21. September 2016

Architekturbiennale auf dem Überraschungspfad

Ausstellung "Sharing & Regeneration"
Barco in S. Caterina
Auf der Insel Certosa, in der Halle mit der Ausstellung "The Horizontal Metropolis. A Radical Project" spricht mich ein britisches Ehepaar an und fragt mich nach meinem persönlich "besten" Biennalebeitrag in der Stadt, außerhalb Giardini und Arsenale. Was fällt einem dazu auf die Schnelle ein?! 

Es stellt sich heraus: es ist die sehr originelle Art dieser beiden, sich eine Biennale-Überraschungstour zusammen zu stellen bzw. zusammen stellen zu lassen. Sie fangen irgendwo mit ihrer Frage an, besuchen die empfohlene "beste" Ausstellung, fragen dort andere Besucher nach ihrem "besten" Biennaleerlebnis, kringeln den Ort auf ihrem Stadtplan ein und kommen so durch die Stadt und die Ausstellungen. Haben mit Glück interessante Gespräche und täglich neue Überraschungen ohne Planung und Vorbereitung. Ideen muss man haben!


Ausstellung "Sharing & Regeneration"
Palazzo Zen
Meine spontane Empfehlung war die Doppelausstellung "Sharing & Regeneration" im Palazzo Zen (Fondamenta Zen) und der ehemaligen Kirche S. Caterina (Fondamenta S. Caterina), beide am Rio di S. Caterina. Nicht als "beste", sondern weil der Eindruck vom Tag zuvor noch gut nachwirkte. Das Thema Renovierung-Restaurierung-Wiedernutzung von Wohnraum und Wohngebieten in China kommt mit einer schönen Mischung von Modellen verschiedener Größen, Gestaltungsdetails und Kunstwerken im Rahmen der beiden alten Gebäude und hat mich sehr beeindruckt. 
Die ehemalige Kirche S. Caterina wird zum 2. Mal für eine Nebenausstellung genutzt und ist ist dieses Mal nicht ganz so grottenfinster (un)beleuchtet, man kann also durchaus z. B. den geschlossenen Barco für die Nonnen wahrnehmen, Altardetails und Grabstellen im Boden der Kirche. 
Der Veranstalter ist eine Fondazione EMGdotART, die nur eine Facebook-Seite hat (ganz schlecht aus meiner Sicht) aber einen bekannten Präsidenten, Mario Folin und eine Website auf Chinesisch, die auch von Google übersetzt eher verwirrend ist. Da bin ich überfordert, empfehle den Besuch aber trotzdem auch an dieser Stelle.


Ausstellung "Across Chinese Cities", Ca' Tron
Weitere chinesische Ausstellungen sind empfehlenswert. 
In der Ca' Tron am Canal Grande die Fortsetzung von "Across Chinese Cities" von 2014, mit "China House Vision" leider nur noch wenige Tage geöffnet (deshalb siehe auch Artikel vom 16.9.16 in 'domus'). 
Gleiches Gebäude, gleiche Etage: "Infinity Kitchen" ('domus' 30.5.16), noch bis 30.9., vielleicht (!) funktional aber ein sehr gewöhnungsbedürftiger Anblick. 
Und, ebenfalls im Androne der Ca' Tron: eine der ästhetischen Ausstellungen von chinesischem traditionellen Hausrat aller Formen, Farben, Größen, Materialien. Diese an sich schlichten Gebrauchsgegenstände in harmonisch komponierter Präsentation, schön schattenwerfend beleuchtet, lösen einen zwanghaften Knipsrausch aus bei allen, die eine Kamera in der Hand haben.


Ausstellung "Across Chinese Cities", Ca' Tron
Chinesische Gebrauchtsarchitektur zeigt auch Taiwan im Palazzo delle Prigioni neben dem Dogenpalast. Sehr nüchtern, mit vielen kleinen Modellen und Bildern, spannend, wenn man sich darauf einlässt, wozu das Kleinteilige ja nicht gerade einlädt. Die beeindruckenden Räumlichkeiten der ehemaligen 'Signori di notte' mit den meterdicken nackten Wänden, wappen- und graffittiverziert, kann man bei dieser Ausstellung nur eingeschränkt auf sich wirken lassen, sind teilweise verhängt und zugestellt. Trotzdem, reingehen, wenn man sich auf der Riva befindet.


Ausstellung Hong Kong "Stratgems in Architecture"
Im Gegensatz dazu ist die Ausstellung Hong Kongs "Stratagems in Architecture: Hong Kong in Venice" sehr auf der künstlerischen Ebene (wie viele Einzelausstellungen auf dieser Architekturbiennale) angesiedelt. Architektur steht im Hof, Kunst in den Ausstellungsräumen. Sie befinden sich am Campo della Tana, gegenüber dem Haupteingang zum Arsenale.

Im Nebengebäude gibt es eine Art exotischer Wunderkammerausstellung von Macau mit dem Titel "Coexistence". Es geht um Instandhaltungs- und Restaurierungsmaßnahmen in der kolonialen portugiesisch-chinesischen Altstadt Macaus, die zum Teil denen Venedigs gar nicht unähnlich sind (siehe Fotos unten). 


Detail des Fotos unten


Ausstellung Macau "Coexistence"

Alle diese im weitesten Sinne chinesichen Ausstellungen sind kostenlose Nebenausstellungen jenseits von Giardini und Arsenale, entsprechend der Frage der beiden 'freilaufenden' Briten auf La Certosa.



Siehe auch Einträge vom 1.5.: Biennale 2016 - Zusätzliches und Besonderes und 28.5.: Start der Architekturbiennale - Medienspiegel



Gehört auch zur Biennale:
Streetart auf der Außenmauer der Hong Kong-Ausstellung

.