30. Oktober 2009

Migropolis


Venedig ist eines der globalen Zentren, an denen zwei höchst un-
terschiedli-
che Menschen-
ströme aufeinander treffen: Migranten und Touristen.


Im September habe ich ein Plakat fotografiert, das zum Kauf nicht zur Verfügung stand: fünf Afrikaner, beladen mit Säcken, die wohl wie üblich kopierte Markenlederartikel enthalten, lassen sich auf dem Traghetto von S. Mario Giglio nach Dorsoduro übersetzen.

Man kennt die Afrikaner aus dem Stadtbild und ihre normalerweise weissen Leinentücher in denen sie ihre Ware huckepack transportieren, und die nie einzeln, immer in Gruppen unterwegs sind, egal ob in Venedig oder Athen.

Es gab vor ein paar Jahren Plakate in Venedig, die vor dem Kauf warnten und auf die prekäre Situation der Verkäufer hinwiesen.
Ich konnte nicht eindeutig erkennen wofür dieses Plakat warb und vermutete eine Tagung/Veröffentlichung o. Ä. zum Migrations"problem" in Europa, besonders in Italien.

Mittlerweile ist klar, worum es geht: eine Untersuchung/ Veröffentlichung/Ausstellung zur Situation der Stadt Venedig im globalen Kontext, erarbeitet von Studierenden der Universität Venedig.


Wer bis 6.12. nach Venedig kommt, sollte sich die Ausstellung nicht entgehen lassen, ansonsten ist das Buch (die beiden Bücher im Schuber) ersatzweise sicher von hohem Interesse.


Artikel der Süddeutschen Zeitung "Das wahre Gesicht von Venedig", 8.10.2009

Veröffentlichung der Untersuchung - Hatje Cantz Verlag

Terminkalender VeneziaSi (engl.)

Fondazione Bevilaaqua La Masa (ital.)

Kursangebot der IUAV aus dem Jahr 2006


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25. Oktober 2009

Biennale in stillgelegten Kirchen

Hauptaltar S. Maddalena, Kunst von Judy Millar

Nicht versäumen sollte man einen Besuch der stillgelegten und normalerweise nicht zugänglichen Kirchen, in denen die Biennale ausstellt, und sei es nur, um seine Neugier zu befriedigen:

S. Maddalena in Cannaregio
S. Leonardo in
Cannaregio
Sant'Elena in Castello
S. Marta in S. Croce
SS. Cosmas e Damiano auf der Giudecca.
Bis auf die ersten beiden liegt das alles weit auseinander, an den äußersten Ecken der Stadt sozusagen.

Vom Äußeren her hatte ich vom Rundbau der
S. Maddalena mehr erwartet, wahrscheinlich etwas longhenahaftes, ähnlich der Salute. Ist aber bis auf die Freimaurersymbolik über dem Portal und zwei neuen, naiven Wandmalereien im Chorraum eher langweilig und kein unersetzlicher Verlust, dass diese Kirche geschlossen ist.

Kunstwerke F. Upritchard + Tischlampe Neuseeland, Deckengemälde + Wandlampe im Palazzo Mangilli-Valmarana
Zu sehen ist eine von zwei Teilen der Ausstellung von Neuseeland, hier von Judy Millar. Die Rotunde der Kirche ist mit den großen Exponaten völlig zugestelt, die eigentlich auch kein Anlass zu Begeisterungsstürmen sind. Haltestelle Ca d'oro (dann nach links gehen) oder S. Marcuola (dann nach rechts gehen).

Besser gefiel mir übrigens der zweite Teil der Neuseeland-Beiträge von Francis Upritchard, den es nicht in einer stillgelegten Kirche, sondern im Palazzo Mangilli-Valmarana, neben der Ausstellung von Island, am Ende der Strada Nova zu sehen gibt.
Durch den für Venedig beachtliche
n Vorgarten geht man durch das Vordergebäude und den kleinen Innenhof auch in diesem Palazzo nach hinten durch bis zum Haus direkt am Canal Grande. Ein frisch von der Decke fallendes großes Stück Putz im Flur beeindruckte den Postzusteller ebenso wie mich während wir beide zur Seite sprangen, aber die Decken in den Ausstellungsräumen sind nicht nur gut erhalten, sondern tragen auch sehr schöne Gemälde.

S. Leo, der Planet Kurdistan

Von der Maddalena nach links immer der Strasse nach in Richtung Guglie Brücke ist es nicht weit bis S. Leonardo, wo bei den Gemüseständen zum erstenmal eine kurdische Ausstellung unter dem Titel 'Planet Kurdistan' zu sehen ist.

Schon von aussen ist die Kirche in kurdischen Farben markiert. Dass die Ausstellung eine politische Dimension hat, ist klar, ich empfinde sie aber nicht als übertrieben. Ein bisschen Folkore ist auch dabei, aber auch einige sehr wirkungsvolle und berührende Exponate. Die Kirche selbst existiert nur als Leerraum, es gibt keine Altäre, Wandschmuck etc. mehr, wie z. B. in S. Stae.

In S. Leonardo, rechts und links

Abe
r die Kurden haben den Boden mit wunder-
baren Teppichen ausgelegt,
so dass es mir eigentlich peinlich ist, den Raum mit Schuhen zu betreten. Ich hätte sie doch ausziehen sollen...


Von der Haltestelle Guglie kommt man mit der Linie 51 nach S. Marta (1. Haltestelle nach Piazzale Roma). Von dort sind es gut 100 m in Fahrrichtung, dann links, zur Kirche S. Marta, wo mich wirklich eine Überraschung erwischte.
S. Marta, Auditorium unter dem Kirchendach

Die Welt kennt berühmte Fälle von Neubauten in Tempeln - die Kathedrale von Cordoba in der moslemischen Mezquita oder die osmanische Moschee in der Akropolis von der Athen - in S. Marta wurde in den völlig entkernten Kirchenraum bis fast unters nackte Dachgestühl eine komplette Konferenz- oder Tagungsinfrastruktur eingebaut. Die Kirche dient jetzt als offzielles Empfangsgebäude für den Hafen.
Es gibt ein amphittheatrisches Auditorium mit Blick auf den Seiteneingang / den Kreuzfahrhafen, davor die perfekte Präsentationstechnik mit allem Pipapo; unter den ansteigenden Sitzreihen diverse komfortable Toiletten- und Waschräume; rechts und links vom Auditorium zweistöckige Technik- und Büroräume mit kompletter Higtechausstattung plus Fahrstuhl auf die Galerie über dem Auditorium.
S. Marta, Kunst im frei gebliebenen Kirchenraum

An den Mauerwänden der Kirche, aber auch innerhalb der Konfe-
renzanlage auf beiden Etagen und in den freien Flächen darum herum, ist die Ausstel-
lung 'Porto d'Arti' installiert. Die teilweise sehr klare und ästhetische, vor allem handwerklich sehr ausgefeilt
e Werke enthält.



SS. Cosma e Damiano und Kreuzgang vom Kreuzgang
Die Ausstellung in SS. Cosma e Damiano erreicht man von S. Marta mit der Linie 41, Haltestelle Palanca, von dort nach rechts und die 4. oder 5. Gasse (Calle del pistor) nach links. In diesem Sottoportego befindet sich übrigens das Archiv Luigi Nono, das ich bei dieser Gelegenheit endlich gefunden habe. Der Kreuzgang hinter der Kirche ist offen und bewohnt, überhaupt scheint es im ganzen Komplex Sozialwohnungen zu geben, und hinter den Wohngebäuden ist grüne Wildnis. Die mir immer noch sehr unbekannte Giudecca zeigt sich bei solchen Gelegenheit peu à peu. (Außer der Ausstellung im Altenheim hinter den Zitelle und dieser hier habe ich noch "Wales in Venice" von John Cale in der alten Brauerei besucht, eine sehr beeindruckende Video-Musik-Installation in einer schönen alten Industriearchitektur.)
Ausstellung Palästina
Die Ausstellung ist leider nicht in der Kirche selbst, sondern in der 1. Etage eines Trakts des ehemaligen Klosters, in dem sich neben Nono weitere Kultur, z. B. Theatergruppen, eingerichtet haben. Es ist die erste Biennale-Beteiligung Palästinas unter dem Titel 'Palestine c/o Venice'. Eine kleine, aber beachtliche Ausstellung, die den Weg auf die Guidecca, zumal in dieser Lokalität, wert ist.

Parco delle Rimembranza, die Bäume voller Tauben (die heimatlos gewordenen von der Piazza?)

Nach Sant'Elena kommt man ab Palanca mit der Linie 41, bis zur Haltestelle S. Elena (nach Giardini). Dort geht man durch den Parco della Rimembranza, in dem man sich der Opfer der Weltkriege und von Naturkatastrophen erinnert, nach rechts bis zum Rio di S. Elena. Man nimmt die 2. Brücke und geht zwischen dem ummauerten Gelände der Militärschule Francesco Morosini rechts und dem ummauerten Gelände des Fussballstadions links eine Pappelallee entlang. Von der Haltestelle insgesamt ein Fussweg von weniger als 10 Minuten, aber trotzdem: wer macht sich schon die Mühe, hier her zu kommen?

Portal Kirche S. Elena
Dies hier war frühe
r Lagune, die Insel S. Elena bestand ausschließlich aus der Kirche und dem Männerkloster. Noch Napoleon sah die Insel romantisch aus dem Lagunendunst ragen. Zwischen der Isola di S. Elena und der Isola di S. Pietro di Castello liegt die Darsena di S. Elena, mit der großen Marina des venezianischen Segelklubs D. V. V. (Diporto Velico Veneziano). Die Kirche ist laut Aushang geöffnet um 18 Uhr (Rosenkranzgebet), aber mir genügte für dieses mal das beeindruckende Portal mit dem Grabmal des Admirals Vettor Cappello im Tympnon, der kniend vor der heiligen Helena dargestellt ist. Schön pathetisch und frisch geputzt, die Gerüste standen im Juni noch.



Ausstellung im ehemaligen Kloster S. Elena

Die Ausstellung internationaler Künstlerinnen unter dem Titel 'La seduzione nel segno' findet sich hinter der Gartenpforte des ehemaligen Klosters, das heute eine ganze Reihe Büros (glänzende Namensschilder!) kirchlicher und anderer NGO enthält.
Die einzelnen Exponate stehen für sich und sind nicht im geringsten aufeinander bezogen, aber jedes für sich e
in schönes Angebot zur Kontemplation.
Mal wieder eine Ausstellung, in der ich völlig alleine war, ausser einer einsamen Aufpasserin vor ihrem Laptop, die sich über Besuch und ein kleines Gespräch freute.


Blick von der Insel S. Elena über die Segelmasten zur Insel und Kirche S. Pietro





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20. Oktober 2009

Zum Endspurt der Biennale letzte Empfehlungen...

Ausstellungen an der Fondamenta Sant'Anna

... zu un- und ausser-
gewöhn-
lichen Ausstel-
lungs-
orten!





z. B. in Castello, über das Ende der Via Garibaldi hinaus, rechts und links der Brücke zwischen Fondamenta S. Anna und Fondamente S. Gioacchino die beiden Ausstellungen 'De-Forme' (Distortion) und die Ausstellung 'Once Removed' des australischen Pavillons (zusätzlich zum Pavillon in den Giardini).


S. Gioacchino, Deckengemälde und Kunstwerk darunter

Die letztere ist im heutigen Instituto S. Maria Ausilia
trice, dem früheren Waisenhaus für Arbeiterkinder S. Peter und Paul, in der ehemaligen Kirche S. Gioacchino, die normalerweise nicht zugänglich ist. Meine Fotos haben sogar einen venezianischen Historiker verblüfft, dem bis dato nicht bekannt war, dass die Kirche erhalten ist.

S. Gioacchino, Hochrelief 18. Jahrh. unter dem Altar

Die australische Kunst in der Kirche selbst stört eher bei der Sicht auf das sehr schöne Hochrelief des Letzen Abendmahls unter dem Altar, aber die Exponate in den weiter führenden Räumen gefielen mir sehr.


Tontöpferwerkstatt in der Ausstellung 'De-Forme - Distortion'
Auf der anderen Seite des Kanals gibt es in einem schmalen aber langen, einstöckigen Gebäude der Fondazione Gervasuti eine verblüffende britische Ausstellung. Sie besteht aus einem kompletten Tontöpferarbeitsraum inkl. aller Untensilien + Exponaten und mehreren Räumen im Zustand einer Ruine, in denen jeweils ein Werk ausgestellt ist.

Diese sehr kleinen unbewohnbaren Räume mit zerfetzten Tapeten, niedrigen undichten Zimmerdecken und ausgehobenen Türen wirken pathetischer als jeder Palazzo, den ich besucht habe.

Und gleichzeitig bieten die Fenster und der kleine Balkon einen intim-nachbarschaftlichen Blick auf die angrenzenden Hinterhöfe und ihre Gärten.

Nachbargarten

Eine höchst
eigene intensive Kunstwelt im Zusammenspiel von Ausstellungsort und Exponaten, ich bin froh, gerade sie nicht übersehen zu haben. (Hier Pressemitteilung)


Ausstellungsgebäude Rückseite


Womit die Ausstellung im nächsten Haus, Nr. 994, 'Biblioteca' nicht zu vergleichen, wenn auch eine interessante sinnliche Erfahrung ist. Sie ist eine Ausgliederung des koreanischen Pavillons in den Giardini (der mir sehr gut gefiel).



Ebenfalls in Castello, jenseits des Arsenale zwischen Piazza und S. M. Formosa, im UNESCO-Gebäude Palazzo Zorzi, stellt zum ersten Mal Montenegro aus.

Im Innenhof des Palazzo mit seiner interessanten Rundum-Galerie zeigt DADO (Miodrag Djuric), dass der Krieg im Südosten Europas nicht wirklich vorbei ist, solange sein Schrecken weiterlebt und sich
in derart brutalen Werken widerspiegelt.

D
ie Ausstellung empfand ich als sehr hart, aber sehenswert.
Die
Räume des Palazzo sind leider nicht zugänglich.




















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17. Oktober 2009

Biennale auf den Laguneninseln

San Servolo. Detail "Save the Poetry" : durchscheinender Marmorschmetterling

In diesem Jahr gibt es Biennale-Ausstellungen auf den Inseln San Servolo, La Certosa und Sant'Erasmo. Über die letztere habe ich schon öfters berichtet, die beiden anderen noch nie besucht.
Und wie ich der Meinung bin, dass Biennale
grundsätzlich für Kinder interessant ist, finde ich die Ausstellungen mit der Möglichkeit, mal ins Grüne zu rennen, besonders reizvoll.

San Servolo: Linie 20 ab S. Zaccaria alle 20 Minuten. Der Par
k beginnt am Eingang rechts. Wenn man am Hauptgebäude vorbei geradeaus geht, gibt es hinten links, an der Piazza Baden Powell, eine Cafeteria (mit guter Toilette) mit normalen Preisen.
(Ich dachte übrigens, diese Piazza sei nach dem von mir verehrten brasilianischen Musiker benannt. Nix! Gemeint ist der englische Pfadfinder...)



San Servolo. Viel Kunst hängt in den alten Bäumen

An der Piazza Baden Powell sind die beiden Ausstellungen 'Mercury House' und 'Save the Poetry' und ganz am Ende der Insel der kleine Pavillon von San Marino mit einigen schönen Exponaten und Postern, die man mitnehmen kann, aber anscheinend leider ohne eigenen Webauftritt. Schade ist auch, dass so wenige Besucher den schönen Weg dahin auf sich nehmen.

Dazwischen gab e
s im Laufe des Sommers verschiedene weitere Ausstellungen die aber nun schon beendet sind, wie die OPEN 12, aber trotzdem finden sich noch einige Kunstwerke im Park, die man im Grünen unter großen alten Bäumen wunderbar abklappern kann. Der Rasen ist betretbar und die Bäume bekletterbar, der Ausflug auf die Insel mit ihrem 'englischen' Park ein sehr schöner Kontrast zum venezianischen Pflaster.
San Servolo- Der Pavillon von San Marino aussen, mit Heuballen-Kunstwerk...

(Der Besuch des Museums der ehemaligen psychiatrischen Anstalten für Männer muss telefonisch oder per Internet angemeldet werden und ist weniger für den Besuch mit Kindern geeignet. Ich werde über dieses Museum an anderer Stelle berichten.)

... und von innen (in der mittleren Kugel eine Teilansicht der Ausstellung + Fotografin)




La Certosa: mit den Linien 41/42 im 20-Minuten-Takt. Die Insel ist eigentlich gar nicht so klein, aber nur ein kleiner Teil ist zugänglich. Die
Exponate findet man direkt geradeaus hinter der Mauer, im offenen Bereich der auf der Insel angesiedelten Bootswerft.

La Certosa. Teil der Ausstellung 'La citta ideale'


Man kann annehmen, dass
Kinder die überall herumstehenden Boote und die Arbeiten in den großen Hallen interessanter finden als manche Kunst. Die Ausstellung 'La Citta Ideale' bietet aber ebenfalls spannende Entdeckungen. Die Arbeitsbereiche der Werft sind von der Kunst durch Pictogramme ordentlich abgegrenzt, man darf an den Toren gucken, aber nicht rein.

Wenn man zwischen den Hallen durchgeht, erreicht man das kleine Hotel Certosa,
mit Restaurant drinnen (auch hier ordentliche Toiletten) und Tischen auf der Wiese, dazwischen immer noch ein paar Kunstwerke (der eher schlichten Art).
La Certosa. Kleiner Teil des Werftgeländes

Am Eingang nach rechts gehend kommt man der Umfassungsmauer entlang zu vielen Ruinen von kleinen Ziegelgebäuden, die vermutlich von der österreichischen und italienischen militärischen Nutzung der Insel stammen. Schön zum Entdecken und Rollenspielen, und für die Aussicht auf den Schiffsverkehr im Bacino. Zusätzlich gibt es noch eine große Hasenwiese (es hoppeln tatsächlich Hasen ungerührt herum, bis auf 2 m Entfernung) mit einigen Tischen und Bänken zum Rasten und Picknicken. Völlig anders als der gepflegte Park auf San Servolo.

La Certosa. Ruinen am westlichen Inselrand, dahinter eine große Hasenwiese, nicht auf dem Foto

Die lange Brücke von der Schiffshaltestelle zur Insel hängt übrigens frei an
Metallpfählen, damit sie sich mit den Gezeiten heben und senken kann. Heißt, sie hebt und senkt sich auch mit Schiffswellen und Schritten. Heißt, seekrank beim Gehen oder auch jede Menge Spaß auf der heftig schlackernden Brücke...!

San
t'Erasmo. Kunst in der Torre Massimiliana

Sant'Erasmo: die
Sommerlinie der Laguna Nord läuft nur bis zum 22.10., danach kommt man nach Sant'Erasmo wie immer mit der normalen Linie 13 ab Fondamente Nove.
Die Ausstellung auf Sant'Erasmo unter dem Titel 'Krossing' findet wie immer in der Torre Massimiliana statt. Es gibt wenige, aber aus meiner Sicht besonders stimmungsvolle Exponate. Aber vielleicht bin ich einfach positiv voreingenommen, weil ich in diesen bunkerähnlichen Räumen schon einige wunderbare Ausstellungen gesehen habe.
Strand von Sant'Erasmo. Noch ist der Biergarten der 'Tedesci' sommerlich im September, wenn auch die Gäste weniger werden...

Wie immer bleibt auf Sant'Erasmo der Besuch im beliebten schlichten Biergarten der "Tedesci". (Ich habe tratschweise erfahren, der Biergarten wurde gar nicht von Deutschen gegründet, sondern von Österreichern. Die möglicherweise fürchteten, sie seien aus Gründen früherer Besatzung noch unbeliebter als die Deutschen. Ob sie ihr Lokal deshalb 'Die Deutschen' nannten?) Und wie immer eine Wanderung am langen Lagunenstrand, wenn auch nicht mehr im Wasser entlang des Ufers.
...während die Felder der Gemüseinsel schon den Herbst ahnen lassen
Oder zur Abwechs-
lung mal die Miete von Fahrrädern im Ferienzentrum 'Lato Azzurro' und eine Fahrradtour über die herbstliche Insel. Bevor der Winter kommt.

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15. Oktober 2009

Lido di Venezia - ospedale al mare

Foto Jeff Cotton











Jeff Cotton, der Betreiber der Website
www.churchesofvenice.co.uk/, hat auf der Suche nach der ehemaligen Kirche des Krankenhauses auf dem Lido, Ospedale al mare, auch das mittlerweile verlassene Krankenhaus entdeckt und ungewöhnliche Fotos aufnehmen können.

Und einen interessanten Bericht verlinkt.


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11. Oktober 2009

Noch fünf Wochen Biennale!

Kostenloser Eingang zur Halle "Fear Society" von der Arsenalemauer aus

Im Arsenale Novissimo sind bis auf zwei schon alle Hallen geschlossen, aber diese beiden sind ausgesprochen interessant: "The Fear Society" mit z. B. einem Video der Performancekünstlerin Regina José Galindo (zum wiederholten Mal in Venedig) oder den großartigen Interviefilmen mit Pier Paolo Pasolini von Alfredo Jaar.

Und die russische Ausstellung "Unconditional Love", mit u. a. dem tranceartigen Rundumpanorama
"Fest des Trimalchio" von AES+F.

Diese beiden Hallen erreicht man, wie schon beschrieben, auch kostenlos über den Betonsteg an der nördlichen Aussenmauer des Arsenale.

Man geht von der Vaporettohaltestelle Bacini nach rechts und von Celestia nach links an der Mauer entlang bis man die offene Tür (Fenster) erreicht (Dienstags geschlossen) und kommt von einer ungenutzten Halle in die beiden Ausstellungshallen.

Weg entlang der Arsenalmauer, im Rücken die Haltestelle 'Celestia', vorne die Haltestelle 'Bacini'. Auf halber Strecke, etwa am Knick der Mauer, ist der Eingang in die Ausstellungshallen


Auch die seit ei
nigen Jahren parallel zum Filmfestival stattfindende Skulpturenausstellung OPEN 12 ist schon durch (2.9.-4.10.) und war eine bunte Mischung von öde bis aufregend, auf jeden Fall einen Besuch auf dem Lido und auf San Servolo wert (wenn man die Zeit hat).

OPEN 12: Ugo Riva, Come impertubabili dei


Eine weitere Gruppe von 'Eventi collaterali' ist noch bis zum Ende der Biennale
"Détournement Venise 2009 - passegiate d'arte contemporanea" zu erleben.
Hier haben wir wieder den Biennale-Effekt: Kunst in Räumlichkeiten, die für Touristen normalerweise off limits sind. Es sind normalerweise nur einige wenige Exponate, die teilweise sogar häufiger wechseln, aber umso besser kann man sowohl die Kunst wie den ungewöhnlichen Ausstellungsort genießen.

An jedem Ausstellungsort wird man von einer/einem Guide in Empfang genommen, die/der einem zeigt, wo sich die Ausstellungsstücke befinden und was man sich dabei gedacht hat.

Artischocken- und Weingarten des Altenheims alle Zitelle, mit Blick auf die Zitelle-Kirche von hinten

Ich habe im September besucht: das Altenheim Residenza per anziani alle zitelle/Villa Heriot (die erste links nach den Zitelle bis zum Ende, dann wieder links, an der Sicherheitsanlage klingeln), den Ex-Convent Santo Stefano (Finanzbehörde, einfach eintreten), den Palazzo Albrizzi in Cannaregio (Goethe-Institut, ausserdem noch bewohnt von der Besitzerin, einer älteren Signora, die die wunderschönen Räumlichkeiten auch für ihre Karnevalsbälle nutzt und mich auf meinem Ausstellungsrundgang freundlich im eleganten Morgenmantel begrüßte...., klingeln, falls die Tür nicht offen steht), die Ca'Zanardi und Palazetto Zanardi gleich um die Ecke (eintreten, 1. Etage), Caserma Cornoldi (an der Riva, einfach eintreten, aber dort wird man nicht herumgeführt).


Im Goethe-Institut Palazzo Albrizzi

Hinge-
latscht, aber vor verschlossenen Türen gestanden: C
hiesa delle Zitelle, Palazzo Michiel delle colonne (auch Finanzbehörde, man kommt rein und steht im Androne, sehr nett mit Blick auf den Canal Grande, aber dann war nichts ausgeschildert und betreut), Palazzo Vendramin dei carmini (dito, gehört zur Universität, Tür ist offen, aber weiter keine Ausschilderung). Was natürlich ärgerlich war, aber Überraschungen in Bezug auf offene und geschlossene Türen sind in Venedig ja der Normalfall.


Neben all dem laufen natürlich noch die Ausstellungen mit Eintrittsgeld im Arsenale und in den Giardini.

Wo ich zum ersten Mal auf eine der Biennale-Aktionen der Perplessi traf. Sie verteilten kurz vor Feierarbend bunte Pappbrillen an die Rausgeher in den Giardini, die den erstaunten Außenstehenden scheinbar blind entgegen tappten. Ich habe die Brille Nr. 08898 erwischt und werde künftig langweiligen Meetings etwas Pep bzw. ein Schläfchen entgegen setzen...

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10. Oktober 2009

Ein Heim in venezianischer Nachbarschaft

Palazzo Berlendis am Rio dei Mendicanti

...in dem man sich kurzfristig zuhause fühlen kann, ist nicht so leicht zu finden. Versuche mit verschiedenen Wohnungsvermittlungen haben das bewiesen.

Mein Aufenthalt im Juni 2009,
im Palazzo Berlendis aus dem 17. Jahrhundert, in dem (auch!) Friedrich Nietzsche seinerzeit wohnte, hatte neben seinem romantischen Mehrwert auch Nachteile: z. B. gestörte Nachtruhe durch ungewohnte Geräusche wie motorisierten Kanalverkehr und Bummern der geparkten Boote an Kanal- und Hauswänden sowie akute Seekrankheit beim Wandern durch den endlos langen Schlauch der hintereinander liegenden Räume des des Mezzanins und der sich von Aussen- zu Innen- und Zwischenwänden hebenden und senkenden Terrazzofußböden.

Gondelregatta am Fest SS. Giovanni e Paolo

Die Terasse mit Blick auf S. Lazzaro
ai Mendicanti inklusive Regatta auf dem Rio dei Mendicanti war toll, ebenso der kurze Fussweg zu den Fondamente Nove, aber Kontakt zur Nachbarschaft gleich Null.

Filmaufnahmen bei S. Francesco (sonst steigt hier "Commissario Brunetti" aus dem Polizeiboot)
Da ist die
Mitte von Castello (Casteo auf venezianisch) deutlich zu empfehlen, wo ich mich im September 2009 für 2 Wochen in der Calle del'Olio eingemietet hatte, ganz nah bei S. Francesco della Vigna und dem Arsenale, der Scuola di San Giorgo degli Schiavoni und einer ganzen Reihe interessanter Kirchen.

Ein lebhaftes
Wohnviertel mit Bewohnern aller Altersgruppen, im Umkreis von 100 m finden sich zwei Gemüseläden, eine Bäckerei, ein Fleischer, eine "Latterie" wo man von Käse bis zum venezianischen Stockfisch aus dem Fass fast alles bekommt, eine Bar,in der die alten Damen mit Gehhilfe morgens um 8 ihr erstes Gläschen Wein schlürfen, zwei Männer-
tavernen (eine davon ein Sport-
fanclub), ein Weinladen "Al Canton del Vin" mit großen
Ballonflaschen, aus denen man sich ein Glas zum Trinken oder eine Flasche für zu Hause abfüllen läßt, ein Restaurant mit Innenhof-Garten, und in 300 m Entfernung sogar ein gewöhnlicher Supermarkt (am Rio di S. Lorenzo).

Hinterhof mit Nachbarschaftskatze

H
ier spielt sich vormittags und abends normales Leben auf der Strasse ab, mittags herrscht Ruhe und die Läden werden geschlossen. Wenn man freundlich grüßt, wird man umgehend zurück gegrüßt und ab dem zweiten Tag wieder erkannt. (Die Katzen der Nachbarschaft sind etwas komplizierter, sie lassen sich nicht auf jeden dahergelaufenen Fremden ein.)

"Meine" Wohnung lag hinter einer der typisch venezianischen Hausunterführungen (Sottoportego), die vergittert sind, wenn sich dahinter eine Wohnanlage verbirgt. Und diese Wohnanlage ehemaliger Arbeiterwohnungen mit immerhin 17 Briefkästen zieht sich durch einen kleinen Garten und einige Hinterhöfe.

Nachbarschaftskatze, mißtrauisch

Unter der Wohnung gibt es eine Werkstatt (die von einer ganz anderen Strasse zu betreten ist) und darüber eine kleine dazu gehörige Dachterasse. Die Nachbarn zur längs dahinter liegenden Gasse sind auf der 1. Etage nur auf Armeslänge entfernt. Da braucht es gegenseitiges Feingefühl mit der erneuten Erkenntnis, dass Privatleben keine venezianische Erfindung sein kann. Zum Glück geht man in dieser eher kleinbürgerlichen Nachbarschaft früh zu Bett, und die gegenseitige Beteiligung am Privaten wie am Fernsehprogramm hat ihre Grenzen. Die Chance, ungewollt Gespräche zu belauschen ist gering: man spricht venezianisch, was für uns Ausländer mit geringen bis mittleren Italienischkenntnissen unverständlich ist.

Nachbarschaftskatze, uninteressiert, im Hinterhof

Die Wohnung ist bis ins Kleinste ausgestattet vom Föhn über Waschmaschine und Bügeleisen bis zum "guten" Essgeschirr, und von pingeligster Sauberkeit. Die Möbel sind bequem (was in Venedig nicht selbstverständlich ist). Es gibt im Schlafzimmer ein Doppelbett und im Wohnzimmer eine ausziehbare Schlafcouch, in Verbindung mit der geschützten Lage im Hinterhof/-garten deshalb auch sehr geeignet für die Reise mit Kindern. Die Vermieterin kümmert sich mit Abholen am Vaporetto, handgefertigtem Strassenplan, dem Wichtigsten in Küh
l- und Lebensmittelschränken perfekt um das Wohlergehen der Gäste. (In case you read this, Michela, mille grazie ancora!)

Garten vor "meiner" Wohnung, Katze am Morgen

Die Anbindung dieser Ecke von Castello ist, obwohl anscheinend etwas vom Schuss, perfekt: knapp 5 Minuten Fussweg zur Vaporettostation Celestia, knapp 10 Minuten zur Vaporettostation S. Zaccaria. Wer sich über VeniceConnected einen Internetanschluss bestellt, braucht nicht auf dem Markusplatz oder am Canal Grande open air kommunizieren, sondern kann bequem aus dem Wohnzimmer ins Internet: der Hotspot sitzt auf S. Francesco in 200 m Entfernung.


Kontakt: http://www.fewo-direkt.de/ferienwohnung-ferienhaus/p416186



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4. Oktober 2009

Obacht Kleinkindfalle!


Mit Kindern zeitgenössische Kunst zu erfahren, kann für alle Beteiligten lehrreich bis abenteuerlich sein. Dies trifft besonders auf so große Ausstellungen wie die Biennale zu, wo sehr verschiedene und manchmal überraschende Kunstwelten im Angebot sind.

Eine lauert bei dieser Biennale in der Tana des Arsenale in Form der Installation des südafrikanischen Künstlers Moshekwa Langa, links, nach gut der Hälfte der Strecke. Jedes Kleinkind weiß auf einen Blick und ohne Zweifel, dass es nun erfreulicherweise in der richtigen Abteilung angekommen ist: alles liegt schön durcheinander auf dem Boden, und zwar eine tolle Mischung aus großen und kleinen Garnknäueln und -rollen, Bällen und Spielzeugautos.

Gleiches Motiv, aus geringerer Höhe...
Ich
habe zweimal erleben dürfen, wie sich ca. Zweijährige begeistert in die Kunst stürzten und die Eltern bzw. Großeltern entsetzt zunächst versuchten, das Kind zurückzupfeifen. Um dann ebenfalls notgedrungen in die Kunst zu trampeln und das sich zu Recht wehrende Kind aus dem Kinderparadies zu hieven. Geschrei, Ablenkungsmanöver, hastiges Entfernen vom Tatort. Denn Zweijährige sind Argumenten noch nicht wirklich zugänglich. In einem der beiden Fällen war das Kind so sauer, dass es nachhaltig die ganze Tana niederkreischte und die Familie vorsichtshalber den Rückzug ins Freie antrat.


Andererseits konnte ich im vorhergehenden Raum, rechts, beobachten, wie ein ca. 4jähriger Junge völlig faszininiert die beiden ruhigen Videos der spanischen Künstlerin Sara Ramo verfolgte, während seine Eltern neben mir dankbar eine entspannte Sitzpause auf der Bank einlegten.

Also Obacht: wenn die Videos erreicht sind, folgt als Nächstes links die Kinderfalle!

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