3. Februar 2013

Ca' Foscari - Führung für Fortgeschrittene

Innenhof der Ca'Foscari

Die Führung durch die Ca' Foscari braucht man nicht beim ersten (oder einmaligen) Venedigbesuch, ist aber sehr zu empfehlen für Fortgeschrittene und WiederholungstäterInnen, die über Jahre hinweg die Stadt immer besser kennenlernen wollen. 

Als Sitz einer der venezianischen Hochschulen, der Universität Ca' Foscari, ist das Gebäude im Prinzip zugänglich, man kann durch den 'Hintereingang' (direkt an der Brücke über den Rio di Ca' Foscari') und durch den Innenhof (in dem jährlich die ArtNight eröffnet wird) in den ehemaligen Androne, die Halle im Parterre, marschieren. Aber erst wenn man sich mal hinsetzt, z. B. in den Innenhof mit dem schönen Brunnenkopf, nimmt man Reste von Fresken an der Gebäuderückseite wahr oder kann im Androne die Innenausstattung des venezianischen Architekten Carlo Scarpa und den Blick durchs Wassertor auf den Canal Grande genießen.


Reste von Fresken an der Hauswand des Innenhofes



 



Mit dem Namen des Hauses ist natürlich verbunden der Doge Franceso Foscari, den wir vor dem Markuslöwen knien sehen über der Porta della Carta zwischen S. Marco und dem Dogenpalast. Nach den Bränden des 15. und 16. Jahrhunderts veranlasste Foscari den Bau der westlichen Teile des Dogenpalastes, und für den Bau der Familienresidenz am Canal Grande verpflichtete er den gleichen Architekten: Bartolomeo Buon.
FF war der Doge mit der längsten Amtszeit, und er war der Doge der wirklich harten Zeiten. 
Während seiner ganzen Amtszeit kämpfte er mit der Konkurrenz der Familie Loredan, deren Mitglied Pietro Loredan bei der Dogenwahl gegen ihn verloren hatte. 
Die wiederholten langen Kriege auf dem Festland (mit Akteuren wie dem Heerführer Carmagnola) wurden finanziert durch ziemlich gewaltsame Steuern und Zwangsanleihen, trotzdem geriet das Staatsbudget zunehmend außer Kontrolle. Der Senat stellte fest, dass es vom wirtschaftlichen Standpunkt nicht mehr "um Ruhm und Würde, sondern um Existenz und Freiheit" der Republik ging.
Nicht zu verhindern war trotz aller Bemühungen der politische wie wirtschaftliche GAU, der Fall Konstantinopels 1453, der ganz Europa erschütterte. Die Folgen für Venedig stelle ich mir ähnlich vor wie Wirtschaftskrisen der letzten Jahre: Handelsketten und Banken brachen zusammen, der gesamte Handel inkl. Zinswesen etc. östlich Venedigs musste neu aufgebaut werden, eine Flüchtlingswelle von Kaufleuten, Handwerkern, aber auch griechischen Intellektuellen und Künstlern rollte an und musste integriert werden. 


Große Aula, gestaltet von Carlo Scarpa

Das Familiendrama der Foscari bewegte Venedig über Jahrzehnte: Verlust der ersten Ehefrau Maria Priuli und aller Kinder aus erster und zweiter Ehe mit Marina Nani, einige in den Pestepidemien, die auch die Reichen nicht verschonten. Das einzige überlebende Kind war der Sohn Iacopo. Der, mehrfach angeklagt wegen schlimmer Sachen wie u. a. Mord und Landesverrat, durch seinen Vater verbannt (werden musste) - wieder zurück genommen - erneut verbannt - wieder zurückgeholt - bei einer Verfahrenswiederaufnahme endlich freigesprochen wurde, allerdings erst kurze Zeit nach seinem frühen Tod in der letzten Verbannung auf der venezianischen Insel Candia (Kreta). Das Vater-Sohn-Drama wurde jenseits der Gerichtsakten erhalten in den Künsten durch Lord Byron, Giuseppe Verdi und diverse Maler, z. B. Delacroix, als "I due Foscari".  

Francesco Foscari lebte in seiner Dogenwohnung des Dogenpalastes, während sein Palazzo am Canal Grande auch außenpolitischen Zwecken diente, wie z. B. dem tagelangen Fest, das dem französischen Thronfolger Heinrich III auf seiner Reise von Polen nach Frankreich gegeben wurde (siehe auch Eintrag 'Nicht in Venedig unterwegs'). Eigens zu diesem Anlass wurden Umbaumaßnahmen im Palast durchgeführt. Bis zu Iacopos Tod hoffte der Vater wohl, sein Sohn würde eines Tages die Familientradition in der Ca' Foscari fortsetzen. Er selbst verbrachte, gebrochen und sterbend, nur die letzten 10 Tage seines Lebens dort, nach seiner durch den Rat der Zehn illegal erzwungenen Abdankung. Sein Grab ist erhalten in der rechten Wand der Apsis von S. Maria Gloriosa dei Frari. Das Leben Forscaris ist insgesamt eine hochspannende dramatische Geschichte, die sich nachzulesen lohnt (siehe Buchhinweise unten).

Die heutige Ca' Foscari ist innen baulich so verändert, dass man auch mit schönster Phantasie keine Idee von Foscaris Räumlichkeiten mehr hat. Aber immerhin ist ja die wunderbare Fassade an der Biegung des Canals erhalten, bis heute Zielpunkt der großen Ruderregatten.
Die Führung zeigt und erläutert (neben der Geschichte des Hauses) den Androne (mit Gang raus auf die kleine Terasse), die Restaurierungen des letzten Jahrhunderts und die Umbauten durch Carlo Scarpa, Besuch der Aula mit Gang raus auf den Balkon zum phantastischen Blick über den Canal Grande bis zum Rialto auf der einen Seite und zur Accademia auf der anderen.  


Sie bewegt sich auch in das Nachbargebäude Ca' Giustinian (in der Richard Wagner zweitweise wohnte und Teile des "Tristan" schrieb), was man aber wegen durchbrochener Wände gar nicht merkt.  Die Gebäude stehen so nah beieinander, das keine Hand dazwischen passt. Auch vom Innenhof der Ca' Foscari gibt es einen Durchbruch in den Innenhof der Ca'Giustinian mit Pozzo und sehr beeindruckender Aussentreppe in den piano nobile, der auch zur Führung gehört. 

Hinweise zur Führung Ca' Foscari
Man meldet sich telefonisch an, holt die bestellte Karte im Sekretariat (rechts neben dem Eingang) und wartet im Innenhof auf die Führungsfachkraft.


Balkonblick zum Rialto

Venedig und die Dogen: ein Buch, das ALLE venezianischen Dogen behandelt, auch Francesco Foscari und aus dieser Sicht interessante Aspekte zur venezianischen Geschichte liefert (die es ja aus verschiedensten Blickwinkeln gibt). Helmut Dumler ist Journalist. Ich habe sein Buch mit Gewinn und langeweilefrei gelesen.

 

The Likeness of Venice; ein Buch, das ausschließich den Dogen Francesco Foscari behandelt, wissenschaftlich recherchiert und sehr spannend geschrieben von Dennis Romano, der an der Syracuse University Kunst und Geschichte unterrichtet. Hochgelobt, ich lese es derzeit noch und empfehle es uneingeschränkt, es gibt keine Übersetzung aus dem Englischen.




 Blick auf die Biegung des Canal Grande am Wassertor der Ca' Foscari







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