Fondaco dei Tedeschi - Ansichten, Aussichten
November 2016 |
Erst in der 1. Novemberwoche war ich für Begleitungen und eine Konferenz wieder in Venedig.
August 2008 |
Verkäufer*innen in leeren Markenläden |
Was die Rolltreppe betrifft: auch ich hatte Schlimmeres erwartet. Auf den OMA-Fotos des leeren Gebäudes beeindruckt sie, jetzt in der Luxusumgebung nicht mehr, eher irritiert ihre Banalität. Wer braucht eigentlich noch ein derart unpraktisches Dingens, wenn der Denkmalschutz kaum interessiert und es elektronische Fahrstühle gibt? Rem Koolhaas mit seinem Rolltreppentick!
Die niedergelassenen Geschäfte hier im Flughafen-DutyFree-Ambiente sind nicht mein Budget und nicht meine Freizeitbeschäftigung, die vielen unterbeschäftigten VerkäuferInnen lassen es auch nicht ratsam erscheinen, sich auszuliefern - davon abgesehen, dass ich nur eine Mittagspause habe. Also mit dem Fahrstuhl in die 4. Etage auf die hochgelobte Dachterrasse. Vom Fahrstuhl kommend, gibt es am Ende des Flurs einen Counter, an dem kostenlose Eintrittszettel mit Zeitaufdruck verteilt werden. Bei wenigen Besucher*innen fällt dieses Ritual aus und man geht einfach durch. Bei vielen Besucher*innen fällt spätestens jetzt die Warteschlange an.
Ein güldener Tunnel führt in den spiegelglitzernden Raum mit dem Boden aus Milchglas (oder welchem Industriematerial?) über dem Innenhof, der sich zur Terrasse öffnet. 80 Eintrittszettel werden von 3 Verantwortlichen zählend wieder eingesammelt (kann man so machen - oder auch anders), und 80 Personen aufs Dach eingeladen. Nach ca. 10 Minuten (ich bin mir nicht sicher, denn die Aussicht lässt tatsächlich den Blick auf die Uhr vergessen) werden sie höflich auf 2 letzte Minuten hingewiesen und danach von der Terrasse gebeten. Bei wenigen Besucher*innen entfällt auch dieses Ritual (man bleibt, solange man möchte), und bei sehr vielen Besucher*innen wird vielleicht schneller gewechselt, weiss ich nicht.
"Glas"boden über dem Innenhof, Aufgang zur Terrasse |
Rialtobrücke von oben |
Sie wird für Events solventer imageorientierter Mieter zu buchen sein und, kommt der Frühling, z. B. für romantische 'Proposals' und Hochzeiten indischer oder amerikanischer Töchter genutzt werden. Intim zu zweit oder im kleineren Rahmen von 50-100 Gästen, versteht sich. (Für Größeres mietet man die ebenfalls frisch renovierte Scuola Grande della Misericordia.) Nicht ohne Grund gibt es den Goldtunnel und weiteren befremdlichen Überwältungsglamour in den Räumen unter dem Dach. Die aber auch für internationale Präsentationen und Events weniger persönlicher Art aus den Kreisen von LVMH gut geeignet sind. Für eine 1-2tägige Veranstaltung gibt es dann eine einwöchige Sperre für die Öffentlichkeit und die Gelegenheiten, aufs Dach zu kommen, werden rar und rarer...
Aussicht mit Kreuzfahrtschiff |
Außerdem hatte ich keine Zeit für die derzeitige Ausstellung (bis 15.1.) "Memoria dell' acqua" des venezianischen Künstlers Fabrizio Plessi. Er ist VenedigbesucherInnen bekannt durch regelmäßige Ausstellungen. Wirklich schade.
Dafür sass nach der Mittagspause der Künstler persönlich auf dem freien Stuhl neben mir in der Nachhaltigkeits-Konferenz der Fondazione Cini. Hoppla! Aber nur eine Stunde, denn als venezianische Celebrity musste er weiter zu Uraufführung der Oper Aquagrande im Fenice.
Am 20.11. (Uhrzeit noch nicht bekannt gegeben) findet das erste Konzert im Innenhof des T-Fondaco statt: ein Solidaritätskonzert des Pianisten und Komponisten Michael Nyman, der den musikalischen Teil der Ausstellung "Memoria dell'acqua" verantwortet. Eintritt frei, Spenden zugunsten der Erdbebenopfer in Mittelitalien werden erwartet.
Vera da pozzo im Hof, Rolltreppe diskret |
Interessant und von heute, 14.11.
South China Morning Post: DFS chief on its new Venice store and why Hong Kong luxury sales boom is over
Die Bauwelt hat in ihrer neuen Ausgabe vom 15.11. eine ergänzte Bildstrecke veröffentlicht.
Archiportale berichtet am 16.12. über das neu eröffnete "AMO" Restaurant im Innenhof des Fondaco dei Tedeschi. Moodie auf englisch. Das mag gefallen, muss aber nicht.
23.1.17 Interview des DFS-Journals (der Fondaco gehört zur DFS Group) ist mit dem Innenarchitekt des Fondaco dei Tedeschi Jamie Fobert.
Die NZZ äußert sich in einem gebührenden 4-Monats-Abstand am 26.1.17: Venezianische Demaskierung.
Ergänzung 5.2.17
Auszug aus meinem 'Kulturkalender' für das 1. Halbjahr 2017:
10.2. 21:00 Uhr Fondaco dei Tedeschi: Jazz Fabrizio Bosso.Programm und Tickets. Reinhören.
Zwei Wochen nach diesem Eintrag wurde das Gesamtprogramm der Veranstaltungen im 'T Fondaco' bis einschließlich Juni veröffentlicht. Das scheint mit Autor*innenlesungen und viel Jazz ein richtig interessantes Angebot zu sein, noch dazu kostenlos. Auf den ersten Blick ist nicht immer klar, worum es bei den einzelnen Veranstaltungen geht, also habe ich ein bisschen recherchiert:
- 15.2. 18:30 Uhr Lesung Giuseppe Culiccia; Rezension,Blog des Autors.
- 3.3. 19:00 Uhr fontego in celluloid: Filmvorführungen des Dokumentarfilmwettbewerbs Franceso Pasinetti.
- 7.3. 18:30 Uhr Lesung Viola di Grado;Rezension, Verlagswebsite, Interview.
- 17.3. 18:30 Uhr Kinga Glyk Trio. Hochgelobter Jazz aus Polen. (Am 9.2. Auftritt in Innsbruck und am 11.2. in Friedrichshafen.) Reinhören.
- 22.3. 22:00 Uhr fontego in danza: Tanzabend, vermutlich mit DJs
- 30.3. 21:00 Uhr Lesung Michael Chabon; Rezensionen, noch eine Rezension, Verlagswebseite.
- 11.3. 18:30 Uhr Lesung Marco Rossari; Verlagswebseite,Interview
- 21.4. 18:30 Uhr Marea Quartet & Javier Girotto; Website Javier Girotto, Reinhören bei Javier Girotto.
- 26.4. 19-19:15, 19:30-19:45, 20-20:15 Uhr. fontego in danza. Diese Veranstaltung ist mir ein Rätsel.
- 2.5. 18:30 Uhr Lesung Vitaliano Trevisan; Verlagswebsitedes letzten veröffentlichten Buches.
- 19.5. 18:30 Mauro Ottolini Trio; Website des Künstlers,Reinhören.
- 24.5. 19-19:15, 19:30-19:45, 20-20:15 Uhr. fontego in danza. Siehe 26.4.
- 6.6. 18:30 Uhr Lesung (der Comic bzw. Fumetti-Autorin)Lorena Canottiere; Blog der Künstlerin, Reingucken.
- 16.6. 18:30 Flo - Il mese del rosario; Reinhören.
Ergänzung 7.2.17
Korrespondentin Aldebaran teilt regelmäßig ihre Sicht auf Venedig in Kommentaren mit, diesmal in einem Mail um Fotos anhängen zu können. Ich füge Schreiben und Fotos hier ein - herzlichen Dank wie immer!
...ich war inzwischen in Venedig und habe mir natürlich sofort am ersten Tag den neuen Fondaco dei Tedeschi angesehen. Obwohl ich alle Deine Bedenken teile, war der Besuch dennoch grandios. Ich mag diese Mischung aus Alt und Neu, wenngleich ich diesen Luxus für mich nicht brauche und auch glaube, dass ein solcher Einkaufstempel nicht nach Venedig passt. Ob die vielen gut aussehenden Damen und Herren des Verkaufs und der Security, die ja in Massen auftreten, sich auf Dauer ihre Beschäftigungsverhältnisse erhalten können, wge ich zu bezweifeln. Irgendwie hat das Ganze etwas Irreales an sich.
Die Aussicht von der Terrasse ist super. Der große Vorteil liegt wohl darin, dass man in etwa auf dem Niveau der Dächer steht und die zahlreichen Türme auf diese Weise herausragen, auch die kleineren. Diese gehen immer unter, wenn man von weiter oben nach unten sieht. Schade, dass die Aufenthaltsdauer beschränkt ist. Allerdings hatte ich bei einem anderen Besuch an einem Morgen, an dem sich kaum Interessenten fanden, weder Wartezeit noch zeitliche Beschränkung. Vielleicht sollte man diese Zeit nutzen.
Ich war 3x im Fondaco, einmal morgens, einmal abends und einmal, als es geschneit hatte, kam ich nicht auf die Terrasse, habe aber aus den Fenstern der einzuelnen Geschäfte gut raus sehen können. Man war sehr freundlich und hat mir Tipps gegeben, von wo aus ich am besten fotografieren könnte.
Die roten Treppen sind für mich ein wahrer Leckerbissen, ich mag solche farblichen Arrangements. Ich hänge ein paar z.Tl. verändere Bilder an, die mir Spaß gemacht haben.
Ich schicke die mail, weil ich im Blog keine Bilder anhängen kann. Ich habe ein bisschen mit den Treppen rumgespielt.
Ergänzung 23.4.17:
Mehr zur neuen Ausstellung - "Waterbones" des Künstlers Loris Cecchini - , die vom 7.4.-27.11.17 läuft. Kostenlos.
Ergänzung 10.06.19:
Einfach schnell vorbeischauen geht nicht mehr. Aufs Dach kommt man jetzt nur noch per Voranmeldung und bei Vorlage der ausgedruckten Einladung. Siehe dazu "Auf, auf, die Sicht von oben genießen" meines Blogger-Kollegen von L'acqua bassa in Venedig vom 1.6.19.
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2 Kommentare:
An excellent and really interesting post, with equally excellent and informative photos. The image from 2008 provides a wonderful basis for comparison and your images of the new interior give real insight into one's actual experience of the interior (as opposed to the press release images).
I've been trying to write something about the Fondaco for over a week, and am happy that if I do eventually post something about it I can simply refer readers to your piece: for as regards certain elements of the place there's nothing I can add to what you've said.
Thanks Steven. Reference and appreciation welcome. The status quo is like it is now - but let's wait 10 years and then see. Or let your son have a look at it when he will be 60 :-)
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