Mitte 2016 ankündigt.  

Man muss nicht diesen ganzen Text lesen, der in Begriffen mit "...Luxus..." schwelgt und "Weltreisende" als Zielgruppe defi-
niert, die in top-end-hotels absteigend als künftige high-spen-
ding-visitors erwartet werden. Interessant finde ich die für mich neue Information, dass der Fondaco dei Tedeschi dem Konzern LVMH gehört, dem Branchenführer Luxusgüter weltweit, und nicht etwa "Bennetton", das in den Medien schon mal harmlos als "Familienbetrieb" rüberkommt, haha. Und innerhalb des Konzerns LVMH ist er Teil der asiatischen Luxuseinzelhandels-
kette DFS Galleria, die mit dem Fondaco dei Tedeschi in den europäischen Markt einsteigt. Überlegungen, in Europa mit London, Paris oder Mailand zu starten seien verworfen worden, denn "Venice is a melting pot of visiting nationalities, from Europeans to Americans to Asians  and Middle East visitors. This is dedicated to travellers of the world, and all of them are interesting for us. We have the entire planet here."

AfrikanerInnen sind in dieser Liste nicht enthalten, sie haben in Venedig bekanntlich andere Funktionen als high-spending-visitors.

















Es gibt noch keine Details zur Neugestaltung, vor allem keine aktuellen Fotos, und der Schrecken der zwei Rolltreppen im Innenhof, ursprünglich in der Planung für den Umbau enthalten, droht immer noch bis zum Beweis des Gegenteils. Mitgeteilt wird, dass es mehrere Eingänge von der Seite des Canal Grande geben wird, im Erdgeschoss Geschäfte mit Produkten (Geschen-
ken) italienischer Herstellung und ein Café, im 1. Obergeschoss Damenmoden und -accessoires, im 2. Obergeschoss Herrenmo-
de, Uhren und Schmuck, im 3. Obergeschoss Luxusschuhe, Düf-
te und Kosmetik: ein Geschäft, wie es bisher in der Stadt nicht vorhanden ist. Liebe Güte. Als gäbe es keinen Luxus in dieser Stadt - aber die Läden sind wahrscheinlich bisher zu popelig für die Weltreisenden. Das 4. Obergeschoss soll als "öffentlicher Raum" mit regelmäßigen Veranstaltungen zur Verfügung stehen, was immer genau das heißen wird, und Raum für eine Aussichts-
terrasse haben.




Selbstverständlich ist die Rede von der einmaligen Chance, die-
ses Gebäude wertschätzend wieder dem Handel zuzuführen, Strukturen zu erhalten etc., nach den Kämpfen von Denkmal-
schutz und Bürgerinitiativen im Vorfeld wird sich herausstellen, wie viel davon tatsächlich gemeint ist und realisiert wird. In einem Jahr werden wir sehen. Und in zwei haben wir den Rialto hoffentlich wieder hüllenfrei.



Siehe auch Eintrag vom 7.3.2015 Hüllen und Enthüllen




Siehe auch Eintrag vom 21.8.2016 



.

Keine Kommentare: