26. Mai 2013

Kleinste Kunst am venezianischen Bau

 
Zwei Pfauen, (naxischer?) Marmor, Castello, Fond. della Tana/Ponte della Tana

Bevor ab dem kommenden Wochenende die große Masse zeitgenössischer Kunst über Venedig ausgeschüttet wird - die Eröffnungen von Biennale, Pinault-Ausstellungen im Palazzo Grassi und der Dogana, der Prada-Ausstellung im Palazzo Corner della Regina, diverse Neben- und Satellitenereignisse der Biennale...

Ähnliches Motiv - Vögel mit Weinstock, Dorsoduro, Dietro gli incurabili
  ...will ich einen Eintrag schreiben über die kleine, alte, unspektakuläre Kunst am Bau, die überall in Venedig präsent ist: die Patera. Ein kleines Relief, 20-80 cm im Durchmesser, bis zu 10 cm dick, entscheidendes Merkmal: rund! Denn Reliefs an Gebäuden in allen Größen und Formen finden sich massen-
haft in Venedig (darüber ein anderes Mal), Patere sind nur die runden. 


Kampf zwischen Schlange und ?, Cannaregio
 Ursprünglich ein flaches tellerförmiges Kultgefäß in der griechischen und römischen Antike, weiter entwickelt in der byzantinischen Kunst, meist aus Ton, aber auch luxuriös in Silber, verziert mit Darstellungen nur auf der Oberseite, wurden Patere für Opferrituale verwendet.
Unter der Bezeichnung Patene gibt es ein ähnliches Gefäß noch immer im christlichen Opferkult (Kommunion, Abendmahl). 


2 Bären (?), Cannaregio
 Die künstlerisch-magische Verwendung  am Bau im byzan-
tinischen Venedig fanden Patere vom Ende des 10. bis zum 12. Jahrhundert, aber auch in folgenden Zeiten hat sich die kleine runde Form behauptet, und auch auf ägägischen Inseln  habe ich mit Patere geschmückte ältere Häuser (und stylische neue!) gefunden. Schöne Teller auf die Fassaden zu pappen hat sich als nachhaltige Idee erwiesen. 


Kirche S. Sebastiano, Eingang, Dorsoduro
In Venedig gibt es Patere in allen Stadtteilen, auch Touristen im Schnelldurchlauf können sie an der Basilika S. Marco bewundern. Hergestellt sind sie meist aus istrischem Stein, allenfalls griechischem Marmor, der weiße Carraramarmor ist zu empfindlich. Man kann ggfs. an ihrem Zustand erkennen ob es sich um alte Patere oder neue handelt (die man zur Haus- oder Gartendekoration vor allem in den Steinmetz-
geschäften in Cannaregio kaufen kann). Wenige alte Patere sind aus Metall. Manche der neuen sind aus Beton gegossen, was immer man sich dabei denkt. 


Dogenwappen, S. Marco, Innenhof Ca' del Duca
  Häufig sind Tiere dargestellt, auf alten verwitterten Patere sind sie manchmal kaum zu erkennen. Ist aber eigentlich egal, denn alle Tierdarstellungen haben Symbolcharakter und die Tiersymbolik wurde schon in der Antike geschickterweise so breit angelegt, dass sich im Prinzip jede/r aussuchen kann, was gemeint ist bzw. was er/sie passend findet.
Ein Löwe (wir sind in Venedig!) kann außer S. Marco auch Christus, Daniel, Hieronymus, sogar den Teufel, Beharrlichkeit, Tapferkeit, Mäßigkeit, Stolz, Überlegenheit, Auferstehung symbolisieren. 


Familienwappen, S. Polo, Calle Orsetti
Der Adler ist ein Symbol für Grechtigkeit und Stolz, der Biber für Keuschheit, der Bär für Unkeuschheit, das Einhorn für Jungfräulichkeit, der Hund für Treue, Neid und Zorn, die Taube für Demut, die Elster für Eitelkeit, der Pfau für Unsterblichkeit, der Drache für den Teufel und das Böse schlechthin, der Hase für Fruchtbarkeit... undsoweiter. Entscheidend für die ursprünglichen Patere ist die erhoffte magische Funktion: das symbolisierte Gute rein, das symbolisierte Böse raus.

Das geniale Familienwappen Malipiero,
Cannaregio, Calle Boldo
Der praktische Zusatznutzen trat später ein in Form von Selbstdarstellung: die Familiensymbolik der Wappen, die soziale Symbolik von Gruppen wie der venezianischen Scuole u. ä.. In Einzelfällen trifft heute wohl auch rein der persönliche Geschmack den Kern der Sache.

Symbol der ehem. Scuola del Volto Santo der Seidenhändler aus Lucca,
Cannaregio, bei S. Maddalena
(siehe auch Eintrag "Vom Finden verschwundener Kirchen" )
Patere sind schwer zu fotografieren, finde ich, denn sie hängen in der Regel hoch, man hat die Wahl zwischen Zoom und extrem schräger Untersicht, in beiden Fällen habe ich schon jede Menge Wackler produziert. Unbedingt sind Patere einer der Gründe, in Venedig nie den regelmäßigen Blick nach oben zu vergessen. Damit einem nicht die wunderschöne kleinste Kunst entgeht.

 
















Haus gespickt
mit Patere und Spolien, Cannaregio, Rio di Ca' Widmann bei der Kirche der Miracoli

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1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Iсh bin gerade zufaaellig ɑuf Ihrer Homepage gelandeet (war ɑuf der Suche nach eіner
anderen Seite). IcҺ moechte diese Seite nicht verlassen, ohne
Euch еin Lob ƶu Ԁieser klar strukturierten սnd schick designten Sete ƶu hinterlassen!

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