31. Dezember 2012

Monteverdis L'Orfeo in S. Maria Gloriosa dei Frari

Kein noch so perfekt vorbereiteter Venedigbesuch verläuft nach Plan. Gebäude, die in jedem Führer stehen, sind ohne Terminangaben wegen Restaurierung jahrelang geschlossen; andere sind nur zur Führungen am Wochenende geöffnet oder nur ein paar Mal im Jahr; manche Kirchen sind werktags immer offen oder nach dem Gutdünken der Verantwortlichen; manche Gebäude stehen dem Publikum nie zur Verfügung, dann aber doch aus Anlässen wie z. B. der Biennale. Venedig ist und bleibt eine Wundertüte, auch für BesucherInnen, die regel-
mäßig vorbeikommen.


Für kulturelle Veranstaltungen in Venedig gibt es Pläne, auf die man sich verlassen kann. Die der Museen, der Traditionsfeste, der Biennalen etc., und es gibt Veranstaltungen außerhalb der Pläne, die kurzfristig bekannt werden. Mit Terminlisten versu-
che ich, möglichst viele interessante Veranstaltungen einzu-
fangen, Sport, Flohmärkte, Musik, Kunst... aber nie wird es gelingen, alle Angebote aufzulisten. 


Besonders im Sommer gibt es viele (kosten-
lose) Gastveranstal-
tungen von Schulen, Hochschulen, Chören, die im Vorfeld ihres Venedigsbesuchs einen Auftritt organisieren, meist in einer Kirche, die sich ja für Konzerte besonders gut eignen. 2011 konnte ich z. B. ein Konzert einer Mädchenschule aus der Republik Südafrika  in San Francesco della Vigna hören, beeindruckt von der musikalischen Qualität wie von der rappelvollen Kirche. Für die Aufführenden ist ein Auftritt in einer venezianischen Kirche oder einem Palazzo sicher ein unvergesslicher Höhepunkt. Dafür wird wenig Werbung gemacht - ein paar Handzettel, ein paar einfache kopierte Kleinplakate an einer Hauswand oder an der Pinnwand einer Kirche. Man sollte unbedingt darauf achten, um solche Gelegenheiten nicht zu verpassen.


Im Juli dieses Jahres trat die Musikakademie der Universität Ljubljana in der Basilica dei Frari auf. Hier gibt es im Sommer immer wieder kurzfristig Gastkonzerte von Chören oder Orchestern, aber in diesem Fall wurde Claudio Monteverdis  erste Oper, L'Orfeo, gespielt! 
Die Aufführung wurde komplett aufgezeichnet und auf YouTube veröffentlicht, wo ich sie in den Weihnachtsferien-
tagen zum Glück und per Zufall fand.


Die Szene liegt vor der geschnitzten Holzwand, die das Chor-
gestühl zum Hauptraum abschließt und die ein wunderbares Bühnenbild liefert. Das Portal zum Chorgestühl ist auch die Stelle, von der Charon und Apollon die Szene betreten. Die Aufzeichnung ist nicht perfekt (offensichtlich keine spezielle separate Tonaufzeichnung), aber die hohe Qualität des gesamten Ensembles ist so überzeugend, dass man sich schnell daran gewöhnt und ungestört dem Musikerlebnis hingeben kann. Kostüme und die Beleuchtung und damit die Wirkung des Auführungsortes tragen zusätzlich zu einem wunderbaren Kunsterlebnis bei, buchstäblich bis zum letzten Takt.


Ich wünschte wirklich, ich hätte diese Aufführung in der Frari erleben dürfen, wenige Schritte entfernt vom Grab des hoch verehrten Claudio Monteverdi und wünsche Lesern und Leserinnen ein gesundes neues Jahr und glückliche Fügungen in Venedig oder anderen Orten.

Libretto von Alessandro Striggio





(Wer mag, kann den StudentInnen und LehrerInnen aus Ljubljana danken und applaudieren, indem er/sie unter YouTube auf  "mag ich" klickt.)

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25. Dezember 2012

Josef Brodsky und Venedig

Der russische Dichter Josef Brodsky wurde im Juni 1972 aus der Sowjetunion ausgebürgert, während ich, junge Deutsche der ersten Nachkriegsgeneration, seine Stadt Leningrad besuchte. Ich erinnere mich an die ziemlich romantischen Weißen Nächte am Ufer der Newa, die physische und psychische Erschütterung beim Besuch der Piskarjowskoje Gedenkstätte, des Friedhofs der Opfer der Blockade Leningrads durch die deutsche Wehrmacht, und an die hinreißende Schönheit Leningrads, die Weite des Blicks in den Straßen und auf dem Wasser, das Licht, die Großzügigkeit der Maße, das Wohlgefühl in einer Umgebung des goldenen Schnitts. Leningrad war 18 Jahre lang für mich die schönste Stadt der Welt - bis ich in Venedig ankam.

Vielleicht war seine Heimatstadt für Josef Brodsky nicht die schönste Stadt der Welt, was normal wäre, aber die Verbindung steht sofort bei seiner winterlichen Ankunft in Venedig ein halbes Jahr später: "Es war eine windige Nacht, und noch ehe meine Netzhaut irgend etwas registrierte, befiel mich ein äußerstes Glücksgefühl: schlagartig drang ein Geruch in meine Nase, der für mich immer schon ein Synonym für Glück gewesen ist, der Geruch von gefrierendem Seetang. ... In gewissen Elementen erkennt man sich selbst wieder; zu der Zeit, als ich auf den Stufen des Bahnhofs diesen Geruch einsog, waren verborgene Dramen und Ungereimtheiten offengestanden meine Stärke."   

Es folgen auf weniger als 90 Seiten Impressionen, Assoziationen, Beschreibungen, Phantasien, Menschen des winterlichen Venedig in poetischer Sprache, teilweise schräger Zusammenstellung und nicht ohne Humor.
"Links, rechts, oben und unten tauschen ihren Platz, und du findest dich nur noch zurecht, wenn du ein Einheimischer bist oder einen Cicerone bei dir hast. Der Nebel ist dicht, sichtberaubend und unbeweglich. Letzteres jedoch ist von Vorteil, wenn du zu einer kurzen Besorgung hinausgehst, sagen wir, um eine Schachtel Zigaretten zu kaufen, denn du findest den Weg zurück, und zwar duch den Tunnel, den dein eigener Körper in den Nebel gegraben hat; der Tunnel bleibt wohl eine halbe Stunde lang erhalten."

Ein Text, auf den keinE VenedigliebhaberIn verzichten sollte und als Trost fern von Venedig auch gar nicht kann. 

Blick von der Fondamenta degli Incurabili über den Giudecca-Kanal

Originalsprache ist englisch (nicht russisch), die Übersetzung von Jörg Trobitius kann ich nicht beurteilen, da ich das Original nicht kenne. Der Titel "Ufer der Verlorenen" ist jedenfalls ganz und gar verunglückt. Der Originaltitel "Fondamenta degli Incurabili" hätte unübersetzt bleiben sollen, er ist einfach eine Ortsbezeichnung, quasi ein Straßenname, östlich der Haltestelle Zattere, das Ufer des ehemaligen Hospitals der Incurabili, die heutige Hochschule für Kunst der Universität Venedig. 

 
Die Fondamenta degli Incurabili war ein Ort, an dem sich Josef Brodsky während seiner Venedigbesuche besonders gerne aufhielt, eine Tafel erinnert dort an ihn ('...er liebte und besang diesen Ort'). Ich finde an dieser Stelle des breiten Giudecca-Kanals mit dem Blick auf die Palladio-Kirchen den weit schweifenden, geblendeten Blick über die Newa in Leningrad wieder, vielleicht war es für ihn ein heimatlicher Blick.

Während der Kunstbiennale 2011 gab es an dieser Uferstraße, den Zattere, in der Bibliothek der Universiät Ca' Foscari eine Hommage an Josef Brodsky. Es war eines der vielen 'collateral events' im Programm, vor der Tür zwar das übliche rote Biennale-Schild, aber die Bibliotheksangestellten hatten keine Ahnung. Erst nach einigem Weiterreichen landete ich bei einer Bibliothekarin, die mir den Weg zeigen konnte durch das ehemalige große Warenlager, hohe Räume vom Boden bis ins Dachgestühl, zu einem Lesesaal, der für einige Wochen Brodsky diente. 


Auf einer Leinwand lief ein Film mit Venedig-Luftaufnahmen, dazu rezitierte die bekannt monotone Stimme Brodskys Texte in russischer Sprache (die ich nicht spreche). Auf den Arbeitsplätzen unter Glas und Spotlights Drucke von Gedichten in italienischer Sprache, begleitet von abstrakten (Holz?)Schnitten. 


Ich war allein, die Ausstel-
lung im Halbdunkel, die Stimme Brodskys deklamierte immer weiter, ihre Tonhöhe steigerte sich merklich, um dann plätzlich wieder zu fal-
len. Ausatmen. Persönliche Atmosphäre trotz des großen Funktions-
raumes mit den dicken Haustechnikrohren entlang der Wände, vielleicht hätte dem Dichter das gut gefallen.
Ich verdanke ihm und dem/der KuratorIn eine schöne Kontemplation bevor ich wieder in die Vormittagssonne der Zattere trat. 


Josef Brodsky verbachte sein Leben nach Leningrad in New York, viele Winter in Venedig und er ist einer der 'Gäste' auf auf S. Michele, im 'protestantischen' Teil des Friedhofs, in dem auch Orthodoxe liegen, alles, was christlich, aber nicht rechtgläubig katholisch ist. Auf seinem Grab steht ein Hausbriefkasten aus Metall, und er hat Post (ich habe ihm nicht geschrieben, aber den Deckel einen Zentimeter weit geöffnet - das musste sein).  



Josef Brodsky in Venedig (Video)
Besprechung 'Ufer der Verlorenen' von von Birgitta Ashoff  Nov. 1991
Josef Brodsky 'In the Light of Venice' (Teil)



Nachtrag 28.12.2012
Lagunenlicht hat ein kurzes, charmantes Brodsky-Video per Mail geschickt. Zwei gut gelaunte ältere Herren am Rialto. Da im Kommentarbereich keine Verlinkung möglich ist, stelle ich den Link hier ein, bitte klicken:

http://youtu.be/ebFOh0Z-tH8




Nachtrag 07.01.2013
JW (c) trägt frühe Fotos vom Grab Josef Brodskys bei. Das Grabkreuz aus dem Jahr 1998 und der neue Grabstein aus dem Jahr 2000, noch ohne Briefkasten, aber mit einer kleinen Sammlung von Schreibutensilien. Eine sehr spezielle Grabgabe. Herzlichen Dank für die Fotos!














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22. Dezember 2012

2 Neuigkeiten vom Rialto

John Singer Sargent The Rialto

Die erste betrifft den Fondaco dei Tedeschi. Dazu gab es bereits 4 Einträge, die als Basis für die Neuigkeit wesentlich sind. 

3sat meldet vor 3 Wochen, dass sich der Denkmalschutz mit dem Besitzer Benetton und der Architektengruppe OMA auf eine stärker erhaltende Nutzung des Fondaco geeinigt hat. Rolltreppen im Innenhof sowie Dachterrasse zum Canal Grande stehen nicht mehr zur Debatte. Die Artikel in der SZ und im Gazzettino, auf die 3sat sich bezieht, habe ich nicht gefunden. Aber einen Text in La Nouva vom 25.9.2012.

Der Vertrag zum Umbau des Gebäudes wurde zum Jahresende 2011 geschlossen und schon weniger als ein halbes Jahr später war die Sache, auch dank des Widerstandes bürgerlicher und kirchlicher Guppen und des Deutschen Studienzentrums in Venedig, gestoppt. Dazu gibt es einen informativen Eintrag im Blog Arthistoricum. Nicht jede Nassforschheit wie der Plan von Rem Koolhaas setzt sich durch. (Es gibt, nebenbei, seit September das polarisierende Gerücht, Rem Koolhaas sei der designierte Direktor der Architekturbiennale 2014.)


Die zweite Neuigkeiten betrifft die Rialtobrücke selber. Die lang geplante Restaurierung findet statt, ein Sponsor hat sich gefunden, Renzo Rosso übernimmt 5 Millionen Restaurierungs-
kosten. 


Zitate aus der Pressemeldung des Presseamtes der Stadt Venedig vom 14.12.2012:
Renzo Rosso and OTB for the Rialto Bridge:
restoration sponsorship presented today in Venice

Five is his favorite number and it proved to be successful once again: Renzo Rosso's holding OTB won the sponsorship contract for the Rialto Bridge restoration with a contribution of 5million euro. The bid was made public yesterday and announced today with a press conference held at the Town Council in Venice, at the presence of the Vice Mayor, Mr Sandro Simionato, of the Deputy Mayor for Public Works, Alessandro Maggioni, and, of course, Renzo Rosso.
The sponsorship contract foresees that the City of Venice will entirely take care of the planning, the works' management and the restoration, whereas the sponsor will cover all costs. A Communication Plan signed by the City of Venice and OTB sets the terms for the use of locations and billboards by the sponsor: Renzo Rosso clarified that he will definitely foster creativity and use non-intrusive ads.
...
OTB is the holding which controls brands such as Diesel, Maison Martin Margiela, Viktor&Rolf, and Staff International; in 2011 it had a turnover of 1.375 million euro, with over 6.000 employees in the world.

Attached the press folder (sponsorship contract, plan, communication plan, Superintendency, feasibility study - in Italian only) and some pictures (picture 1, 2, 3)


Die Links im Anhang sind interessante Details wie Plan, Machbarkeitsstudie und Werbekonzept, denn Sponsoring ist nun mal Marketing. Die werbemäßige Nutzung des Projekts scheint dezenter gestaltet zu werden als andere Restaurierungen in den letzten Jahren (Seufzerbrücke! Palazzi entlang des Canal Grande!) Leider finde ich keinen Projektplan der den Zeitrahmen der Arbeiten erläutert, mögliche Termine von Teilsperrungen dieses venezischen Knotenpunkts. Aber man hört sicher mehr, wenn die Arbeiten starten.


16. Dezember 2012

Gesehen: Das Venedig Prinzip



Das Venedig Prinzip will die Schönheit Venedigs zeigen und die Brutalität, mit der die Stadt benutzt wird als Geldmaschine. In einem System und einem Prozess, der fassungslos macht. In dem für Geld alles verkauft wird: die über Jahrhunderte geheg-
ten reichen und armen Wohnstätten der VenezianerInnen, die Lebens-, Arbeits-, Verkehrsstrukturen der Stadt, die Integrität der Inseln und die Ökologie der Lagune, das touristische Erlebnis als Blitz-Premium-Shopping-Event für Tages- und KreuzschifftouristΙnnen, einfachste Klischees der Selbstdar-
stellung und hochpreisige Originale. 

Alle scheinen daran beteiligt zu sein, die ErbInnen, die die Eigentumswohnung der Großeltern unterm Dach als Ferien-
wohnung vermieten oder den Familienpalazzo verkaufen, ArbeitgeberInnen, die mit ausländischen Billigsarbeitskräften verdienen, die Stadt, die die Situation nicht unter Kontrolle hat, die Unternehmen, die in diesem System Geld machen, und zwar legal.


Der Film versorgt jedeN ZuschauerIn mit der erwarteten Schönheit, aber auch mit einem angemessenen Schock. Für die meisten sind das sicher die Bilder der 'grande navi', der riesigen Schiffe, die sich beängstigend mitten durch die Stadt schieben. Für mich war es z. B. der Immobilienmakler, direkt beteiligt am Ausverkauf der Stadt, der voll bitterer Selbsterkenntnis den Betrug von und an Verkäufern und Käufern einräumt und offensichtlich nicht mehr in den Spiegel gucken kann.

Und die Journalistin, die ihre schöne Wohnung an TouristInnen vermietet und in der ehemaligen Buchhandlung im Parterre lebt, das Bett zwischen Bücherregalen und -stapeln, damit sie ihr Häuschen bei S. Sebastiano behalten kann. Nie mehr kann ich ein Apartment in Venedig mieten, ohne mich zu fragen, wie die VermieterInnen leben!

Der Bootsspediteur, spezialisiert auf private Wohnungsumzüge, der ähnlich wie schon die ProtagonistInnen in "6 x Venedig", dem ersten Venedig-Dokumentarfilms dieses Jahres, den Niedergang miterlebt. Der melancholisch, aber nicht verzeifelt die Schultern zuckt und selbst aufs Festland umzieht, als seine Wohnung gekündigt wird. Er wird künftig pendeln, wie viele der Menschen mit einfachen Jobs in Venedig. Auf Torcello (ein gutes Dutzend Einwohner), habe ich erlebt, dass um 9 Uhr, eine Stunde vor den Touristen, sämtliches Museums-, Kiosk-, Gaststätten- und sogar Kirchenpersonal mit dem Vaporetto eintrifft, das ist in Venedig nicht anders, wenn auch auf Torcello besser zu überblicken.  

Was für ein Glück, dass der Film der männlichen Bitterkeit und Melancholie  eine wütende alte Frau gegenüber stellt, die Schriftstellerin Tudy Sammartini in ihrem Häuschen nahe der Stazione Marittima und an Brennpunkten in der Stadt. Sie nennt Ross und Reiter und ist, hoffe ich, ein Vorbild bürger-
lichen Widerstands, das andere mitzieht. Denn sie ist venezianische Prominente und international bekannt, zwei ihrer Bücher stehen in meinem Bücherschrank. Beides wunderbar und kompetent geschriebene Großbände mit hervorragenden Fotos, "Die Türme von Venedig" von 2002 und "Die geheimen Gärten Venedigs" von 1995. Ihr neuestes Buch von 2011 ist wieder ein Gartenbuch "Verde Venezia", bisher nicht in Deutschland erschienen. 







Am Tag nach dem "Venedig Prinzip" gab es im NDR eine Sendung "Sylt: Ausverkauf einer Insel".
Das Sylt Prinzip. Wörtlich die gleichen Beschreibungen: der Gelddtourismus führt zum Ausverkauf der Häuser und zum Villen-Bauboom, die Einwohner können die hohen Preise auf der Insel nicht mehr zahlen und müssen aufs Festland, pendeln täglich mit dem Zug zurück zu ihren Dienstleistungs-
job. Geschäfte für den täglichen Bedarf werden ersetzt durch Edelboutiquen und teure Markenläden. Schulen und Krankenhäuser werden geschlossen. Das Prinzip funktioniert überall auf der Welt auf gleiche Weise und setzt sich überall durch.


Man darf die Augen nicht davor verschließen sondern muss den nächsten Venedig- (oder Sylt-) Besuch weniger romantisch und informierter antreten. Wer will schon auf Venedig verzichten. Aber nicht alles und nicht um jeden Preis.


"Poetisch und illusionslos": hier gibt es weitere Berichte und Kritiken
ZEIT In einem Traum gibt es kein echtes Leben

Hamburger Abendblatt Keine Bewohner, nur Touristen 
HR/ARD Eine Stadt geht baden
WDR3 Der langsame Tod der Lagunenstadt
SWR Eine Stadt versinkt im Touristenmeer
Critic.de Das Venedig Prinzip
Filmdienst Das Venedig Prinzip
Kunst+Film Das Venedig Prinzip
Neues Deutschland Festland trifft Insel
Getidan Das Venedig Prinzip


Nachtrag 11.01.2013
Das Venedig Prinzip hat sich für das Nominierungsfahren des Deutschen Filmpreises qualifziert.

Aktuelle Spielpläne:

Berlin - seit 06.12. - fsk
Berlin – seit 06.12. – Hackesche Höfe
Berlin – seit 07.01. – Babylon Mitte
Berlin – seit 01.01.- ACUDkunsthaus
Bochum - 17.01. bis 23.01. – Endstation
Bonn -seit 07.01.- Rex
Bremen – seit 06.12. – Ostertor
Brühl – 22.02. und 23.02 – Zoom
Celle – seit 07.01 – 8 1/2
Dresden – seit 06.12. – Kino im Dach
Essen – seit 07.01. – filmstudio
Esslingen – 31.01 bis 06.02. – Koki
Frankfurt – seit 09.12. – Mal Seh’n
Freiburg – seit 06.12. – Friedrichsbau
Göttingen - ab 07.02. – Lumiere
Halle – 14.02. bis 20.02. – Puschkino
Hamburg – seit 03.12. – Abaton
Hamburg - am 31.01. – Lichtmess
Köln – seit 06.12. – Filmpalette
Köln – seit 06.12. – Odeon
Leipzig – 29.01 bis 06.02. – Prager Frühling
Leipzig – 28.02. bis 06.03. – Cineding
Mainz – 14.02 bis 20.02. – Cinemayence
München – seit 06.12. – Neues Arena
Münster – seit 06.12. – Cinema
Nürnberg – seit 06.12. – Meisengeige
Oldenburg – 14.02.-20.02. – Casablanca
Schorndorf - 19.01 bis 27.01. - Kino Kleine Fluchten
Schrobenhausen - seit 20.12. – Cinepark
Trostberg – ab 10.01. – Stadtkino
Stuttgart – seit 06.12. – Arthaus


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2. Dezember 2012

San Lorenzo

Iacopo de Barbari, 1500, Detail: Klosterkomplex von S. Lorenzo
San Lorenzo ist seit vielen Jahren kompromisslos geschlossen, was die Neugierde von VenedigfreundInnen besonders anheizt. Wie oft habe ich vorbeigeschaut, "nur für den Fall, dass..." und wieder nur den stillen Campo gefunden, belebt von alten Damen, die im jetzigen Altenheim 'Residenza S. Lorenzo' leben und in ihren Rollstühlen in die Sonne geschoben werden oder sich die Sitzbänke mit den Katzen vom Katzenheim auf den Stufen von S. Lorenzo teilen. Und nun wird die Kirche, man muss wirklich sagen wunderbarerweise, wieder zugänglich als Biennale-Ausstellungsort des Staates Mexico. Neun Jahre wird der Bau renoviert und kann jeden Sommer während Biennalezeiten besucht werden, Kunst jeweils von Juni bis November, Architektur von August bis November.

Der Auszug aus dem Stich von Iacopo de Barbari zeigt einen Klosterkomplex, der 1500 schon sehr alt war: erster Bau im 7. Jahrhundert, im 9. Jahrhundert Benediktinerinnenkloster, mit einem reichen Nachlass bedacht im Testament des Bischofs Orso 853, abgebrannt 1105, neu errichtet 1140 unter der Äbtissin Angela, Schwester des Dogen Domenico Michiel, danach mehrfach renoviert bis zu einem weiteren Neubau unter der Äbtissin Paola Priuli


Dieser Neubau von 1592 - 1602 erscheint natürlich nicht auf dem Plan von de Barbari, deshalb muss eine Bing-Karte weiterhelfen, siehe oben, mit dem Campo S. Lorenzo, mehreren Innenhöfen bzw. Kreuzgängen und rechts dem Kirchendach. Er wurde ausgeführt von Simone Sorella (Architekt u. a. auch des - heute schiefen - Glockenturms von S. Giorgio dei Greci, am gleichen Ufer, ein paar hundert Meter weiter südlich, und Vollender des Palladio-Baus S. Giorgio Maggiore, nach dessen Tod). Die Fassadenausstattung zum Campo wurde nie begonnen.

Andreas Götz schreibt mir dazu unter Bezug auf den Venedig-Führer des Touring-Club Italia, Stand 1984:

Im Norden des Campo befindet sich noch hinter einer Fassade von 1852 ein ehemaliger Kreuzgangarm, hinter dem sich noch drei Kreuzgänge befinden sollen, davon der größte spätgotisch. Ursprünglich soll der Campo laut TCI selbst ein Kreuzgang gewesen sein, durch einen Flügel zum Kanal hin abgeschlossen. Die Pflasterung von 1747 und der achteckige Pozzo würden davon zeugen. Ein ziemlich stattlicher Komplex also, Benediktinerinnen halt. Wenn der Campo aber Kreuzgang war, so war der Teil der Kirche zum Campo der Nonnenbereich (müßte man mal überprüfen), der Zugang für die Laien war dann vermutlich über die Fondamenta San Giorgio. Wäre dann auch eine Erklärung, warum die Benediktinerinnen es nicht so eilig hatten mit der Fassade.
Es gab eine Brücke von der Nordseite des Klosters über den Rio di San Giovanni Laterano, die unter einem Sottoportego hindurch auf den Campiello di S. Giustina detto delle Barbarie führte. Das kann man auf Stadtplänen anhand der beiden abgebrochenen Gassen (ohne Brücke dazwischen) erkennen. Ich habe aber auch gelesen (wo? wann? weiß nicht mehr), dass die Brücke abgebrochen wurde zum Schutz der Bewohnerinnen (oder: zur Verhinderung von Freizügigkeiten der Bewohnerinnen).



Das Gebäude ist einzigartig in Venedig durch seine zwei Schiffe die "sozusagen quer" (Alvise Zorzi) stehen: das vordere Schiff war der Raum für das Volk, vor dem doppelseitigen Hauptaltar, einem Meisterwerk von Girolamo Campagna (1615-18), und hinter dem Hauptaltar und schmiedeisernen Gitterwänden, das gleich große, reich gestaltete Schiff für die Nonnen, eingerichtet mit viel Gold, Chorgestühl, einem großen Paradiesgemälde von Girolamo Pilotti (1628). Im vorderen Schiff wurden rechts und links des Haupteingangs im Laufe der Jahre je 3 Seitenaltäre auf Initiative verschiedener Äbtissinen eingerichtet. Links der Reliquenaltar für S. Barbaro, mit einer Altartafel von von Jacopo Palma giov. "Der enthauptete S. Barbaro wird von Engeln in den Himmel getragen"); dann der Altar der Assunta für die Gräber des Bischofs Costantino Sozomeno und der Musiker Franceso Cavalli und Giuseppe Zarlino (+1590); der dritte Altar, gestiftet von der Familie Da Mosto, für S. Giovanni mit einem Tafelbild von Pietro Mera "Taufe Christi". Rechts des Haupteingangs ein Altar für S. Marco von der Familie De Grigis, mit einem Altarbild "Die Krönung der Jungfrau mit den Hl. Agostino und Lorenzo" von Flaminio Florian; dann ein Altar für S. Paolo, Bischof von Konstantinopel und Märtyrer, mit dem Tafelbild von Domenico Tintoretto "Martyrium S. Paolo"; der dritte ein Kreuzigungsaltar, gestiftet vom Patrizier Andrea Minotto 1618-21, Tafelbild von Jacopo Palma giov..

Bei der Schließung 1810 des Klosters wurde sein Gesamtwert auf 19.638,18 venetische Lire festgelegt (was immer das heißt, ich habe diese Zahl aus "Venezia scomparsa" von Alvise Zorzi, siehe Bücherliste Sachbücher). Allein das verarbeitete Gold wurde auf 2.516 Lire geschätzt, für Zorzi der Beleg für den enormen Reichtum des Klosters. 

S. Lorenzo und das benachbarte S. Zaccaria waren die beiden wichtigsten und reichsten Klöster für Oberschichtfrauen. Hier wurden Töchter und Witwen aus Patrizierfamilien in angemessenem Rahmen versorgt, die vor allem aus ökonomischen Gründen nicht verheiratet (oder wieder verheiratet) werden sollten/konnten. Sie sollten weiter Wohlstand, Status, Bildung ihres vorherigen Lebens genießen können, inklusive Bedienung (durch Laienschwestern), und materiellem Luxus wie Kleidung, Einrichtung ihrer privaten Räume im Kloster etc., aber kein Faktor in der Erbfolge ihrer reichen Familie sein. (Siehe das mehrfach von mir empfohlene Buch von Mary Laven, Bücherliste Sachbücher).

Massen von Putten in den Wanddekorationen
1810 wurden die Kunst-
schätze der Kir-
che/ des Klosters teilweise für Vene-
dig ge-
rettet durch Kauf (der Pfarrer Don Vincenzo Ballarin von S. Pietro in Volta, Pellestrina, kaufte z. B. am 7.8.1810 eine silberne Monstranz zum Preis von 508,017 venetischen Lire; am 10.7. ging eine der Orgeln für 140 lire an das Seminario Patriarcale neben der Salute, heute noch erhalten in San Cipriano auf Murano.) oder Aufteilung an verschiedene Kirchen im Stadtgebiet, oder an ganz andere Orte (Milano, Wien)
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Menschliche Überreste aus Altären und Gräbern wurden durch den Reliquiensammler Gaetano Gresler gekauft und weiterverkauft  nach Dignano in Istrien, noch heute ein fleissig besuchter Wallfahrtsort katholischer ChristInnen. Aber zu diesem Punkt variieren die (unerheblichen) Informationen bzw. Gerüchte.




S. Lorenzo wurde ab 1866 als Lager verwendet, im 1. Weltkrieg beschädigt und laut Touring-Führer Italia 1958 und 1967-70 restauriert. Viel kann bei so kurzen Arbeitszeiten aus meiner Sicht nicht gemacht worden sein, vielleicht Untersuchungen zum Status des Gebäudes.

Einen großen Moment gab es für S. Lorenzo während der Biennale 1984 mit der Uraufführung des Prometeo von Luigi Nono. Eine Reihe von Fotos aus dem Innenraum der Kirche kann man im Archivio Luigi Nono, einsehen (aber nicht straflos kopieren).

Ich habe ein Tagebuch der letzten Vorbereitungswochen des Komponisten Hans Peter Haller zu dieser Aufführung im www gefunden, sehr lesenswert, das über die musikalische Arbeit hinaus Erläuterungen zum Gebäude, zur Akkustik etc. bietet und mit dem Foto C. eine Vorstellung zum Innenraum der Kirche 1984.

(Hier gibt es eine Hörprobe zum Prometeo, aber keine Aufnahme aus S. Lorenzo.)


Der venezianische Maler Gabriel Bella (1733-99) hat im Museum der Fondazione Querini-Stampalia  mit "Einkleidung einer venezianischen Adeligen in San Lorenzo" ein anschauliches Bild hinterlassen, das mir erst jetzt, nachdem ich die Kirche endlich innen sehen konnte, einen Eindruck vermittelt: man sieht vom Hauptportal auf den Hauptaltar, vor dem die Einkleidung einer adeligen Nonne vollzogen wird. Priester und Verwandschaft vor dem Altar, zahlreiche Gäste im Chorgestühl, eingeladen zum gesellschaftlichen Ereignis der Einkleidung, vergleichbar einer Hochzeit. An den kunstvoll geschmiedeten Trenngittern sieht man vage die Nonnen, die aus Ihrer Kirchenhälfte hinter dem Hauptaltar die Zeremonie verfolgen.

In einem anderen Gemälde ist ein Teil des Klosters von San Lorenzo dargestellt: Gentile Bellinis "Wunder der Kreuzesreliquie bei San Lorenzo" (bitte Bild anklicken zur Vergrößerung). Die Scuola grande di San Giovanni evangelista veranstaltet eine Prozession nach San Lorenzo, auf der die Reliquie des Wahren Kreuzes aus dem Besitz der Bruderschaft mitgeführt wird. Sie fällt von der Brücke in den Rio di S. Lorenzo, wie auch immer, vielleicht im Gedränge und Geschubse. Das Wunder besteht wohl darin, dass das Reliquiar im trüben Wasser gefunden und herausgefischt wird... das Gebäude hinter der Brücke rechts gehört zum Komplex S. Lorenzo.

Die Information, Marco Polo sei 1324 in S. Lorenzo begraben, möglicherweise nach S. Sebastiano verlegt und dann verloren worden kann man laut A. Zorzi wohl so verstehen: auf der linken Seite von S. Lorenzo gab es nach der Überlieferung seit 1007 eine Capella S. Sebastiano (vielleicht die kleine rundliche Struktur auf dem Barbari-Plan?), in der sich diverse Grablegen (und auch einige Reliquien lokaler Heiliger) befanden. Unter anderem eine Grablege der Familie Polo, von deren Grabstein es eine Zeichnung von Cigogna gibt. Grabsteine aus der Kapelle wurden im 19. Jahrhundert noch in S. Martino gesehen, existieren dort aber nicht mehr. Vermutlich.


Grabstein Familie Polo in S. Lorenzo, Capella S. Sebastiano






28. November 2012

Mehr als Kindergruppen und Barcodes

Seit Jahren begleitet Andreas Götz meine Einträge mit sach-
kundigen Kommen-
taren. Zum letzten Eintrag erhielt ich ein langes Mail von ihm mit (auch) kritischen Anmerkun-
gen und Beobach-
tungen, die ich nicht nur deshalb schätze, weil er "vom Fach", Architektur, ist. Er schreibt vorweg, "dass alles, was ich schreibe tendenziös ist. Ich schreibe hier keinen wissenschaftlichen Aufsatz.". Aber einen persönlichen, informativen und spannenden Standpunkt, deshalb (mit seiner ausdrücklichen Erlaubnis) hier zu lesen
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Erst mal zu den Schülern: Ich war vom 11. bis 15. November in Venedig, war einen Nachmittag in den Giardini, einen Nachmittag im Arsenale und noch zwei Stunden im Palazzo Bembo und ganz kurz an drei-vier anderen Orten. Die Giardini waren auch bei meiner Anwesenheit voll mit Schülern. Da wird zumindest in Norditalien sehr viel gemacht. Und die Biennale, die eine Gelddruckmaschine ist, die keinen Gewinn ausschütten kann, sponsert nicht nur Musikevents und Ausstellungen in Venedig, sondern auch die Schulpädagogik, sofern sie in Projekte eingebunden sind. Die wiederum sind oft von der Provinz Venezia organisiert.
Z.B. war ich im März zum Karneval in Venedig und war begeistert vom "Karneval der Kinder". Im Zentralpavillion der Giardini waren unterschiedliche Stationen vorbereitet und die Schulklassen wurden von speziell geschulten Pädagogen von einer Station zur nächsten gebracht. Es gab Geschichten, Historisches, Installationen und Möglichkeiten Masken oder Kostüme zu basteln. So durchdacht und mit so vielen Kindern habe ich noch nie vorher eine Veranstaltung gesehen.
Modell der Elbphilharmonie
Zu den Kommunikationsmitteln: Ich habe in drei Pavillons Tablets von Samsung bekommen. Samsung scheint da also als so eine Art Sponsor aufgetreten zu sein. Einige meinten das durchaus ernst, aber den russische Pavillion fand ich im nachhinein durchaus subversiv. Die gesamten Wände und Decken waren ja lückenlos mit QR-Codes tapeziert. Wenn man die gescannt hat, kamen Informationen über ein Projekt. Diese Infos waren dann ziemlich konventionell. Außerdem habe ich in jedem Raum nicht mehr als 3 unterschiedliche Projekte gefunden.
Das Entscheidende war aber, dass gleichzeitig im gesamten Untergeschoss "verbotene Städte" gezeigt wurden. Städte der Rüstungsindustrie und der Forschung, die vor 1989 geheim waren. Bilder dieser Städte waren in den dunklen Räumen nur durch Löcher in der Wand zu sehen. Die QR-Codes im Obergeschoß waren, wenn man es positiv interpretiert, wie die Löcher in den Wänden des Untergeschosses, die den Blick auf bisher Verborgenes boten. Die reale Erfahrung war indes die, daß es ein ziemlicher Scheiß ist, wenn man ausschließlich auf die Informationen angewiesen ist, die die Codes vermitteln, wenn man keine andere Wahl hat, sich anders zu informieren. Und das haben auch die Schüler, die mit mir im Raum waren, sehr schnell erkannt.


Zum Thema der Biennale: Ich habe eben das Interview von Chipperfield angesehen und war erstaunt, daß er offensichtlich das eigene Thema, wie es im Katalog präsentiert und von etlichen der Kuratoren aufgenommen wurde, nicht verstanden hat. Sein Statement, er wolle Ideen präsentieren und nicht Architekten ist nicht deckungsgleich mit common ground, verstanden als öffentlicher Raum (der von Architekten mitgestaltet wird). Auch sein Rumstottern, daß eine Architektin, die erfolgreich ist, trotzdem weiblich sei, ließ mich hoffen, daß niemand nachfragt.

Das Thema einer Biennale ist nur für den Hauptkurator, also für den Hauptpavillon der Giardini und für die Corderie im Arsenal verbindlich. Viele der nationalen Pavillons greifen das Thema aber auf oder dekorieren ihr eigenes Thema so um, daß es anscheinend in das offizielle Thema paßt. Es kann also bei der Vielzahl der Objekte und Projekte durchaus hilfreich sein, vieles an diesem Thema zu messen. So hat man zumindest schon mal eine Fragestellung, mit der man sich den Dingen nähern kann. Dass man dann vielleicht noch Anderes findet, ist ja nicht ausgeschlossen.

Common Ground - öffentlicher Raum - ist nicht nur eins meiner Lieblingsthemen, sondern auch ein heißumkämpftes Thema in der Stadt Venedig. Der Stadtumbau ist allgegenwärtig und da in der gesamten Werbung der Titel Common Ground im Stil der venezianischen Straßenschilder, der nisioeti (auch nizioeti, selten sing. nisioeto = kleines Laken) erfolgte, war ich sehr gespannt. Und wurde sehr enttäuscht.
Im Eingangsbereich der Corderie war ein Pozzo aufgestellt, Sinnbild schlechthin des öffentlichen Raums in Venedig. Jeder hatte das Recht auf Zugang zu Trinkwasser. Die Pozzi wurden nachts abgeschlossen, Verunreinigungen des Wasser schwer betraft, bei Trockenheit waren auch die privaten Zisternen, z.B. in den Klöstern, zugänglich.

Ergänzt wurde das Ganze (im Eingangsbereich) durch einen Pavillon zur kostenlosen Trinkwasser-Versorgung und einer Zeitung, die den common ground thematisierte. Ein Professor der ETH Zürich (sie wissen, sie sind die schönsten, schlauesten und informiertesten) hat darin verschiedenste Untersuchungen zum öffentlichen Raum in Venedig angestellt. Herausgekommen ist aber nichts. Es war eher so ein methodisches Fingerspiel. Einerseits war ein Teil der Fragen nicht geeignet für eine qualitative Befragung, andererseits hatte ich den Eindruck, dass als Interviewpartner vorrangig eher die Menschen gesucht wurden, die einen Platz aufsuchen, als solche, die ihn durchqueren oder an ihm wohnen. Was ja bestimmte Ergebnisse begünstigt. Alles sehr schön designt, aber ohne Egebnisse (nach meiner Meinung).
Deutscher Pavillon

Der deutsche Pavillon. Auch hier das Thema sehr schön visualisiert: Die Hochwassergestelle und -bretter von Venedig durchqueren den Raum, Sinnbild für die Nutzung de öffentlichen Raumes selbst unter schwierigen Bedingungen. Gleichzeitig tragen Sie die Beschriftungen der großformatigen Bilder. Das eigentliche Thema ist aber Wiederverwendung und Recycling, und so stehen im öffentlichen Raum vor dem Pavillion Mülleimer für getrennte Entsorgung. Innen gibt es stapelweise bedrucktes Recyclingpapier (in deutsch vergriffen, aber im Netz ...). Die gezeigten Projekte brachten weder in Bezug auf die Struktur des öffentlichen Raumes noch in Bezug auf seine Gestaltung neue Ansätze (nach meiner Meinung, allerdings habe ich mir nicht alles, was noch dazu im Netz steht, durchgelesen).

In den Corderien vermittelten die Architekten der Hamburger Elbphilharmonie mit viel Aufwand, dass für die unglaubliche Schönheit des öffentlichen Raumes Elbphilharmonie kein Opfer der öffentlichen Hand zu groß sei. Kaum ein Freund der Architektur, der von den großen Modellen nicht begeistert war.

Den italienischen Pavillion fand ich gar nicht so schlecht. Er ist ja sehr groß. Neben der Pflanzen-Geschichte gab es noch andere Projekte und eine sehr gute Ausstellung über Olivetti, der mit Ivrea einen ganzen Ort als Standort für seine Fabrik gestalten ließ. Aber nicht nur die Gestaltung der Fabrik war sein Anliegen, auch bei der Schule war er aktiv, bei der Stadtplanung und der Planung für die Wohnungen der Arbeiter. Schließlich hat er noch als Politiker kandidiert. Selbst wenn man besten Willen unterstellt, alles in allem ganz schön viel Macht über den öffentlichen Raum und daher auf dieser Biennale goldrichtig. Und ein Grund, mal wieder den Olivetti-Laden an der Piazza zu besuchen (von Carlo Scarpa entworfen).
Pavillon Korea

Von Jean Nouvel gab es einen Entwurf für Stockholm, der mir gut gefiel und im koreanischen neben dem deutschen Pavillon gab es noch ein tolles Video, auf dem eine Kreuzung ohne Gehwege zu sehen war, auf dem Fußgänger, Radfahrer und Autofahrer gleichberechtigt waren und sich alle langsam und rücksichtsvoll bewegten.

Es gab natürlich noch viel mehr Bemerkenswertes. Die Projekte, die besonders konkret Beiträge zum Thema Common Ground leisteten, habe ich vor allem im Palazzo Bembo gesehen (bei Rialto), der sich zu einem guten Ausstellungsort gemausert hat.
Als letztes die von dir erwähnte Kirche San Lorenzo. Jaaaaaaaaaaaaaa, super, seit Jahrzehnten verschlossen. Ort der legendären Aufführung von Cacciari und Nono (+Renzo Piano). Endlich bin ich drin gewesen. Der Raum ist ein Hammer. Der Riesenkubus einfach quer geteilt mit einem riesigen doppelansichtigen Altar, davor die Ausgrabungen der Vorgängerkirche, die so seit den achziger Jahren liegen geblieben sind. Das ist nur etwa 25-30 Jahre nach der Redentore gebaut und so anders. Der Bereich der Mönche so groß wie der, der dem Volk zugänglich ist. Und die Mönche viel näher am Volk. Ich kann es mir gar nicht vorstellen. Hast du Infos darüber?
Im nächsten Eintrag, ich bin dran. Herzlichen Dank für Dein Mail!
Alle Fotos dieses Eintrags: Andreas Götz


24. November 2012

Kindergruppen und Barcodes


Nach endlosen Linklisten zur Architekturbiennale nehme ich mir das letzte Wort, denn ich war eben kurz vor Tores- und Jahresschluss ein paar Tage in Venedig. Aber eigentlich ist dem kaum etwas hinzuzufügen. 


Denn genau genommen ist das ja eine Fachveranstaltung, ich jedenfalls kann viele der Codes nicht entziffern, weder bildliche noch sprachliche, dazu fehlen mir einfach Kenntnisse, genauer, die Ausbildung. Eine Menge dessen, was geboten wird, ist an mich verschwendet. Andererseits: wie wollen wir dazu lernen, wenn wir uns nicht Überforderungen aussetzen die uns frustrieren und gleichzeitig staunen, grübeln, bewundern lassen? Und die Aktiven müssen damit leben, dass die KonsumentInnen nicht alle ihrer Bemühungen angemessen schätzen, sondern sich das pflücken, was ihren jeweiligen Bedürfnissen und Verwendungsmöglichkeiten entspricht.

Ich staunte: über die vielen Kinder- und SchülerInnengruppen (ich rede nicht von StudentInnen, die kann man wohl erwarten) im  Grundschul- und sogar Vorschulalter. Begleitet von offenbar gut vorbereiteten Pädagoginnen (kein großes I, es waren alle Frauen), die die Kinder zu ausgewählten Aus-
stellungen führten, zeigten, referierten, Fragen beantworte-
ten, während die Kinder NICHT herumflippten, sondern ebenfalls auf die Erfahrung vorbereitet schienen und interessiert und fokussiert waren. 




Nicht nur z. B. beim Wallhouse von Anupama Kundoo, einem 1:1 Gebäude, dessen Funktionalität und gleichzeitige Exotik junge Kinder leicht verstehen können, sondern auch z. B. bei der akkustischen Installation "Making the walls quake..." von Katarzyna Krakowiak mit komplizierter theoretischer Basis, bei der man wissen muss, welche Erklärungen vermitteln und welche das Interesse abwürgen können.  

Zum ersten Mal bei einer Biennale fiel mir ein Vaporetto "Biennale-VAP per scuole" auf, so ausgewiesen durch riesige aufgepappte blaue Folien, mit dem die Kindergruppen aus dem allgemeinen ÖPNV herausgehalten werden. Streßarmer Transport unterstützt einen Klassenausflug enorm und hält die Nerven der Kinderchen für anspruchsvolle Inhalte frisch. 

Exponat mir Barcode, nordischer Pavillon

Ich lernte: Kunst kann man heutzutage noch ohne Computerhilfe konsumieren, aber nicht Fachausstellungen. Noch gibt es an Wänden und Stellwänden klebende und von Decken hängende Erläuterungstexte. Der Trend aber sind Barcodes, befestigt an Exponaten, die sozusagen nur noch exemplarische, wenn nicht sogar symbolische, Funktion haben. Die eigentliche Information empfängt man per Smartphone über den Barcode, der direkt auf die dazugehörige Website führt, die man abspeichern und jederzeit an anderem Ort wieder abrufen kann. Das System ist praktisch, für viele mittlerweile im Alltag selbstverständlich, zwingt aber zum Erwerb und Einsatz eines Smartphones, was ich bisher überflüssig fand, da ich 24 Stunden täglich von Festnetztelefonen und Computern umgeben bin und zumindest auf dem Weg von einem zum anderen meine Ruhe will.

Russischer Pavillon, Barcodes

Die beiden oberen Räume des russischen Pavillons bestanden überhaupt nur aus Barcodes, Wände, Böden und Decken nur Barcodes, wer kein Smartphone besitzt, schnappt sich ein Tablet (Dutzende davon in einem Regal im Eingangsbereich, wo sie mit Energie betankt werden). Die Räume waren vollge-
stopft mit Jugendlichen wie eine Disco, die mit ihren Smart-
phones die Barcodes scannten und sich auf den winzigen Displays (oder den Tablets) die Hintergrundinformationen ansahen. Also bitte - ich finde das spannend und irritierend gleichzeitig. Spannend, immer neue Technologien zu nutzen im Lauf der letzten 20 Jahre, irritierend die vorbeirauschenden technologiegestützen Informationsmassen, bei gleichzeitiger Behauptung, ohne Technologie gäbe es keine Kommunkation mehr. 


Griechischer Pavillon

Bei den nationalen Ausstel-
lungen gab es Fröhli-
ches (Hänge-
matten und Gitar-
ren in Brasilien); Duftendes (Beispiele für Holzbau in Finnland); Ödes (Italiens riesige Halle voller Baumarkt-Farne, denen es nicht gut ging); Rätselhaftes (Kuwaits leere Halle mit fast unleserlichen Projektionen von Stadtplänen auf dem Boden, bis oben akustisch aufgefüllt mit dem männlichen Stimmengewirr eines vollen Souks)
; Spannendes (albanische Denkmalschutzarbeit im Palazzo Zorzi in Castello); Ärgerliches (die Ausstellung Luxemburgs in der Ca' del Duca 2 x aufgesucht und geschlossen gefunden); Zauberhaftes (Taiwan und seine "Geographie der Aufklärung" im Gefängnispalast neben der Seufzerbrücke); Respekt (die Restaurierung der Kirche S. Lorenzo durch den Staat Mexico). Mehr zu diesem Projekt im nächsten Eintrag.

Foyer de Taiwan im Palazzo delle Prigioni


Sehr interessant: Abschlussinterview mit David Chipperfield am 23.11.2012


10. November 2012

Tizians Haus


Die Werke des Malers Tiziano Vecellio sind überall in Venedig zu bewun-
dern, z. B. in der Ac-
cademia (z. B. sein "Tempel-
gang" und seine er-
greifende "Pietá"), im Dogenpalast und in vielen Kirchen (z. B. in der Jesuitenkirche an den Fondamente nove sein dramatisches "Martyrium San Lorenzos" oder in der Frarikirche seine "Assunta" und "Madonna des Hauses Pesaro").
Wenn man will, besucht man noch sein Grab in der Frarikirche, sehr pompös, aber sein Wohnhaus ist kein Ziel von Wallfahrten und kommt, im Gegensatz zu Tintorettos Wohnhaus, in Reiseführern nicht vor.
Hugh Douglas, dessen Buch 'Venice on Foot' von 1906 ich schon mal durch die Gassen folge, schreibt sogar "Als Tizian hier lebte, war zwischen dem Haus und der Lagune nur der Garten (weshalb die schöne Aussicht immer erwähnt wird), jetzt ist die Gegend ein Labyrinth von Slums, schwerlich einen Besuch wert." 



Tizians Gässchen, Richtung Norden, sein Haus rechts

Trotzdem geht es hier um dieses Haus. Denn die derzeitige Besitzerin, ein briti-
sches Ex-Model, findet Medienaufmerksamkeit für ihr Gejam-
mer, dass sie wegen der EU-Krise die 1,6 Millionen € (brutto 1,95 Mio.) nicht bekommt, die sie dafür haben möchte. 


Donnerschlag! Die Gegend ist zwar kein Slum-Labyrinth mehr sondern ein Wohnviertel, gespickt mit Handwerksbetrieben orientiert am nahen Friedhof (Grabsteine, Särge, Glaslampenschirme...). Aber es handelt sich um ein eher kleines Haus (150 qm) in einem Sackgässchen, mit Hintergärtchen (150 qm) ohne Aussicht auf die Lagune, geschweige denn die Alpen. Das wesentliche Verkaufs- bzw. Preisargument ist der berühmte Vorbesitzer. Eines der vielen Beispiele für den venezianischen Immobilien-Wahnwitz, scheint mir, und ich habe ein bisschen zu Tizians Haus recherchiert und auf der Seite der Universität Heidelberg einen Text dazu gefunden, der mir gefällt: 

Tizians Gässchen, Richtung Süden, Tizians Haus links





 


Tizians Heimwesen
(Growem J. A. und Cavalcaselle, G. B.: Tizian: Leben und Werke, Bd. 2, Leipzig 1877, S. 407 ff.)
Noch viele Jahre nach Tizian's Niederlassung in Venedig war der nordöstlichste Saum der Stadt spärlich angebaut. Wer damals eine Fahrt nach der Villenstadt Murano machte, fand beim Austritt aus dem Canalgewirr bei S. Apostoli, S. Canziano oder S. Giovanni e Paolo Landstreifen mit grünen Feldern bedeckt oder Sumpfstellen und Gartenanlagen. Der lange öde Quai der heutigen Fondamenta Nuova bestand noch nicht; wer in der Nähe von S. Maria de' Miracoli hauste, galt schon halbwegs als Landbewohner. Für den Freund malerischer und ungestörter Häuslichkeit hatten die nördlichen Lagunenufer Reiz genug. Hier lag die Wasserfläche offen und der Blick schweifte ungehindert nach Murano hinüber; dahinter erhoben sich über em Flachlande bei Mestre die Hügel von Ceneda, durch deren Sättel hindurch man die Cadoriner Alpen erblickte; hier gab es frisches Grün und Bäume, überhaupt einen ganz andern Zustand als zwischen den Palastwänden des grossen Canals oder in der kellerigen Dämmerung des Wassernetzes der Volksstadt.

Das Haus bei S. Samuele, welches Tizian in der Zeit von 1516 bis 1530 bewohnt hatte, lag im Herzen der Stadt, dicht am grossen Canal, gleich weit vom S. Marco und vom Rialto entfernt. Im Jahre 1531 gab er dieses Quartier auf und zog in den nordöstlichen Stadttheil. Der Miethsvertrag über die Wohnung, die noch heute existiert, war unterm 1. September abgeschlossen; die Lage derselben wird darin bezeichnet: in der Contrada oder  Pfarrei S. Canziano in Biri. Als das Haus im Jähre 1527 von dem Patrizier Alvise Polani  erbaut worden war, hiess es die „Casa Grande" und stand nicht hart an der Lagune, sondern durch Gärten davon getrennt, das Erdgeschoss war an verschiedene Pächter abgegeben, die ihren besonderen Eingang hatten, in das obere Stockwerk, welches aus einem grossen Wohnraum und etlichen kleineren bestand und eine Terrassen-Loggia hatte, gelangte man mittelst einer Treppe vom Garten her. Man begreift wohl, dass sich Tizian hier, wo ihn bei klarem Morgenlicht die Berge seiner Heimath grüssten und wo der Lärm des Hafens und des Marktes nicht hindrang, behaglich fühlte. Nachdem er den ersten Miethsvertrag wiederholt  erneuert, pachtete er 1536 die ganze Casa Grande und erwarb endlich im Jahre 1549 das gesammte Grundstück, das sie einschloss. (...)  Wir wissen, dass Tizian im Lauf der Jahre seine Heimstätte sehr verschönerte und den Garten an der Wasserseite ausbaute, sodass dort ein traulicher Winkel entstand, wo gute Gesellschaft gern verkehrte und gern gesehen war.


Wer heute das Haus Tizian's besuchen will, stösst auf erhebliche Schwierigkeiten. Noch vor etlichen Jahren war es zugänglich. Die Verfasser haben es eingehend geprüft, obgleich es schon damals unmöglich war, die ursprüngliche Eintheilung der Räume sich klar zu machen, da ihr Aussehen durch Zwischenwände und Uebertünchungen verändert ist. Die Freitreppe vom Garten her sowie der Altan sind abgetragen und das Haus, das ehedem einzeln dastand, verschwindet alhnälig in dem öden Einerlei der Strassenzeile. Wir fanden bei dem Eintritt durch die ehemalige Loggienthür eine Innentreppe, die zu dem einst von Tizian bewohnten Geschoss hinanführt. Das sehr grosse Hauptzimmer war an der Nordseite in mehrere kleine Räume getheilt. Der Blick auf Murano ist jetzt nur noch durch die Calle Colombina offen.

Auch Gilbert gibt in seinem Buche über Cadore eine sehr melancholische Auskunft über das Tusculum Tizian's: „Wenn der Gondelführer den Theil der Pfarrei von S. Canziano, der Bin heisst, mit Mühe gefunden hat und endlich sogar in das Stückchen von Biri eingedrungen ist, welches den Namen Campo Tiziano führt, steht man in einem engen Gehöft, welches an der einen Seite von einer Reihe neuer Häuschen begrenzt wird  und dessen Abschluss ein Gartenthor mit der Nummer 5526 bildet. Wem  es gelingt, dort einzudringen, der thue es nur; wenn nicht, dann möge er sich an den gefälligen Handwerker wenden, welchen ich in einem der grossen die Gartenmauer überragenden Hause fand.

Aber der Blick aus der Wohnung dieses Mannes beweist nur, dass von alle dem, was Tizian ehemals um sich sah, fast nichts mehr vorhanden ist. Nur das steinerne Gesims existiert noch, das rund um das eigentliche Haus und längs der ganzen Flucht der Nachbarhäuser hinlaufend uns andeutet, dass dieser Complex ehemals eine einzige Behausung gewesen ist, in deren oberem Stocke sich das geräumige Atelier des Meisters  befand. Seit jener Zeit aber ist der Ausblick, den man damals über Land und Wasser hatte, erbarmungslos  durch Neubauten verbarrikadiert, zu denen auch die Wohnung jenes Handwerkers gehört, die zwischen dem Garten und dem Strand sich erhebt, wahrscheinlich also einen grossen Theil von Tizian's Gartenanlage bedeckt, die den Beschreibungen nach sehr ausgedehnt gewesen sein muss, da sie nachweislich bis an's Wasser reichte.
Der Weg zu Tizian's Hause fuhrt jetzt von der Kirche S. Canziano durch die Calle Widman zum Campo  Rotto.


Oder: von der Haltestelle Fondamente nove in die Calle dei Buranelli, weiter geradeaus in die Calle del fumo, rechts in die Calle del volto, rechts in die Corte della Carità, links vorbei an der winzigen Osteria alla Frasca und geradeaus auf den Campo Tiziano. Alles winzige Gassen, z. T. nur ein paar Meter. 
(Das A auf Karte bezeichnet genau Tizians Haus)


Größere Kartenansicht

Nachtrag 2.9.2018
Im Ergeschoss des Hauses befinden sich heute die Werkstätten von Mario Berta Battiloro, einer er letzten Vertreter der Zunft der Goldschläger. Mit Terminvereinbarung zu besuchen.  Siehe auch Mario Berta Battiloro unter den Tipps zu den venezianischen Handwerker*innen und Kunsthandwerker*Innen und den Eintrag "Ganzkörperfoto auf Goldgrund?" vom 2.6.2017.


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1. November 2012

Kranichzeit

Seit gut 25 Jahren lebe ich in der Flugschneise der Kraniche. Ich habe mich daran gewöhnt, den Wechsel der Jahreszeiten mit ihrem Flug zu verbinden und verpasse sie nie. Einerseits weil sie in mehreren Kontingenten an verschiedenen Tagen fliegen, andererseits weil sie während des Flugs schreien. Auch bei geschlossenen Fenstern sind sie nicht zu überhören, und  bei Nachtflügen holen sie mich sogar aus einem leichten Schlaf.

Ich hatte schon befürchtet, sie in diesem Jahr verpasst zu haben. Aber letzten Samstag kamen sie, ein bisschen später als sonst im Oktober, nicht nur ein paar der üblichen Reisegruppen, sondern viele aufeinanderfolgende Verbände, viele Hunderte von Kranichen innerhalb einer guten Stunde. Keine Ahnung, wie dieser riesige Exodus zustande kam und wieso die Route (zumindest hier in Bonn) mehr süd-süd-westlich als normalerweise südwestlich war.

Ich habe deshalb ein bisschen im www gesucht und überraschend einen schönen Kranichflug über Venedig gefunden. Allerdings einen Frühlingsflug von Süden nach Norden. Einen guten Winter allerseits wünsche ich.



(Auf Vollbildmodus geklickt stört die Googlewerbung nicht den Blick auf Venedig.)


Ergänzung 17.12.2012

Per Mail, nicht als Kommentar, erhielt ich diesen Beitrag, für den ich mich herzlich bedanke und mit Erlaubnis des Schreibers teilen möchte:


...wunderschön der Film mit den Kranichen über Venedig. Sie wissen schon, dass es in San Marco ein Mosaik im Vorraum gibt mit Noahs Arche, in dem auch Kraniche vorkommen? Also können Sie da mal Ihre Lieblinge bewundern. Dazu ein Foto sowie ein Zitat von Farley aus dem Jahr 1917 über die Vogelwelt in San Marco, speziell die Kraniche.

Farley, ornithology at St. Mark's 1917
Conspicuous by reason of their stature in the crowd of birds of the Ark's door stand the Cranes. These are the common European species Grus grus. The blue, long-legged wader lack the details of their colour-plan. Yet the white stripe running down the side of the neck appears; while more important still the touch of red on top of the head, indicating the semi-naked crown of Grus shows that the artist was at least aware of this most diagnostic as well as striking external of the Crane.
Kraniche im Mosaik in S. Marco