11. Dezember 2015

Eine Prozession auf der Piazza San Marco...

Gentile Bellini, Prozession auf dem Markusplatz 1496
... gehört zu den historischen Ereignissen, die wir uns ganz gut vorstellen können, denn es gibt viele Darstellungen. Dogenwahl, Fronleichnam, Verabschiedung der Flotte und des Capitan general dal mar, Empfang von Papst und Kaiser - aber auch Bittprozessionen und die aus Konstantinopel übernommenen Paraden der heiligen Ikonen sind uns von wunderbaren Bildern bekannt. 

In letzter Zeit fand ich beim Schräglesen italienischer Online-Schlagzeilen häufig den Begriff Prozession und "Il Giubileo" und bei näherem Nachlesen die Information, dass am kommenden Sonntagnachmittag, 13.12., eine große Prozession auf die Piazza S. Marco ziehen wird. 

Hintergrund ist das katholische "Jubeljahr" (italienisch Giubileo), das Papst Francesco außerplanmäßig angesetzt hat, um seinem Thema 'Barmherzigkeit' mehr Öffentlichkeit zu verschaffen. Ohne Marketing gehts nun mal nicht. Und da der Kern der Jubeljahre der Ablass ist (= Nachlass der Sündenstrafen), der nach bestimmten Vorgaben erteilt wird inkl. schriftlicher Quittung, bringt ein Jubeljahr große Pilgerbewegungen und verstärkten Tourismus, heute nicht anders als im Mittelalter. Damals nach Rom, dieses Mal auch an andere Orte wie Venedig. Auch der Touring Club Italiano hat sich mit Detailinformationen darauf eingestellt, allerdings anscheinend nur Rom betreffend. 


Ciacomo Franco, 1550-1610 Prozession auf der Piazetta
(rechts Dogenpalast, links Bibliothek, ganz vorne rechts die Todaro-Säule)
Das wichtigste Ritual (neben Gottesdienstbesuch und Beichte) scheint die "Porta Santa" zu sein, die es in allen beteiligten Kirchen gibt, die jeweils dauerhaft verschlossen ist und nur für ein "Giubileo" feierlich geöffnet wird. In Venedig ist die Heilige Tür die Porta S. Clemente der Basilica S. Marco, die während des Jubeljahres für PilgerInnen geöffnet bleibt, neben der Tür, die zum touristischen Rundgang führt. PilgerInnenrundgang und TouristInnenrundgang sind absichtsvoll getrennt und wir TouristInnen sollten darauf streng Rücksicht nehmen. 

Die römische Porta Santa wurde vom Papst am 8.12. eröffnet, die venezianische ist am Sonntag, 13.12. dran. 1000 (!) ausgewählte venezianische WallfahrerInnen aus allen Gemeinden der Stadt (und Klöstern, den Patriarchatsinstitutionen etc.) nehmen daran teil. Sie haben ein personalisiertes Badge (Pass am Band) um den Hals hängen, wirksame Sicherheitskontrollen sind geplant. 

(Das Sicherheitskonzept gilt künftig auch für andere Massenveranstaltungen wie Carnevale u. Ä.: die Piazza wird über nur einen Eingang in Gruppen und polizeilich kontrolliert betreten, der Fluss ist steuerbar und kann jederzeit gestoppt werden. Es gibt 4 Ausgänge, die auch als Eingänge für zusätzliche Sicherheits- oder Rettungskräfte funktionieren. Die Piazza ist für diese Profis in Zonen eingeteilt, die Zuständigkeit und Bewegung erleichtern. Es gibt 4 Erste Hilfe Stationen, polizeiliche Überwachung auch von oben, Pläne zur evtl. erforderlich werdenden 'Dekompression' und weitere Vorkehrungen. Siehe Artikel vom 7.12., La Nuova.)

Ein Teil der venezianischen FestpilgerInnen trifft sich, wenn ich das richtig verstehe, in S. Salvador und zieht den Weg zur Piazza, wo sich alle TeilnehmerInnen um 15:30 Uhr versammeln. Die Eröffnung der Porta S. Clemente und damit der Jubeljahres durch den Patriarch um 16 Uhr (3 x anklopfen, Tür auf...) ist ein öffentlicher Akt, und ein gewissermaßen einzigartiger (kirchen-)historischer, möchte ich hinzufügen, unabhängig von Glauben oder Nichtglauben der Anwesenden. Anschließend zieht die Prozession, zuerst die Würdenträger, dann die Gemeinde, in S. Marco ein und die Veranstaltung ist geschlossen und nicht öffentlich.

Wer nicht in Venedig ist am Sonntag, das sind die meisten von uns, kann vielleicht einen Blick aufs Ereignis werfen über die Live-Wecam am Uhrenturm (Achtung mit Ton! Nicht erschrecken, wenn plötzlich die Glocken läuten). Vorausgesetzt, sie wird nicht in schöner venezianischer Tradition abgeschaltet, solange es was zu sehen GÄBE.


Francesco Guardi, 1758
Nächtliche Prozession auf dem Markusplatz

Ergänzung zu den Sicherheitsvorkehrungen am Sonntag:
La Nuova 11.12.

Ergänzung 13.12.
Na, ob das heute 1000 PilgerInnen waren? Man darf es bezweifeln.
Bericht von La Nuova zur Eröffnung des Jubeljahres heute Nachmittag in Venedig (und Chiogga), enthält 3 kurze Fimsequenzen und viele Fotos.


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3 Kommentare:

Birgit hat gesagt…

Danke für diesen tollen Hinweis!

freudensammler hat gesagt…

Danke für die detaillierten Infos und den Link zur Video-Webcam. Ich dachte, ich kenne schon alle Venedig-Webcams.

ebbonn hat gesagt…

Das dachte ich auch schon ein paar Mal :-)
Diese Skyline Webcams scheinen ziemlich neu zu sein und der Ton bei der Piazzetta-Webcam ist wirklich ein "Alleinstellungsmerkmal".