25. Dezember 2007

Il Quarto Ponte

Neuigkeiten erreichen mich per Email.
Am 30. November gab 'Il Gazzettino' die verzögerte Eröffnung der Calatrava-Brücke bekannt, um 5 Monate (eigentlich vorgesehen war Jahresende 2007, dann Januar...). Grund: Probleme mit dem Glas, das montiert wird.

Ausführlichere Nachricht am 3. Dezember: die vor einigen Wochen durchgeführten Belastungstests wurden positiv gegutachtet. "Es gab nur einen Bedenkenträger, der meinte, wenn sich alle auf der Brücke auf eine Seite stellen, könnte die seitliche Neigung der Brücke (ca. 7 cm) zu einer Panik führen." (Ich denke, der Mann könnte notfalls getröstet werden.)
Die Zugseile, die bisher zur Absicherung unter der Brücke angebracht waren, wurden mittlerweile entfernt.
Es bleibt aber bei einer deutlichen Verzögerung, da für den Zuschnitt aller einzelnen Glasstufen und die Installation und Genehmigung der Ovovia (Kabinenbahn für rollende Passanten) jeweils noch 120 Tage Verlängerung beantragt wurden. Mit der Eröffnung bis Ostern wird es also nichts.



Um das Interesse an der Sache zu fördern hat in den Medien, besonders durch einen Vorschlagswettbewerb des 'Gazzettino', aber auch im Web eine breite Diskussion der Namensgebung eingesetzt. Die täglich neuen Vorschläge sind phantasiereich von 'Lenin' bzw. 'Stalinbrücke' und 'Brücke der Tränen' bis langweilig 'Brücke Piazzale Roma'.
Bürgermeister Cacciari schlug Ponte della Zirada' vor, (Zirada = venezianisch für Girata, alte Ortsbezeichnung der Kanalbiegung in der Gegend von S. Andrea. Der Name wurde bereits für den Platz vorgeschlagen, der dann in den 30er Jahren Piazzale Roma benannt wurde.). Dieser Vorschlag wurde am 4.12. in der Namensfindungskommission abgeschmettert.

Namensfavoriten sind die beiden Heiligen rechts und links des Canal Grande: das ehemalige Kloster (heute Hotel) Santa Chiara und Santa Lucia, nach der der Bahnhof benannt ist, an dessen Stelle vormals eine S. Lucia-Kirche von Palladio stand.

Rückseite des
Hotels
Santa Chiara,
von der ich annehme, dass es sich
um Reste des ehemaligen Klosters handelt.

Damit wir wissen, wovon die Rede ist, zitiere ich Albert Christian Sellner: Immerwährender Heiligenkalender, Zweitausendeins 1998; S. 444-447 (Chiara) und 696 f. (Lucia). Text für junge Kinder nicht geeignet!

12. AUGUST HL. CLARA VON ASSISI Gründerin des Clarissenordens, 1194—1253
Die Jungfrau aus vornehmer Familie hörte eine Predigt des hl. Franziskus und beschloß auf der Stelle, allen irdischen Eitelkeiten zu entsagen. Bei einem persönlichen Zusammentreffen erkannte der Heilige in ihr eine Gleichgesinnte. Er forderte sie auf, ein Bußkleid anzuziehen und in Assisi für die Armen betteln zu gehen. Clara verließ daraufhin nachts heimlich das Elternhaus. Franziskus selbst schnitt ihr die Haare ab, legte ihr ein sackartiges Gewand an, das mit einem Strick gegürtet war, und führte sie in das KIoster der Benediktinerinnen.
Die Empörung ihrer Familie über diesen Schritt steigerte sich zu blanker Wut, als ihr die 14jährige Schwester Agnes ins Kloster folgte. Unter dem Kommando ihres Oheims Monaldo rückte eine Gruppe von Verwandten an, welche die noch unmündige Agnes mit Gewalt zurückholen wollte. Doch Claras Gebet war stärker. Das Mädchen wurde in den Händen der Entführer so schwer, daß sie es nicht mehr tragen konnten. Franziskus brachte die beiden Jungfrauen bald darauf nach San Damiano, und damit entstand das erste franziskanische Frauenkloster.
Obwohl Clara die letzten drei Jahrzehnte ihres Lebens fast ausschließlich auf dem Krankenlager zubringen mußte, wuchs die Gemeinschaft unter ihrer Führung rasch an und zog viele junge Frauen gerade auch aus begüterten Familien an. 1228 gab es in Italien schon 23 dieser neuen Klöster. Der entscheidende Unterschied der Clarissen zu anderen Orden wurde die Liebe zur Armut.
Ein Leben lang mußte die Gründerin darum kämpfen, denn im Vatikan wollte man die Nonnen auch in schlechten Zeiten versorgt wissen und bestand darauf, daß das Kloster selbst Eigentum besitzen müsse. Erst zwei Tage vor ihrem Tod setzte Clara durch, daß der Papst das Ordensprivileg bestätigte: Niemand dürfe die Clarissen zwingen, Eigentum anzunehmen.
Die strengen Regeln des Ordens wurden aber stets von der Oberin überboten, was ihre eigene Person an langte. Sie trug abwechselnd zwei Bußgürtel auf der blanken Haut; der eine bestand aus verknotetem Roßhaar, andere aus Schweinsleder, in dem noch kurzgeschorene Borsten steckten. Diese stachen ihr ins Fleisch und riefen eiternde Schwären hervor. Wenn diese zu gefährlich wurden, nahm Clara wieder den anderen Gürtel, bis die wunde Haut sich ein wenig erholt hatte. Der hl. Franziskus persönlich mußte ihr verbieten, auf der bloßen Erde zu schlafen und ganze Tage nichts zu essen.
Claras Wirkung auf Menschen war außerordentlich, manchmal auch in unvermuteter Weise. Damals wurde Italien von marodierenden Sarazenen geplagt, die eigentlich im Dienste Kaiser Friedrichs II. standen, aber ihre Stellung zu Plünderung und Notzucht ausnutzten. Eine Schar dieser brutalen Söldner hatte sich zusammengetan, um des Nachts an den Nonnen von San Damiano ihre gewohnten Greuel zu verüben. Sie kletterten die Mauern empor und schauten schon durch die Fenster, während die Schwestern in Panik zu ihrer kranken Oberin stürzten. Diese ließ sich auf einer Bahre mit der Monstranz in der Hand zur Pforte tragen, und plötzlich ergriff ein geheimnisvoller Schrecken die Soldaten und trieb sie in die Flucht.
Am letzten Weihnachten vor ihrem Tod erlebte die sterbenskranke Äbtissin in einer Art übernatürlicher Television die Christmette in Assisi in allen Einzelheiten, weshalb sie 700 Jahre später von Pius XII. zur Patronin des Fernsehens ernannt wurde.
Darstellungen: als Clarissin in schwarzem oder braunem Wollgewand und mit Kreuz, Lilie, Regelbuch oder Äbtissinnenstab; mit Monstranz oder brennender Lampe.
Patronin: von Assisi; der Glaser, Glasmaler, Stricker, Vergolder, Wäscherin-In; gegen Augenleiden und Blindheit, Fieber; des Fernsehens.

13. DEZEMBER HL. LUCIA Jungfrau und Märtyrerin, + um 303
Die schöne Jungfrau Lucia war bei den Jünglingen von Syracus begehrt wie keine andere. Sie aber wies alle ab. Einer jedoch tat sich besonders hervor. Er machte ihr ihre schönen Augen zum Vorwurf, in die er sich auf den Tod verliebt habe. Da riß sich Lucia die Augen aus und sandte sie ihm auf einem Teller. Bestürzt ließ er von seiner Werbung ab; Lucia aber erhielt von der Muttergottes ein noch viel schöneres Augenpaar.
Als ihre Eltern sie schließlich doch verlobten, verschenkte sie ihr Gut unter die Armen und verminderte dadurch ihre Mitgift. Der Bräutigam erzürnte darüber und verklagte sie bei einem Richter. Dieser lud sie vor und forderte sie als erstes auf, den Göttern zu opfern. Da sie sich weigerte, verurteilte er sie zur öffentlichen Schändung in einem Freudenhaus. Die Kraft des Hl. Geistes machte Lucia aber mit einem Mal so schwer, daß weder die vereinten Kräfte von tausend Männern noch ein Ochsengespann sie vom Fleck bewegen konnten. Da der Richter Zauberei vermutete, ließ er sie mit Urin begießen, denn man glaubte, dadurch den Bann lösen zu können. Aber es half nichts. Lucia blieb wie angewurzelt. Nun versuchte man sie mit Pech und Schwefel anzuzünden, aber das Feuer fügte ihr nicht den geringsten Schaden zu. Da stießen sie ihr endlich ein Schwert in die Kehle.
Darstellung: mit vier Ochsen; mit Halswunde und Schwert; mit Buch; mit Augen auf einem Teller; in Kessel über Feuer; mit Lampe; mit Palme und Schwert; mit Doppelkreuz.
Patronin: von Mantua, Syrakus, Toledo, Venedig; der Bauern, der reuigen Dirnen, Glaser, Kutscher, Messerschmiede, Notare, Pedelle, Sattler, Schiffer und Seefahrer, Schneider, Schreiber, Türhüter, Weber; des Augenlichts; gegen Blindheit (auch im geistigen Sinn) und Augenkrankheiten; gegen Armut.



Der Körper der armen Lucia (oder etwas, was ihn darstellen soll) wurde beim Bahnhofsbau umgesiedelt nach S. Geremia. Eine besonders anrührende Darstellung Lucias von Tiepolo befindet sich in der Capella Corner in der Kirche SS. Apostoli in Canareggio (ganz vorne unten im Bild das Tellerchen mit den Augen beachten! Habe ich dreimal übersehen, hingerissen von der Schönheit Lucias).

Man darf hoffen, dass rechtzeitig noch jemand einen genialen Geistesblitz hat, damit Venedig im Jahr 2008 einen der Tradition angemessenen Namen findet und trotzdem nicht auf diesen beiden "Brückenheiligen" aus dem 4. bzw. 13. Jahrhundert sitzen bleibt, finde ich...

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