Eine wunderschöne Gondel...
liegt im Canale di Cannaregio, linke Seite, wenn man stadtauswärts fährt, rechte Seite, wenn man stadteinwärts fährt, sie ist offensichtlich neu und fiel mir beim ersten Blick auf, schon im April. Die Gondel hat für mein Auge ungewöhnlich harmonische Rundungen, auch des Verdecks, Bug und Heck sind schwungvoll etwa gleich hoch gezogen und mit einer Art silberner Stacheln verziert, sonst gibt es keine Dekorationen und das Schwarz ist matt, nicht glänzend. Elegant!
Im Mai sah ich sie wieder, und diesmal hatte sie sogar ein halbrundes Dach, ein Felze, aus goldgelbem Brokat. Ich war noch tiefer beeindruckt und natürlich neugierig, wer-wie-wo-warum.
Für derartige Fragen ist Andreas Götz seit Jahren ein sachkundiger Ansprechpartner, der mit folgender Antwort spannende und erschöpfende Informationen mailte:
Für derartige Fragen ist Andreas Götz seit Jahren ein sachkundiger Ansprechpartner, der mit folgender Antwort spannende und erschöpfende Informationen mailte:
Zu deiner Frage: Es ist eine Rekonstruktion einer Gondola Seicentesca, also des siebzehnten Jahrhunderts. Das Ganze als Teamarbeit des Meisterkurses der Gondelbauer 2011. Beratung durch Gilberto Penzo (wer sonst?) und gebaut auf der Certosa bei Vdv (Alberto Sonnino, wo sonst?).
Der Felze ist, so wie du ihn fotografiert hast, fertig. Er war so im siebzehnten Jh.
Im Dogenpalast habe ich mal ein Bild einer gondola seicentesca gesehen. Leider konnte ich keine Abbildung finden. Fotografieren darf man ja eigentlich nicht und Abbildungen findet man dann nicht; ziemlich doof.
Zeitraffer des Baus der Gondel:
Bericht über den "Stapellauf":
Um die Entwicklung der Gondel skizzenhaft zu vervollständigen:
Im 15. und frühen 16. Jh. ähnelte die Gondel noch stark der Batela. Die Unterschiede haben sich dann erst herausgebildet (Ich sehe die Unterschiede gar nicht, also frag mich nicht). Es gab wohl schon im 15. Jh. ein einfaches Felze. Auf dem Bild aus dem "Kreuzwunder" von Bellini sieht man in den Gondeln runde Bögen liegen, mit denen man bei Bedarf einen Sonnenschutz bauen konnte. Ich habe dir einen Bildausschnitt angelegt.
Detail, Bellini "Kreuzwunder"
Für den Film Casanova wurde eine Gondel des 18. Jh. rekonstruiert. Sehr gerade im Wasser liegend, mit hohem Ferro. Heute ist sie im Besitz des Arzana, dessen Mitglieder auch beim Film mitgewirkt haben. Foto als Anlage.
Gondel des 18. Jahrhunderts, rekonstruiert für den Film 'Casanova' |
Im 19. Jh. wurden Bug und Heck immer höher gebaut, wodurch die Gondel sehr viel wendiger wurde. Ich vermute zudem, daß sie dadurch weniger anfällig gegen Wellenschlag wurde. Ein Problem, daß ja erst seit dem 19. Jh. in dieser Form existiert.
Hier noch zwei Links zum Gondelbau:
http://www.youtube.com/watch?v=YGJroKBe4K0
http://www.youtube.com/watch?v=HZKGNa80RJs
Der Kurs war bei Vdv übrigens nur "zu Gast", sicher gegen entsprechende Bezahlung. Eigentlich sind das ganz normale Produktionsstätten.
Cordiali saluti, Andreas
Grazie mille für Deine Erläuterungen und herzliche Grüße zurück.
Ich hoffe, wohlinformierte TouristInnen freuen sich wie ich beim Anblick der Gondel im Canale di Cannaregio.
Nachtrag am 15.7.2012:
Andreas Götz weist mich per Mail darauf hin, dass in der Pfarrrkirche S. Maria Assunta in Malamocco auf einem Altarbild eine Gondel des 17. Jahrhunderts dargestellt sei. Ob ich vielleicht zufällig ein Foto davon gemacht hätte?
Nein, habe ich leider nicht. Aber das wunderbare www hat. Hier: Dr. Ulrich Alertz, Studien zur Technik des Mittelalters, Die Gondola des Barock
Nachtrag am 15.7.2012:
Andreas Götz weist mich per Mail darauf hin, dass in der Pfarrrkirche S. Maria Assunta in Malamocco auf einem Altarbild eine Gondel des 17. Jahrhunderts dargestellt sei. Ob ich vielleicht zufällig ein Foto davon gemacht hätte?
Nein, habe ich leider nicht. Aber das wunderbare www hat. Hier: Dr. Ulrich Alertz, Studien zur Technik des Mittelalters, Die Gondola des Barock
2 Kommentare:
Danke für die Infos. Ich hab so eine ähnliche auch schon mal gesehen.
"Diese Gondel vergleich ich der sanft einschaukelnden Wiege,
Und das Kästchen darauf scheint ein geräumiger Sarg.
Recht so! Zwischen der Wieg und dem Sarg wir schwanken und schweben
Auf dem Großen Kanal sorglos durchs Leben dahin..."
Kommentar veröffentlichen