3. November 2014

Grandi Navi - anderswo

Schreck beim Frühstück. Der erste Tender zum Hafen ist schon unterwegs.
Heute beim Frühstück, 8:10 Uhr: langsam schiebt sich von rechts ein bekannter Anblick ins Fenster des Hotel Aktaion. Lange Reihen von kleinen Balkons, in mehreren Etagen übereinander. Ein Hotel unterwegs. Oh nein. Nicht auch noch hier. 

Ich bin in Gytheio, Mani, Griechenland. Endpunkt einer kleinen Peloponnes-Rundreise zu einigen fränkischen/venezianischen (chronologisch) Burgen und Grabungen. Hier will ich noch ein paar Tage abhängen. 

Es gibt ja einige griechische Häfen, die sich sehr der Kreuz-
fahrtindustrie anbiedern, in der Hoffnung eine zusätzliche touristische Einnahmequelle anzuzapfen, und zu spät merken, dass nichts hängen bleibt: KreuzfahrerInnen essen und schlafen auf dem Schiff. Sie kaufen allenfalls lokal Bijouterie oder Alkohol ein (konnte ich heute beobachten) oder Pelze (wie ich vor 1 Woche auf Zakynthos hörte, haben Pelzgeschäfte eröffnet, seitdem Nachfrage durch russische Kreuzfahrtpassagiere besteht).


Um in die Kreuzfahrtrouten einbezogen zu werden, lässt man Häfen mit EU-Mitteln ausbauen (der hiesige laut Baustellen-
schild in Höhe von über 22 Mio. aus dem 2007-2013 Regionalförderungsprogramm). Noch muss heute das große Schiff draussen ankern, der Hafen liegt seit geraumer Zeit voller Betonbaumaterial. Der Hafenausbau dauert Jahre.


Die 6-Mann-Vorhut richtet den Landeplatz für die Passagiere ein

Die Passagiere werden mit Tendern in den kleinen Hafen gefahren, zuvor schickt das Schiff 6 Leute an Land, die mit 2 Zeltdächern, Absperrungen und Flaggen mit dem Unterneh-
menslogo die Landstelle einrichten. 6 Busse sind bereits vorgefahren, 6 Reiseleiterinnen mit engen Hosen, langen Schüttelhaaren und Klemmbrettern aufmarschiert. Die Busse werden in ca. 1,5 Stunden abfahren und einen Teil der Passagiere exkursionsmäßig durch die Mani karren, vermutlich nach Aeropolis, 25 km entfernt, bzw. nach Mystras, 45 km, und Monembasia, 68 km. (Die Richtung erkenne ich daran, ob ein Bus unter meinem Balkon durchfährt oder vorher abbiegt.) Die Busse werden zwischen 14:30 und 15 Uhr wieder zurück sein, für die Besichtigungen bleiben also ca. 3 Stunden. Mehr wollen die meisten Gäste vermutlich gar nicht. 


Eine sehr große Anzahl von Schiffspassagieren jeden Alters, vieler Sprachen, mit Gehhilfen, Rollstühlen und in Trage-
gestellen, unterschiedlich sportlich ambitioniert angesichts der extrem steilen und hohen Treppen statt Straßen in Gytheio stellt für 5 Stunden die Montagsroutine im Städtchen auf die Probe. Erschwerend kommt eine (vielleicht auch mehrere?) Klassenfahrt griechischer Halbwüchsiger hinzu, die sich altersgemäß verhalten und einen schönen Kontrapunkt zu den extrem schluffenden, besichtigenden KreuzfahrerInnen bilden.


Lange Warteschlangen in der Nachmittagssonne zur Rückfahrt aufs Schiff
Das Schiff holt um 16:30 Uhr seinen Anker wieder ein, inte-
ressant mit meinem Opernguckerchen vom Hotelbalkon zu beobachten. Wer da wohl was gesehen hat, frage ich mich, in Mystras und Monembasia kann man tagelang unterwegs sein, aber selbst in Venedig wird ja der Kreuzfahrtrhythmus von ein paar Stündchen durchgezogen, also auch hier. Die Zeit fürs Schlangestehen zum Ausbooten und wieder Zurückbooten scheint kein Thema zu sein, das wäre der zweite Punkt, der mir unentschuldbar auf die Nerven ginge. (Der erste wäre: alle rein ins Hotel, dann werden die Türen abgeschlossen und keine/r darf mehr raus, wann er/sie möchte. Deshalb steht Punkt 2 sowieso nicht zur Debatte und ist die Kreuzfahrtidee an mich grundsätzlich verschwendet.) 


Das Hotel Aktaion empfehle ich. Es hat die Atmosphäre, die man heutzutage "retro" nennt, bequeme Betten und ausschließlich Zimmer zum Meer, freundlichen Service, günstige Preise, die Hafenbaustelle macht wenig Lärm (ich kann nur für derzeit sprechen). 
Das Städtchen Gytheio, ein beliebter Sommerort mit Stränden, vielen Tavernen und Bars hat auch sonst alles was der Mensch braucht, inklusive einer Wäscherei, wo man seine Klamotten einen Tag später frisch wieder abholen kann. 
Ein Kreuzfahrtschiff kommt laut Aktaion-Rezeptionistin 1 mal pro Woche vorbei. Das ist deutlich weniger als in Venedig. Herzliche Grüße an die NoGrandiNavi - Bewegung.


Zur ökologischen Vertiefung des Themas: Mehr Klimaschutz im Seeverkehr

9 Stunden zwischen rein und raus sind vorbei
 

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