25. Oktober 2009

Biennale in stillgelegten Kirchen

Hauptaltar S. Maddalena, Kunst von Judy Millar

Nicht versäumen sollte man einen Besuch der stillgelegten und normalerweise nicht zugänglichen Kirchen, in denen die Biennale ausstellt, und sei es nur, um seine Neugier zu befriedigen:

S. Maddalena in Cannaregio
S. Leonardo in
Cannaregio
Sant'Elena in Castello
S. Marta in S. Croce
SS. Cosmas e Damiano auf der Giudecca.
Bis auf die ersten beiden liegt das alles weit auseinander, an den äußersten Ecken der Stadt sozusagen.

Vom Äußeren her hatte ich vom Rundbau der
S. Maddalena mehr erwartet, wahrscheinlich etwas longhenahaftes, ähnlich der Salute. Ist aber bis auf die Freimaurersymbolik über dem Portal und zwei neuen, naiven Wandmalereien im Chorraum eher langweilig und kein unersetzlicher Verlust, dass diese Kirche geschlossen ist.

Kunstwerke F. Upritchard + Tischlampe Neuseeland, Deckengemälde + Wandlampe im Palazzo Mangilli-Valmarana
Zu sehen ist eine von zwei Teilen der Ausstellung von Neuseeland, hier von Judy Millar. Die Rotunde der Kirche ist mit den großen Exponaten völlig zugestelt, die eigentlich auch kein Anlass zu Begeisterungsstürmen sind. Haltestelle Ca d'oro (dann nach links gehen) oder S. Marcuola (dann nach rechts gehen).

Besser gefiel mir übrigens der zweite Teil der Neuseeland-Beiträge von Francis Upritchard, den es nicht in einer stillgelegten Kirche, sondern im Palazzo Mangilli-Valmarana, neben der Ausstellung von Island, am Ende der Strada Nova zu sehen gibt.
Durch den für Venedig beachtliche
n Vorgarten geht man durch das Vordergebäude und den kleinen Innenhof auch in diesem Palazzo nach hinten durch bis zum Haus direkt am Canal Grande. Ein frisch von der Decke fallendes großes Stück Putz im Flur beeindruckte den Postzusteller ebenso wie mich während wir beide zur Seite sprangen, aber die Decken in den Ausstellungsräumen sind nicht nur gut erhalten, sondern tragen auch sehr schöne Gemälde.

S. Leo, der Planet Kurdistan

Von der Maddalena nach links immer der Strasse nach in Richtung Guglie Brücke ist es nicht weit bis S. Leonardo, wo bei den Gemüseständen zum erstenmal eine kurdische Ausstellung unter dem Titel 'Planet Kurdistan' zu sehen ist.

Schon von aussen ist die Kirche in kurdischen Farben markiert. Dass die Ausstellung eine politische Dimension hat, ist klar, ich empfinde sie aber nicht als übertrieben. Ein bisschen Folkore ist auch dabei, aber auch einige sehr wirkungsvolle und berührende Exponate. Die Kirche selbst existiert nur als Leerraum, es gibt keine Altäre, Wandschmuck etc. mehr, wie z. B. in S. Stae.

In S. Leonardo, rechts und links

Abe
r die Kurden haben den Boden mit wunder-
baren Teppichen ausgelegt,
so dass es mir eigentlich peinlich ist, den Raum mit Schuhen zu betreten. Ich hätte sie doch ausziehen sollen...


Von der Haltestelle Guglie kommt man mit der Linie 51 nach S. Marta (1. Haltestelle nach Piazzale Roma). Von dort sind es gut 100 m in Fahrrichtung, dann links, zur Kirche S. Marta, wo mich wirklich eine Überraschung erwischte.
S. Marta, Auditorium unter dem Kirchendach

Die Welt kennt berühmte Fälle von Neubauten in Tempeln - die Kathedrale von Cordoba in der moslemischen Mezquita oder die osmanische Moschee in der Akropolis von der Athen - in S. Marta wurde in den völlig entkernten Kirchenraum bis fast unters nackte Dachgestühl eine komplette Konferenz- oder Tagungsinfrastruktur eingebaut. Die Kirche dient jetzt als offzielles Empfangsgebäude für den Hafen.
Es gibt ein amphittheatrisches Auditorium mit Blick auf den Seiteneingang / den Kreuzfahrhafen, davor die perfekte Präsentationstechnik mit allem Pipapo; unter den ansteigenden Sitzreihen diverse komfortable Toiletten- und Waschräume; rechts und links vom Auditorium zweistöckige Technik- und Büroräume mit kompletter Higtechausstattung plus Fahrstuhl auf die Galerie über dem Auditorium.
S. Marta, Kunst im frei gebliebenen Kirchenraum

An den Mauerwänden der Kirche, aber auch innerhalb der Konfe-
renzanlage auf beiden Etagen und in den freien Flächen darum herum, ist die Ausstel-
lung 'Porto d'Arti' installiert. Die teilweise sehr klare und ästhetische, vor allem handwerklich sehr ausgefeilt
e Werke enthält.



SS. Cosma e Damiano und Kreuzgang vom Kreuzgang
Die Ausstellung in SS. Cosma e Damiano erreicht man von S. Marta mit der Linie 41, Haltestelle Palanca, von dort nach rechts und die 4. oder 5. Gasse (Calle del pistor) nach links. In diesem Sottoportego befindet sich übrigens das Archiv Luigi Nono, das ich bei dieser Gelegenheit endlich gefunden habe. Der Kreuzgang hinter der Kirche ist offen und bewohnt, überhaupt scheint es im ganzen Komplex Sozialwohnungen zu geben, und hinter den Wohngebäuden ist grüne Wildnis. Die mir immer noch sehr unbekannte Giudecca zeigt sich bei solchen Gelegenheit peu à peu. (Außer der Ausstellung im Altenheim hinter den Zitelle und dieser hier habe ich noch "Wales in Venice" von John Cale in der alten Brauerei besucht, eine sehr beeindruckende Video-Musik-Installation in einer schönen alten Industriearchitektur.)
Ausstellung Palästina
Die Ausstellung ist leider nicht in der Kirche selbst, sondern in der 1. Etage eines Trakts des ehemaligen Klosters, in dem sich neben Nono weitere Kultur, z. B. Theatergruppen, eingerichtet haben. Es ist die erste Biennale-Beteiligung Palästinas unter dem Titel 'Palestine c/o Venice'. Eine kleine, aber beachtliche Ausstellung, die den Weg auf die Guidecca, zumal in dieser Lokalität, wert ist.

Parco delle Rimembranza, die Bäume voller Tauben (die heimatlos gewordenen von der Piazza?)

Nach Sant'Elena kommt man ab Palanca mit der Linie 41, bis zur Haltestelle S. Elena (nach Giardini). Dort geht man durch den Parco della Rimembranza, in dem man sich der Opfer der Weltkriege und von Naturkatastrophen erinnert, nach rechts bis zum Rio di S. Elena. Man nimmt die 2. Brücke und geht zwischen dem ummauerten Gelände der Militärschule Francesco Morosini rechts und dem ummauerten Gelände des Fussballstadions links eine Pappelallee entlang. Von der Haltestelle insgesamt ein Fussweg von weniger als 10 Minuten, aber trotzdem: wer macht sich schon die Mühe, hier her zu kommen?

Portal Kirche S. Elena
Dies hier war frühe
r Lagune, die Insel S. Elena bestand ausschließlich aus der Kirche und dem Männerkloster. Noch Napoleon sah die Insel romantisch aus dem Lagunendunst ragen. Zwischen der Isola di S. Elena und der Isola di S. Pietro di Castello liegt die Darsena di S. Elena, mit der großen Marina des venezianischen Segelklubs D. V. V. (Diporto Velico Veneziano). Die Kirche ist laut Aushang geöffnet um 18 Uhr (Rosenkranzgebet), aber mir genügte für dieses mal das beeindruckende Portal mit dem Grabmal des Admirals Vettor Cappello im Tympnon, der kniend vor der heiligen Helena dargestellt ist. Schön pathetisch und frisch geputzt, die Gerüste standen im Juni noch.



Ausstellung im ehemaligen Kloster S. Elena

Die Ausstellung internationaler Künstlerinnen unter dem Titel 'La seduzione nel segno' findet sich hinter der Gartenpforte des ehemaligen Klosters, das heute eine ganze Reihe Büros (glänzende Namensschilder!) kirchlicher und anderer NGO enthält.
Die einzelnen Exponate stehen für sich und sind nicht im geringsten aufeinander bezogen, aber jedes für sich e
in schönes Angebot zur Kontemplation.
Mal wieder eine Ausstellung, in der ich völlig alleine war, ausser einer einsamen Aufpasserin vor ihrem Laptop, die sich über Besuch und ein kleines Gespräch freute.


Blick von der Insel S. Elena über die Segelmasten zur Insel und Kirche S. Pietro





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