25. November 2016

1437 - 29.11.1516 Giovanni Bellini

Giovanni Bellini
Madonna mit acht Heiligen, Museo Diocesano

Wir kommen beim letzten venezianischen Gedenken des Jahres 2016 an - es gab viele Gedenktermine in diesem Jahr. Vor 500 Jahren starb am 29.11. der Maler Giovanni Bellini. Er war Venezianer und seine Kunst ist einer der Fixsterne der venezianischen Malerei, unverrückbar in seinem künstlerischen Beziehungssystem und bei Bewunder*innen der Kunstgeschichte der Serenissima. Dürer nannte ihn den 'Größten von Allen'. Ein Besuch in Venedig ohne Wiedersehen mit einem oder mehreren der Werke Giovanni Bellinis ist unvollständig. Wer Schönheit braucht, Harmonie und Kontemplation, geht zu Bellini. 

Die Stadt Venedig und das Veneto präsentieren ihn mit dem Programm Bellini 500. Sonderausstellungen, auch von Einzelwerken, kostenlose Führungen, Konzerte finden im Centro Storico, aber auch auf Murano und dem Festland statt. Auch eine App Ibellini500 und ein  Faltblatt Luce su Giovanni Bellini 1516/2016  informieren über die Standorte seiner Kunstwerke.

Höhepunkt des Bellinijahres ist der 26.11.,also morgen, der Samstag vor Giovannis Todestag. Morgen gibt es noch einmal kostenlose Führungen, letzte Gelegenheiten!

  • Das Museo Diocesano und die Kirchen S. Francesco della Vigna, S. Zaccaria, SS. Giovanni e Paolo, S. Giovanni Chrisostomo, S. Maria Gloriosa dei Frari und S. Pietro di Murano bieten jeweils um 15:30 und 17:30 Uhr Führungen durch Mitarbeiter*innen des Patriarchatsamts für Kultur und Tourismus an. (Das Angebot gilt noch an den nächsten 2 Samstagen, 3. und 10.12.)
  • In der Accademia führt Debora Tosato um 17:00 Uhr zu den privaten Andachtsbildern ("Giovanni Bellinie e la fortuna dei quadri per la devozione private nelle raccolte delle Gallerie dell'Accademia").
  • In der Fondazione Querini Stampalia kann man von 10-18 Uhr an laufenden Führungen zum Werk Bellinis "Die Vorstellung Jesu im Tempel" teilnehm.
  • Das Museum Correr stellt dem Publikum eine Führerin durch die Bellini Sääle zwischen 11 und 17 Uhr zur Verfügung.
  • Die Scuola Grande di San Marco bietet Führungen um 15:30 und 17:30 Uhr zu den Bellini-Werken an.
  • Die Kirche San Giovanni del Tempio dell'Ordine di Malta zeigt ihren Bellini in Führungen um 15 und um 17:30 Uhr.

Auch wenn dann die Gedächtnisfeierlichkeiten vorbei sind, hängen die Bilder weiter in Kirchen und Museen und warten auf unsere Kunstpilger*innenbesuche, in kurzer Übersicht also nochmal die Standorte mit Links zu den Werken:


Museo Diocesano enthält 1 Werk Bellinis, frisch restauriert, das eigentlich seinen Platz in S. Pietro Martire auf Murano hat. Man kann um einen Klappstuhl bitten und sich dann in Ruhe vor das Bild setzen. Lage, Öffungszeiten, Preise.

San Zaccaria enthält 1 Werk Bellinis. Lage. Von 12-14 Uhr geschlossen.

Basilica SS Giovanni e Paolo enthält 1 Werk Bellinis (Erläuterung dazu). Webseite der Kirche. Vor 10 Uhr Eintritt durch die Seitentür, ab 10 Uhr gegen Gebühr Eintritt durch das Hauptportal. Haltestelle Ospedale

Scuola Grande di San Marco enthält im Obergeschoss mehrere Werke Bellinis. Eintritt durch das Hauptportal des Ospedale Civile neben der Fassade von SS. Giovanni e Paolo. Führer durch die Räume der Scuola Grande. Geöffnet Di-Sa 9:30-13 Uhr, 14-17 Uhr. Eintritt 8 €.

San Francesco della Vigna enthält 1 Werk von Bellini. Es ist renovierungsbedürftig und gehört auch nicht zu seinen stärksten Werken. In S. Francesco befindet sich ausserdem die 'Konkurrenz' der Madonna von Antonio da Negroponte. Ganztags geöffnet, kein Eintritt, Haltestelle Celestia.

Fondazione Querini Stampalia enthält 1 Werk von Bellini. Eintritt 10 € (Ermäßigungen), Di-So 10-18 Uhr. Haltestelle S. Zaccaria.

San Giovanni di Malta, Kirche des Granpriorato Ordine di Malta (italienischer Zweig des Johanniter- bzw. Malteserordens) enthält 1 Werk von Bellini. Auf die Öffnungszeiten (nachmittags) ist leider kein Verlass, es gehört ein bisschen Glück dazu. Haltestelle S. Zaccaria.

Museo Correr enthält einige Werke der Bellini Männer Giovanni, Gentile und Vater Iacopo. Zu finden unter der Nummer 36 der Beschreibung. Öffnungszeiten, Eintrittspreise. Piazza S. Marco.

San Giovanni Chrisostomo enthält 1 Werk von Bellini. Mo-Sa 10-18 Uhr, Eintritt frei. Haltestelle Rialto.

Gallerie dell'Accademia zeigen eine Sonderausstellung zum Bellini-Jahr, die am 26.11. endet. Ansonsten enthalten die Sammlungen eine ganze Reihe von Bellini Werken. Nicht immer sind alle zu sehen. Im Verzeichnis auf der  Seite 7Seite 8Seite 9. Eintritt 12 € (Ermäßigungen), Mo 8:15-14 Uhr, Di-So 8:15-19:15 Uhr. Haltestelle Accademia.

Santa Maria Gloriosa dei Frari enthält 1 Werk von Bellini, das herausragend, aber relativ klein ist. Die Mitnahme eines Opernguckers empfehle ich dringend, um in den Genuss der Details zu kommen. Website der Kirche: Basilica dei Frari. Haltestelle: S. Tomà.

San Pietro Martire auf Murano enthält 2 Werke von Bellini: die Pala Barbarigo und die Madonna mit acht Heiligen, die derzeit als Einzelwerk im Museo Diocesano ausgestellt ist. Eintritt frei, Mo-Sa 9-12, 15-18 Uhr, So 15-18 Uhr. Haltestelle Faro.

Giovanni Bellini
Pala di S. Giobbe, Gallerie dell'Accademia




Nachtrag 24.12.:
Ein besonderer Blick auf den Bellini in S. Giovanni Crisostomo, per Mail mitgeteilt, enthüllt Details, die mir völlig neu waren. Ich danke herzlich und möchte nicht darauf verzichten, mit Erlaubnis des Korrespondenten den Text hier anzufügen:


Der Bellini in San Giovanni Crisostomo ist u. a. deshalb exzeptionell, weil der greise Maler drei Jahre vor seinem Tod auf die aktuelle Kunst der jungen Generation reagiert, hier konkret auf das - kunsthistorisch viel bedeutendere - Bild des Hochaltars von Sebastiano del Piombo: dort erscheint zum ersten Mal ein Titelheiliger im Profil in einer entschieden dezentralen und dennoch ausgewogenen Komposition, die das schematische Motiv einer Sacra Conversazione zugleich aufbricht und neu belebt; Giambellin will dem nicht ganz folgen, aber antwortet seinem einstigen Schüler mit seinem Hieronymus im Profil (statt wie bisher in frontaler, hierarchisierender Darstellung) auf seinem Altarbild. 
Durch die Reminiszenzen an die ältere Malerei auf dem Hochaltarblatt von Sebastiano ergibt sich so eine Konversation zwischen den beidne Kunstwerken, die sonst nur in Museen anzutreffen ist, hier aber haben sich die beiden Werke an ihrem Bestimmungsort seit 500 Jahren erhalten, d. h. dieses Aufeinanderbeziehen ist Teil der originalen Konzeption.

Überhaupt zählt Giovanni Bellini zu den selten anzutreffenden Künstlern, die sich im Alter mit neuen Tendenzen auseinandersetzen. Das "sfumato", welches Giorgione - auch er ein einstiger Schüler Bellinis - in die venezianische Malerei eingebracht hat, also das Vertrauen auf die Farbe als autonomer Ausdrucksträger(das Charakteristikum venezianischer Malkunst der nächsten Jahrhunderte) wurde von Bellini in seinen späten Jahren aufgegriffen und konnte sich dank seiner Autorität in besonderem Maße durchsetzen.

(Gernot Frankhäuser)


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17. November 2016

Palazzo Grimani - das Projekt für Appassionati



Informiamo che da lunedì 17/10, il Museo di Palazzo Grimani apre con i seguenti orari: - venerdì e sabato ore 14-19



Eine kühle Mitteilung des Museo Palazzo Grimani am 19.10. auf Twitter, nachträglich. 
4 Tage zuvor hatte die NUOVA, von mir übersehen, bereits verkündet: "Palazzo Grimani schließt für das Publikum". Sachlich nicht ganz korrekt, gefühlt aber umso mehr.

Der Palazzo Grimani gehört zu meinen persönlichen Kultstätten, seit ich 2002 in der Ausstellung "Venezia! Kunst aus venezianischen Palästen" der Bundeskunsthalle Bonn mit offenem Mund in der Rekonstruktion der grimanischen Tribuna stand. Atemberaubend und ein bisschen klaustro. Unglaublich nach heutigen Maßstäben, dass ein solcher Raum fensterlos gewesen sei! (Dass der römische "Ganymed, vom Adler geraubt" original in einem Turm hängt, vor blauem Himmel mit Rundumsonnenlicht von oben, hatte die BuKuHa nicht rekonstruiert.) 

Leider wurden bei der Neugestaltung des Internetauftrittes der Bundeskunsthalle die Links von älteren Ausstellungen nicht integriert, so dass meine Verlinkungen auf diese Ausstellung nicht mehr funktionieren. Den Katalog zur Ausstellung kann man zum Glück noch gebraucht beziehen: Venezia! Kunst aus venezianischen Palästen.

Im Museo Palazzo Grimani ist die Tribuna bis auf den fliegenden Ganymed leer, der größte Teil der Sammlung befindet sich weiterhin im Archäologischen Museum an der Piazza San Marco. Im www habe ich in englischer Sprache eine Studie gefunden, die gut an die Texte des Ausstellungskatalogs ("Hypothesen zur Rekontruktion der Tribuna im Palazzo Grimani: Die Methodologie"  von Eva Soccal und "Die Restaurarierung der Antiken der Sammlung Grimani" von Marcella de Paoli anschließt: "The Tribuna of the Palazzo Grimani: a 3D survey and virtual representation of the original statuary".  Lesenswert.
Und es gibt auf der Website Meraviglie di Venezia ein virtuelle Rekonstruktion der Tribuna in ihrer ursprünglichen Ausstattung. 



Aber die Tribuna ist nur einer, und nicht der größte, der 14 erstaunlichen Räume der 1. Etage des Palazzo Grimani.

Der Staat Italien hatte 1981 den Palazzo Grimani in völlig verrottetem und gefleddertem Zustand aus privaten Händen gekauft und 25 Jahre lang beispielhaft und auf wissenschaftlicher Basis restauriert. Neben den geringen staatlichen Mitteln wurde die Arbeit vor allem durch Spenden finanziert, Dutzende von Millionen wurden aufgebracht. 
Details zu den Bauarbeiten als Information für die Öffentlichkeiten finden sich auf der Seite der Leitung des Amtes für Archäologie, Kunst und Landschaftspflege für Venedig und die Lagune. Der Bericht beginnt (in italienischer Sprache) mit dem Capitolo I und führt jeweils zum nächsten Capitolo, am Fuss des Textes anzuklicken, bis zum Capitolo 8.

Im Dezember 2008 wurde der Palazzo dem Fachpublikum vorgestellt, während der Weihnachtstage bis Dreikönig waren die Venezianer*innen kostenlos zur Bewunderung der außerordentlichen Restaurierung geladen. Danach durften auch Fremde rein, vorausgesetzt die vorherige online-Vereinbarung eines persönlichen Termins und die Vorlage eines Ausweises. Der Gipfel war die persönliche Einzelführung durch eine der Wisssenschaftler*innen des Museums. 



Mein erster Blogeintrag datiert vom 23.12.2008, (ein Teil der Links funktioniert nach 8 Jahren leider nicht mehr), der zweite Blogeintrag mit dem Bericht meines ersten Besuchs vom 28.6.2009. Beide Einträge sind auch heute noch lesenswert im Hinblick auf die Geschichte und Restaurierungsgeschichte des Palazzos. Und vor allem erschreckt mich selbst nachträglich meine klare Wahrnehmung vor 7 Jahren, wohin es mit diesem Museum gehen würde - ohne Marketing, ohne Vorstellung von Zielgruppen, Museumsdidaktik, Projektverantwortung, aber einer wissenschaftlich-elitären und selbstsicher-beamtigen Selbstwahrnehmung: den Bach runter. Vielmehr den Kanal runter. 

Obwohl ich dann ab Oktober 2011 beim Besuch des Palazzo plus mehrerer Gastausstellungen eigentlich glaubte, dass sich das Projekt langsam auf gutem Wege befand. Auch anlässlich der Canaletto-Ausstellung im folgenden Jahr 2012, die erste, die aus meiner Sicht sehr gut besucht war. Naja, Canaletto, ein Renner eben...!
Insgesamt war im Laufe 2009/2010 die Besucherpolitik entkrampft worden: normaler Eintritt für alle, keine Zwangsbegleitung - aber auch keine kostenlosen hochqualifizierten Führungen mehr (aus betriebswirtschaftlicher Sicht natürlich sinnvoll). Man besichtigte die leeren, kostbar ausgestatteten Räume ohne einem Menschen zu begegnen - egal ob Besucher oder Angestellte.



Dem Museum Palazzo Grimani bliebt die Bekanntheit versagt, die ein Familienpalazzo in direkter Nachbarschaft in wenigen Jahrzehnten gewinnen konnte: das Haus Querini Stampalia mit Bibliothek, Museum, Kulturveranstaltungen, Museumsshop- und Bar, Garten (nicht unerwähnt zu lassen die Interventionen des Architekten Carlo Scarpa). 
Ich denke, es wurde seitens der Verantwortlichen einfach nicht tief genug Luft geholt - eine geplante Aufbauphase von vielleicht 20 Jahren im Hinblick auf unterstützende Finanzen, zielgruppenorientiertes und vernetztes Marketing mit entsprechender Werbung, Kooperationen mit den Museen der Stadt Venedig (Dogenpalast, Archäologisches Museum etc.) und den lokalen Stiftungen (Cini allen voran, aber auch kleineren wie z. B. Levi), Bibliotheken und und Hochschulen - damit der Atem lang und sicher genug gewesen wäre.  

Nach den ersten großen Ausstellungen 2011 und 2012 wurden kurzzeitige kleine Ausstellungen des verantwortlichen Polo Museale Veneziano von frisch renovierten Einzelausstellungsstücken angeboten. Sie wurden ergänzt durch kostenlose Konzertreihen, Vortragsreihen, Führungen. 
Die Hinweise dazu erhielt ich nicht durch Einladungen per Newsletter, sondern auf Twitter - und wie leicht gehen Tweets ungesehen durch! Anhand der Tweets suchte ich mir die Ankündigungen dann auf der Website des Palazzo Grimani, um sie in den Kulturkalender meines Blogs einzutragen. Sie kamen mal extrem kurzfristig, mal gar nicht, mal funktierte die Website nicht, dann aber wieder doch - irgendwann merkte ich, dass man die Website 1 x öffnen, 1 x schließen, noch 1 x öffnen muss, um auf einer Programmankündigung zu landen. Man dankte mir für meinen Hinweis auf das Problem, korrigierte die Programmierung der Seite aber nicht. Kompetenz und Zuverlässigkeit in der Anwendung von Social Media mangelhaft. 



Insgesamt war und ist die öffentlichkeitswirksame Werbung aus meiner Sicht minimal und schlecht. Teilnehmer*innen dieser interessanten Angebote von hoher Qualität waren Bildungsbürger*innen, betagte venezianische Intellektuelle, die ihre Einladungen vermutlich über das Ateneo Veneto erhielten. Wunderbar, reicht aber natürlich nicht.

Im Laufe der Jahre wurden nicht nur inhaltliche Angebote nicht angemessen eingesetzt. Die Infrastruktur wurde ergänzt: der Kassenraum mit einem Bookshop ausgestattet - winzig. Es wurde eine wirklich coole Bar (quasi farblos!) eingerichtet (außerhalb des Eintrittskartenbereiches) - und nach ein paar Monaten sang- un klanglos wieder geschlossen. Noch heute pappt das Papier innen an den Glaswänden.
Es wurden Toiletten installiert, ein bisschen unter der Wasserebene, neben einem der beiden Wassertore - wer studieren möchte, wie eine Stadt im Wasser von unten aufgeweicht wird, gehe heute in diese Toiletten und sehe sich die Wände an.
Und sogar der banale Faktor der Lage des Museo Palazzo Grimani trug zum Misserfolg bei: das Gebäude steht mit 2 Seiten in Kanälen, mit 2 Seiten angebaut an Nachbarhäuser. Es gibt keine Fassade außer dem Landportal (und dem darüberliegenden 2stöckigen schmalen Stück Hauswand) zu dem eine schmale Sackgasse führt. Sie zweigt von der Ruga Giuffa ab und nichts könnte Passant*innen auf die Idee bringen, dass sich hinter diesem Portal ein enormer Palast von unerhörter Restaurierungsqualität versteckt. 

So ein Pech. Hier haben wir diesen herausragenden Palazzo, vielleicht die qualifizierteste Restaurierung in ganz Venedig. Darüber hinaus vielleicht der am authentischsten erhaltene Museumspalast in ganz Venedig, da man ihn, einmal leer gefleddert, nicht durch Ergänzungen in Form von Einbauten, nachträglicher Möblierung mit Stücken fremder Herkunft, nachträglicher Ausstattung mit Kunstwerken aus fremden Sammlungen etc. aufgepeppt hat. Wir wissen ja alle, dass das in allen anderen Palazzi der Fall ist (z. T. weil Ausstellungen eben ihr Nutzungszweck ist)  - Rezzonico, Pesaro, Mocenigo, Correr, Querini Stampalia und sogar Dogenpalast, um nur die bekanntesten und besuchtesten zu nennen. 
Dieses Haus ist pur. Aus Ruinen gerettet, wissenschaftlich restauriert, durch wenige antike Stücke aus der originalen archäologischen Sammlung der Familie Grimani in großer Zurückhaltung bereichert. Und durch ganz wenige zusätzliche Einzelstücke von besonderem historischen Wert wie der "Nuda" von Giorgione, die man von der Fassade des Fondaco dei Tedeschi rettete.
Mittlerweile ist auch die Restaurierung der 2. Etage, inklusive ihrem separaten Treppenhaus, weit vorangeschritten, während der Kunstbiennale 2015 wurden alle restaurierten Räume für die Ausstellung "Frontiers Reimagined" genutzt. Die Arbeit geht weiter.




Die Schließung des Palazzo bis auf Freitag und Samstag 14-19 Uhr galt seit 4 Wochen, dem 17. Oktober. Die gute Nachricht kommt jetzt: seit dem 7. November wurden die gekürzten Öffnungszeiten wieder zurück genommen



Dopo un breve periodo di chiusura, da oggi martedi 8/11 riapre al pubblico con un nuovo orario:

Montag geschlossen
Dienstag bis Samstag: 8:15-19:15 Uhr
Sonntag: 14-19 Uhr
Kasse schließt um 18:30 Uhr

Und es kommt noch eine gute Nachricht: ab dem 18.11., jeweils 16:30 Uhr, werden die kostenlosen Führungen an Freitagen wieder aufgenommen. Im Eintrittspreis enthalten, in italienischer Sprache von den hochqualifizierten Mitarbeiter*innen des Palazzo Grimani angeboten. 

Liebe Tourist*innen, liebe Leute mit Interesse und/oder Fachkenntnissen in Kunstgeschichte, Geschichte, Restaurationswesen, Archäologie, Architektur, liebe Profis, Wissenschaftler*innen und Venedig-Appassionati, da haben wir aber alle noch mal Glück gehabt. Und wissen jetzt, wohin uns unser nächster Besuch in Venedig unabdingbar und immer wieder führt. Wir und unser mangelndes Interesse können nicht noch mal als Ausrede dafür herhalten, dass uns die Tür zu einem unvergleichlichen Schatz vor der Nase zugeknallt wird. 





Ergänzung 13.5.2020
Ich habe einen Film der Oberen Behörde für Archäologie, Kunst und Landschaft gefunden mit Aufnahmen des Palazzo Grimani der Jahre 1969-1968. Ich verlinke ihn hier als eher ungewöhnliche Information. 
Der Zustand des Innenhofes in diesem Film erinnert mich sehr an den (spätgotischen, nicht römischen) Palazzo Donà Giovanelli, dessen Innenräume seit langer Zeit leerstehen und der Hof bis vor einigen Jahren einem Steinmetz als Werkstatt und Ausstellungsraum diente. Er hatte jedoch nicht das Glück, Museum zu werden sondern wurde zum Verkauf im Luxushotelsegment angeboten. Vom Gruppo Barletta gekauft, war die Eröffnung des Rosewood Venice für 2020 vorgesehen und auf 2022 verschoben.


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14. November 2016

Fondaco dei Tedeschi - Ansichten, Aussichten

November 2016
Am 1. Oktober wurde der Fondaco dei Tedeschi als T-Fondaco neu eröffnet. (Dazu mein Blogeintrag vom 21.8. + Ergänzungen bis 26.10.)
Erst in der 1. Novemberwoche war ich für Begleitungen und eine
Konferenz wieder in Venedig. 


August 2008
Und wie dann so oft in dieser Stadt: Zeitplanung wird eng, es bleibt nur eine Mittagspause für den Fondaco. Also mit der Linie 2 von S. Giorgio M. zu den Zattere, von da zu Fuss zur Accademia, von da wieder mit der Linie 2 bis Rialto (das Gleiche ein Stunde später zurück, mit 2 gegrillten Genoveser Brötchen vom Rialto in den Manteltaschen, mein Mittagessen) und rein in den Fondaco. Wo mich beim Eintritt in die multiparfumduftende Glitzerwelt die ersten Takte der Mondscheinsonate empfangen, ein Lieblingsstück meiner Kindheit. Herz öffnet sich unweigerlich - und klappt wieder zu, als sich der dazugehörige fette elektronische Klangteppich ausbreitet. In der Folge ist für jeden Genregeschmack was dabei, präsent und unüberhörbar. Kaum bin ich drin, reicht es mir eigentlich auch schon, vor allem die aggressive Okkupation von Ohren und Nase.  


Verkäufer*innen in leeren Markenläden
Ansonsten im Parterre: der Brunnenkopf wurde von der Mitte des Innenraums an den Rand verschoben; der schöne Ziegelfussboden ersetzt durch farbigen Hochglanz in riesigen Streifen; Teppiche, sprich staunenswerte Proben von alten Rubelli-Mustern, hängen über die Brüstungen der Etagen. Der Blick im Raum nach oben ist vertraut, aber das Raster des Glasdaches ist plump geworden. Ein kleiner Rundgang durch die Geschäfte zeigt zum ersten Mal die enorme Größe der Struktur - man kannte ja nur das Volumen des glasdeckten Hofes und die Postschalter. Nicht zu erkennen ist, ob die Raumaufteilung neu ist bzw. an welchen Vorgaben aus welcher Zeit sie sich orientiert, die beiden Treppenhäuser jedenfalls sitzen an der alten Stelle. 

Was die Rolltreppe betrifft: auch ich hatte Schlimmeres erwartet. Auf den OMA-Fotos des leeren Gebäudes beeindruckt sie, jetzt in der Luxusumgebung nicht mehr, eher irritiert ihre Banalität. Wer braucht eigentlich noch ein derart unpraktisches Dingens, wenn der Denkmalschutz kaum interessiert und es elektronische Fahrstühle gibt? Rem Koolhaas mit seinem Rolltreppentick!




Die niedergelassenen Geschäfte hier im Flughafen-DutyFree-Ambiente sind nicht mein Budget und nicht meine Freizeitbeschäftigung, die vielen unterbeschäftigten VerkäuferInnen lassen es auch nicht ratsam erscheinen, sich auszuliefern - davon abgesehen, dass ich nur eine Mittagspause habe. Also mit dem Fahrstuhl in die 4. Etage auf die hochgelobte Dachterrasse. Vom Fahrstuhl kommend, gibt es am Ende des Flurs einen Counter, an dem kostenlose Eintrittszettel mit Zeitaufdruck verteilt werden. Bei wenigen Besucher*innen fällt dieses Ritual aus und man geht einfach durch. Bei vielen Besucher*innen fällt spätestens jetzt die Warteschlange an.  
Ein güldener Tunnel führt in den spiegelglitzernden Raum mit dem Boden aus Milchglas (oder welchem Industriematerial?) über dem Innenhof, der sich zur Terrasse öffnet. 80 Eintrittszettel werden von 3 Verantwortlichen zählend wieder eingesammelt (kann man so machen - oder auch anders), und 80 Personen aufs Dach eingeladen. Nach ca. 10 Minuten (ich bin mir nicht sicher, denn die Aussicht lässt tatsächlich den Blick auf die Uhr vergessen) werden sie höflich auf 2 letzte Minuten hingewiesen und danach von der Terrasse gebeten. Bei wenigen Besucher*innen entfällt auch dieses Ritual (man bleibt, solange man möchte), und bei sehr vielen Besucher*innen wird vielleicht schneller gewechselt, weiss ich nicht.


"Glas"boden über dem Innenhof, Aufgang zur Terrasse
Die Aussicht an der Rialtobiegung des Canal Grande ist atemberaubend. Es gibt ja schon einige Aussichtspunkte in Venedig, vor allem die Campanili von S. Marco und S. Giorgio M., aber auch die niedrigere Scala del Bovolo und das Treppenhaus des Palazzo Pisani, die aber schöne Blicke in die Nachbarschaften erlauben. Auch aus Dachgeschossen hoher Palazzi, z. B. Rezzonico und Dogenpalast, kann man das Auge wandern lassen. Aber die Einheit von freiem Blick in alle Richtungen ohne Dach über dem Kopf und freier Bewegung auf dem Dach selbst sind eine außerordentliche Erfahrung. Es ist das Altana-Gefühl. Venedig ist voll von diesen schlichten, über den Dächern schwebenden Holzaufbauten, von denen man einige von unten sieht, ihre große Menge und Vielgestaltigkeit aber erst von oben. Der Männerbereich der Serenissima lag im Geschäftsleben auf der Wasserebene, einer der abgegrenzten Frauenbereiche über den Dächern (das schöne Klischee des Haare blondierens auf der Altana). Mit Rufkommunikation von Dach zu Dach. Aber dieses Gebäude war nie ein Privathaus und es hatte keine Altana. Hier lebten und arbeiteten Geschäftsmänner zusammen.


Rialtobrücke von oben
Deshalb und gleichzeitig empfinde ich die Dachterrasse als Symbol aller Niederlagen des venezianischen Denkmalschutzes. Sie ist nun da, und wir genießen den Ausblick, aber sie hätte nicht sein dürfen. Sie dient nicht dem Erhalt, nicht der Verschönerung und nicht einer notwendig gewordenen Nutzung des Gebäudes, sie dient dem Gewinn ihrer Besitzer*innen. Sie ist nun da, weil sie gegen Gesetze und mit möglicherweise unlauteren Argumenten durchgesetzt wurde. Und, da stimme ich der Meinung von Wolfgang Wagener zu (siehe Kommentar  26.10.), sie wird über kurz oder lang auch nicht mehr der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. 
Sie wird für Events solventer imageorientierter Mieter zu buchen sein und, kommt der Frühling, z. B. für romantische 'Proposals' und Hochzeiten indischer oder amerikanischer Töchter genutzt werden. Intim zu zweit oder im kleineren Rahmen von 50-100 Gästen, versteht sich. (Für Größeres mietet man die ebenfalls frisch renovierte Scuola Grande della Misericordia.) Nicht ohne Grund gibt es den Goldtunnel und weiteren befremdlichen Überwältungsglamour in den Räumen unter dem Dach. Die aber auch für internationale Präsentationen und Events weniger persönlicher Art aus den Kreisen von LVMH gut geeignet sind. Für eine 1-2tägige Veranstaltung gibt es dann eine einwöchige Sperre für die Öffentlichkeit und die Gelegenheiten, aufs Dach zu kommen, werden rar und rarer...


Aussicht mit Kreuzfahrtschiff
Bei meinem Mittagspausenschnellbesuch habe ich vergessen, einen Blick auf die Sanitäranlagen zu werfen. Marmor und Spiegel? Vielleicht japanische Elektronik in den Toiletten? Sprühen und föhnen? 

Außerdem hatte ich keine Zeit für die derzeitige Ausstellung (bis 15.1.) "Memoria dell' acqua" des venezianischen Künstlers Fabrizio Plessi. Er ist VenedigbesucherInnen bekannt durch regelmäßige Ausstellungen. Wirklich schade.
Dafür sass nach der Mittagspause der Künstler persönlich auf dem freien Stuhl neben mir in der Nachhaltigkeits-Konferenz der Fondazione Cini. Hoppla! Aber nur eine Stunde, denn als venezianische Celebrity musste er weiter zu Uraufführung der Oper Aquagrande im Fenice.



Am 20.11. (Uhrzeit noch nicht bekannt gegeben) findet das erste Konzert im Innenhof des T-Fondaco statt: ein Solidaritätskonzert des Pianisten und Komponisten Michael Nyman, der den musikalischen Teil der Ausstellung "Memoria dell'acqua" verantwortet. Eintritt frei, Spenden zugunsten der Erdbebenopfer in Mittelitalien werden erwartet. 

Vera da pozzo im Hof, Rolltreppe diskret


Interessant und von heute, 14.11. 
South China Morning Post:  DFS chief on its new Venice store and why Hong Kong luxury sales boom is over

Die Bauwelt hat in ihrer neuen Ausgabe vom 15.11. eine ergänzte Bildstrecke veröffentlicht.

Archiportale berichtet am 16.12. über das neu eröffnete "AMO" Restaurant im Innenhof des Fondaco dei Tedeschi. Moodie auf englisch. Das mag gefallen, muss aber nicht.

23.1.17 Interview des DFS-Journals (der Fondaco gehört zur DFS Group) ist mit dem Innenarchitekt des Fondaco dei Tedeschi Jamie Fobert.

Die NZZ äußert sich in einem gebührenden 4-Monats-Abstand am 26.1.17: Venezianische Demaskierung.



Ergänzung 5.2.17
Auszug aus meinem 'Kulturkalender' für das 1. Halbjahr 2017:

10.2. 21:00 Uhr Fondaco dei Tedeschi: Jazz Fabrizio Bosso.Programm und TicketsReinhören

Zwei Wochen nach diesem Eintrag wurde das Gesamtprogramm der Veranstaltungen im 'T Fondaco' bis einschließlich Juni veröffentlicht. Das scheint mit Autor*innenlesungen und viel Jazz ein richtig interessantes Angebot zu sein, noch dazu kostenlos. Auf den ersten Blick ist nicht immer klar, worum es bei den einzelnen Veranstaltungen geht, also habe ich ein bisschen recherchiert:


Ergänzung 7.2.17
Korrespondentin Aldebaran teilt regelmäßig ihre Sicht auf Venedig in Kommentaren mit, diesmal in einem Mail um Fotos anhängen zu können. Ich füge Schreiben und Fotos hier ein - herzlichen Dank wie immer!



...ich war inzwischen in Venedig und habe mir natürlich sofort am ersten Tag den neuen Fondaco dei Tedeschi angesehen. Obwohl ich alle Deine Bedenken teile, war der Besuch dennoch grandios. Ich mag diese Mischung aus Alt und Neu, wenngleich ich diesen Luxus für mich nicht brauche und auch glaube, dass ein solcher Einkaufstempel nicht nach Venedig passt. Ob die vielen gut aussehenden Damen und Herren des Verkaufs und der Security, die ja in Massen auftreten, sich auf Dauer ihre Beschäftigungsverhältnisse erhalten können, wge ich zu bezweifeln. Irgendwie hat das Ganze etwas Irreales an sich.

Die Aussicht von der Terrasse ist super. Der große Vorteil liegt wohl darin, dass man in etwa auf dem Niveau der Dächer steht und die zahlreichen Türme auf diese Weise herausragen, auch die kleineren. Diese gehen immer unter, wenn man von weiter oben nach unten sieht. Schade, dass die Aufenthaltsdauer beschränkt ist. Allerdings hatte ich bei einem anderen Besuch an einem Morgen, an dem sich kaum Interessenten fanden, weder Wartezeit noch zeitliche Beschränkung. Vielleicht sollte man diese Zeit nutzen.

Ich war 3x im Fondaco, einmal morgens, einmal abends und einmal, als es geschneit hatte, kam ich nicht auf die Terrasse, habe aber aus den Fenstern der einzuelnen Geschäfte gut raus sehen können. Man war sehr freundlich und hat mir Tipps gegeben, von wo aus ich am besten fotografieren könnte.
Die roten Treppen sind für mich ein wahrer Leckerbissen, ich mag solche farblichen Arrangements. Ich hänge ein paar z.Tl. verändere Bilder an, die mir Spaß gemacht haben.
Ich schicke die mail, weil ich im Blog keine Bilder anhängen kann. Ich habe ein bisschen mit den Treppen rumgespielt. 




Ergänzung 23.4.17:
Mehr zur neuen Ausstellung - "Waterbones" des Künstlers Loris Cecchini - , die vom 7.4.-27.11.17 läuft. Kostenlos.

Ergänzung 10.06.19:
Einfach schnell vorbeischauen geht nicht mehr. Aufs Dach kommt man jetzt nur noch per Voranmeldung und bei Vorlage der ausgedruckten Einladung. Siehe dazu "Auf, auf, die Sicht von oben genießen" meines Blogger-Kollegen von L'acqua bassa in Venedig vom 1.6.19.



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11. November 2016

Neue Restaurierungs-Cam: der Tòdaro


Schon im April dieses Jahres gab es eine kleine aber wichtige Restaurierung im Hof des Dogenpalastes: der geflügelte Löwe, das Symbol der Republik Venedig. über der Gigantentreppe. Eine Webcam wurde auf dem Gerüst installiert, und wer interessiert und geduldig war, konnte in weniger als 4 Wochen die unregelmäßig stattfindenden Arbeiten beobachten. Wenn, dann gleich immer mehrere Leute gedrängt auf dem Gerüstchen. Wenn nicht, dann war immerhin täglich per Zeitraffer zu überprüfen, ob am Vortag (rasend hektisch)  überhaupt gearbeitet wurde. 

Jetzt ist eine weitere venezianische Symbofigur eingerüstet: das Original des S. Theodoro, griechische und venezianische Kurzform Tòdaro, der zu seinem Schutz unter Dach ebenfalls im Innenhof des Dogenpalastes steht. Er war der erste Beschützer der jungen Republik Venedig und musste zurücktreten, als der wesentlich prestigesicherere Marco in Venedig eintraf. Der Tòdaro steht nun eher diskret an der Südostwand zur Basilika S. Marco, rechts neben der Seitentür zum Chor von S. Marco. An symbolträchtiger Stelle, auf einer der beiden hohen Säulen am Ufer der Piazzetta befindet sich nur seine Kopie (und wird von schon mal für einen Ritter mit Dackel an der Leine gehalten).


Kleine Seitentür  Senatorenhöfchen des Dogenpalastes
zum Chor von S. Marco
Der Dogenpalast informierte schon vor einiger Zeit, dass die Renovierung des Heiligen bevorsteht, in Verbindung mit wissenschaftlichen Untersuchungen. Heute habe ich die neu eingerichtete Webcam entdeckt, es scheint also loszugehen. 



Die Intervention soll bis in den Frühling 2017 dauern. Wer zu Arbeitszeiten nicht auf der Lauer liegen kann, hat immerhin die nachträgliche Möglichkeit über den Klick auf "time-lapse".





Ergänzung 8.6.2017:
...und fertig!
Wie man auf dem Webcam-Foto sieht, von meinem Bildschirm, High Noon, 8. Juni 2017. Herzlichen Glückwunsch.





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