Die letzten 4 Wochen der 54. Biennale...
Ausstellungspavillon Cuba auf S. Servolo. Leider vergessen, Künstlernamen & Titel zu notieren.
...die am 27 November schließt, bieten trotz vieler bereits beendeter 'eventi collaterali' des Sommers noch interessante Länderausstellungen in der Stadt, auf die ich bisher noch nicht hingewiesen habe.
Dazu gehören die auf der Insel S. Servolo, Cuba und Syrien. Cuba hat fast 50 Jahre nicht an der Biennale teilgenommen und zeigt unter dem Titel 'Cuba mon amour' eine Palette kraftvoller Arbeiten, Malerei und Skulpturen vor allem. Pathos durchaus, aber wenig Fidel-Pathos. Hat mir sehr gut gefallen.
Pavillon Syrien auf S. Servolo
Die Ausstellung Syriens 'Evolution' ist zurückhaltender (aufgrund der politischen Situation?), vor allem indem viele nicht syrische KünstlerInnen vertreten sind (Nemat Badawi, Nizar Sabour, Rima Salamoun, Sabhan Adam, Talal al Abdalla, Bernard Aubertin (Frankreich), Salvo Pastorello, Beppe Bonetti (Italien), Renato Mambor (Italien), Piero Mottola (Italien), Ivan Lardschenider (Italien), and PG-SLIS. Die ich bisher alle nicht kannte. Es gibt auch keine eigene Website der Ausstellung. Selber ansehen ist zu empfehlen.
Mensagebäude (rechts) des Kongresszentrums San Servolo
Der Ausstellungsbesuch auf S. Servolo ist natürlich der kleine Ausflug ins Grüne, diverse schöne Aussichtpunkte in die Laguna Sud, nach S. Lazzaro degli Armeni, ein bisschen Liegen im Gras unter Bäumen, die Inselcafeteria im Hauptgebäude, oder, wenn es zeitlich passt, ein günstiges Mittagessen in der Mensa im letzten Gebäude auf der rechten Seite, am Ende von S. Servolo.
Ich fand in diesem Jahr erstaunlich viele große tote Bäume im Park auf der gesamten Insel und frage mich, ob ich vor 2 Jahren keinen Blick dafür hatte, oder ob hier ein Baumsterben vor sich geht? Und wenn ja, warum?
(Vaporetto Linie 20 ab S. Zaccaria)
Video 'Music While We Work', Hong-Kai Wang, Foto entnommen dem Ausstellungs-
programm '& The Unheard, Soundscape Taiwan
Weiter sind sehenswert in der Stadt die (bisher noch nicht erwähnten) Länderausstellungen von Taiwan, Zimbabwe und Azerbaijan. Taiwan wie immer in der Location des Palazzo delle Prigioni, der ehemaligen Gefängnisse neben dem Dogenpalast an der Riva. Ein überaus beeindruckendes düsteres Gebäude, 1589 von Antonio da Ponte begonnen und 1614 von Antonio Contino fertiggestellt. Die Gefängnisse erreicht man über die Seufzerbrücke beim Rundgang durch den Dogenpalast.
Die heutigen Ausstellungsräume liegen im ehemaligen Sitz der Signori di Notte al Criminal, zuständig für den Wachdienst und die Anklage von Kriminellen, im vorderen Gebäudeteil durch den Haupteingang (erste Etage).
Die Biennale-Ausstellung selbst 'The heard and the unheard' ist mehr für die Ohren, viele Kopfhörer + Sitzgelegenheiten, damit man sich in Ruhe auf das zu Lauschende, teilweise ziemlich Überraschende, einlassen kann. Einige faszinierende Videos.
Zimbabwe, Misheck Masamvu, Rebirth
Zimbabwe, zwei Brücken weiter auf der Riva, direkt hinter der Kirche der Pietà links, (Istituto S. Maria della Pietà, 2. Etage, Fahrstuhl), ist zum ersten Mal dabei und tritt in ganz unspektakulären Räumen auf, aber dafür ist die Ausstellung 'Seeing ourselves' beeindruckend bis ergreifend. Und überraschend vielfältig in der Auswahl der Exponate. Unbedingt sehenswert.
Azerbaidjan hat wieder den Vorzug, in einem Palazzo auszustellen, der normalerweise nur zur Biennale öffentlich zugänglich ist, der Palazzo Benzon am Canal Grande (leider sind diesmal die Balkons zum Canal nicht geöffnet, wie 2009).
Ausstellung Azerbaidjan, Portego des Piano Nobile, Palazzo Benzon. Blick zum Garten, nicht zum Canal Grande
Ein ganz typischer Palazzo, mit Mittel- und Seitenteilen, die im Parterre in Androne mit Wassertor und Lagerräume rechts und links gegliedert sind, darüber in Portego durch die ganze Länge des Hauses und dem Parterre entsprechende Seitenräume, schöne Deckenfresken & Stuck.
Die oberste Etage ist nicht zugänglich, aber man kann hier eine Ferienwohnung mieten. Die Ausstellung 'Relational' ist ziemlich groß, ziemlich spannend, ziemlich vielseitig sprich auch von unterschiedlicher Qualität, auf jeden Fall besuchenswert.
(Vaporettostation S. Angelo, Linie 1, von da links halten, 2 Brücken.)
Kleine Ecke auf dem Dachboden des Palazzo Fortuny, in der es anscheinend NOCH höher geht...
Vom Palazzo Benzon sind es nur ein paar Meter zum Palazzo Fortuny, wo (jenseits der Biennale) die vielgelobte Ausstellung 'TRA - The Edge of Becoming' läuft, die bei meinem Besuch rappelvoll war. Man wurde gebeten, 10 Minuten auf dem Campo S. Beneto zu warten. Dieser Hype ist natürlich übertrieben, bei all den spannenden Angeboten in der Stadt. Aber die Empfehlung 'Palazzo Fortuny hat sich anscheinend seit der Ausstellung 'In-Finitum' 2009 herumgesprochen.
TRA entspricht in der Konzeption exakt 'In-Finitum', die mich sehr begeisterte. Diese 'Kopie' macht die Ausstellung keineswegs weniger sehenswert. Die Exponate sind andere, abgesehen von der Einrichtung des Piano Nobile, aber wieder wunderbar ausgewählte Einzelstücke verbunden zu einer Gesamtkomposition auf jeder einzelnen Etage und im ganzen Haus.
Auszug aus dem Katalog für die Exponate im 1. Piano Nobile
Es gibt für das Piano Nobile und den Dachboden jeweils Kataloge zur Identifikation der vielen kleinen und großen Exponate. Wenn man erstmal drin ist, kann es schon mal länger dauern, dazu lädt diese Ausstellung (und die vielen Sitzgelegenheiten) ein, und die große Anzahl der Besucher verteilt sich letztendlich auf den 4 Etagen ganz gut. Unter dem Link oben gibt es eine überzeugende Virtual Tour, in der aber nicht die ausgestellten Videos enthalten sind, die alle einen gewissen meditativen Charakter haben und mir sehr gut gefielen.
Glasstress:
Sehr großer gläserner Schreibtisch von Zaha Hadid (Detail)
Als 'collateral event' der Biennale wird auch in diesem Jahr die Ausstellung 'Glasstress' verkauft, im Wortsinne, Eintritt 10 €, im Palazzo Franchetti an der Accademia Brücke.
Ich empfehle die Ausstellung mit gemischten Gefühlen. Einerseits ist dies ein sehr schönes Haus, erlesen ausgestattet bzw. renoviert, von den Parketts über die Tapisserien zu den Zimmerdecken, nicht zu vergessen das opulente Treppenhaus und der schöne Blick auf den Canal Grande, die Brücke, die Accademia...
Andererseits ist die Qualität der Exponate sehr unterschiedlich, Glaskunst kann sehr hart am Kitsch entlang schrammen und manchmal tut es (mir) schon ein bisschen weh. Trotzdem fasziniert, was Künstler mit diesem schwierigen Material machen. Aber der fette Eintrittspreis und die ärgerliche Tendenz, immer mehr 'collateral events', geadelt mit dem Logo der Biennale, als Dukatenscheißer während des Biennalesommers zu nutzen.
Skulptur von Erwin Wurm im Garten (Elternhaus)
Im Garten zum Canal Grande steht in diesem Jahr die begehbare Skulptur (des Elternhauses) des Künstlers Erwin Wurm, deren Schlichtheit in der pompösen Nachbarschaft des Palazzo schon sehr eindrücklich ist, und innen herrscht das private Grauen der 50er und frühen 60er Jahre. Leider nur mit Glasstress-Eintrittskarte!
Im nächsten Eintrag zeige ich meine Favoriten der Biennale und verleihe zum ersten Mal den von mir gegründeten giftigen Preis "Warwohlnix" für die ärgerlichste Ausstellung des Biennalesommers. Spannung!
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