28. September 2019

Herbstliche Gärten in Venedig 2019

Venissa-Garten auf Mazzorbo September 2019

Auch in diesem Herbst bietet der Wigwam Club Giardini Storici Venezia, der sich um die Pflege des historischen Gartenerbes in Venedig bemüht, sein jährliches Festival dei Giardini an, am 4., 5. und 6. Oktober.  Das Programm führt z. T. in Gärten, die bisher noch nicht besucht wurden. Anmeldung ist Pflicht über prenotazioni.giardinivenezia.gmail.com (Mail schicken und Antwort abwarten), wer vorher nach freien Plätzen fragen möchte, bitte SMS an +39 328 841 674 8. Letzteres empfiehlt sich, denn der Wigwam Club ist eine einzelne engagierte Frau, Mariagrazia Dammicco (siehe Eintrag zu ihren Veröffentlichungen: 20.4.2013: "Glyzinienrausch - April in Venedig"). Und es gibt genügend interessierte Venezianer*innen und Mitglieder des Wigwam Clubs, die sich jedes Jahr um Teilnahme an den Führungen bemühen. Also: man hat eigentlich keine Chance.

Was aber Gartenfreund*innen ermuntern sollte, venezianische Gärten auf eigene Faust zu erkunden, z. B. mit Hilfe meines Eintrags vom 30.5.2018


Die beschriebenen Gärten sind alle auch in diesem Jahr bis mindestens Ende der Biennale (24.11.) geöffnet -  mit Ausnahme des Gartens Soranzo Capello und des Giardino della Misericordia, die jeweils nur zu Sonderöffnungszeiten einladen. 



Achtung aktuelle Ergänzung! 

Der Garten des Palazzo Soranzo Capello (Sitz der oberen Behörde für Archeologie, Kultur und Landschaft) öffnet (mit kurzfristigster Information) am 4., 10. und 18.10. jeweils von 10-14 Uhr, mit kostenlosen Führungen um 10:30 und 11:30 Uhr. Keine Hinweise zur Voranmeldung. Haltestelle Ferrovia, kurzer Fußweg zum Rio Marin siehe Karte Googlemaps.



Der Park der Insel S. Giorgio Maggiore ist (mit einer Erweiterung) wie immer mit den stündlichen Führungen zu besichtigen und (ich wiederhole mich) sehr empfehlenswert, leider bieten die Führungen nicht genügend Muße, die reiche wilde Pilzflora des alten Klostergartenbereichs ausführlich zu studieren. 


Giardino delle Vergini Herbst 2019

Den Garteneintrag des letzten Jahres möchte ich mit weiteren Empfehlungen ergänzen, die den venezianischen Herbst gerade frühmorgens und spätnachmittags genießen lassen. 
An oberster Stelle steht für mich der öffentliche Gartenteil des Arsenale, in dem sich früher das Kloster der Vergini befand. Der große Park ist zu erreichen über den erst einige Jahre alten Ponte dei Pensieri (siehe auch Eintrag vom 26.6.2009 "Biennale Venezia - betrifft Brücke") und ich finde die Anlage so wunderbar, dass ich vor einem Jahr einen Eintrag dazu geschrieben habe: "Piet Oudolf-Garten in Venedig". Ich war vorletzte Woche da und wieder begeistert von der Stimmung (und der Blüte der Borstigen Krötenlilie s. u. in vollem Gange). LEIDER gibt es keine einzige Bank (bis auf derzeit eine Biennalebank, die ist Kunst!). Gerade hier, wo Sitzgelegenheiten an verschiedenen Punkten spezielle Ausblicke ermöglichen könnten und einen kontemplativen Gartengenuss, der die Besonderheit des Gartens noch steigern würde! Sehr schade.


Giardino delle Vergini Herbst 2019 - Borstige Krötenlilie

Dafür wurden im Uferpark auf S. Elena in diesem Jahr weitere der schönen roten Bänke aufgestellt, die wahre Entspannung erlauben mit Blick durch die Pinien auf sportlich aktive Menschen und den Verkehr in der Weite des Bacinos mit den grünen Inseln San Lazzaro degli Armeni, San Servolo und San Giorgio Maggiore. Und den früheren herbstlichen Sonnenuntergang, der in Venedig ja oft dramatisch, rot, überwältigend sein kann. Rote Bank - erste Reihe fürs tägliche Naturereignis! 


Parco delle Rimembranze, Sant' Elena Herbst 2019

Erfreulich! Die Universität Ca'Foscari öffnet den Garten der Ca' Bembo, einen neuen öffentlichen Park im Stadtteil Dorsoduro im September (ich habe die Öffnung bisher nicht überprüft) für Studierende, Schüler*innen der angrenzenden Grundschule Renier Michiel und das allgemeine Publikum. Schöner alter Baumbestand, Glyzinien, eine Wiese! Details zur Ca' Bembo. Öffnungszeiten sind März-Oktober Mo-Frei 8-12:15 und 15-18:30 Uhr; November-Februar Mo-Frei 8-12:15 und 15-17:30 Uhr. (Die Mittagspause dient der ausschließlichen Erholung der Grundschüler*innen.) Sehr nah bei der Kirche San Trovaso zentral in Dorsoduro ist das ein guter Ort, auf der Wanderschaft durch Venedig im Grünen eine Pause mit belegtem Brötchen oder Pizzastück einzulegen, ohne von der rigiden venezianischen Enjoy-Respect-Polizei gescheucht oder gar mit einer Knolle betraft zu werden. Eingang ist Ca' Bembo, Fondamenta Sangiantofetti 1074. Haltestelle Zattere, und weiter.


Sant' Elena, Parco delle Rimembranze, Herbst 2019

Weiter erfreulich: die schönen alten Giardini Papadopli, in den letzten Jahren sehr heruntergekommen, wurden im Sommer nach Rundum-Restauration und gärtnerischer Pflege wieder dem Publikum übergeben. Vom Bahnhof Santa Lucia und vom Piazzale Roma sind es nur jeweils eine Brücke in den Garten (Plan), eigentlich Privatbesitz des Hotels Papadopoli, das aber die Öffnung des Parks beibehält. Sehr schöner alter Baumbestand, die leicht hügelige Gartenplanung, die in Venedig einmal en vogue war, Bänke zu Füssen des Denkmals für Pietro Paleócapa - mehr als ein guter Ort, sich vor dem Bahn- oder Kreuzfahrtanschluss im Grünen zu entspannen.


Baustelle Giardini Reale Herbst 2019

Die unerfreuliche Nachricht dieses Eintrags ist, dass nach mehrfacher Öffnungsterminverschiebung die "Königlichen Gärten" zwischen Piazza San Marco und Bacino weit davon entfernt sind, im September eröffnet zu werden. Zu Beginn der Biennale kündigten die Medien den Termin 15.9. an, noch im Juli (!) war vom Herbst die Rede, versehen mit einem Baustellenfoto, das keine Frage offen ließ. 

Meinen älteren Einträgen kann man entnehmen, wie sich die Dinge entwickelten:
5.11.2017 "Baustellen in Venedig - Giardini Reali"
30.10.2018 "Kleine Zwischenmeldung zu den Baustellen"



Steht schon mal: die Pergola wie geplant an neuer Stelle

Die ersten Versprechungen sind also 5 Jahre alt, so lange bin ich gespannt auf die Restaurierung des Gartens und die Öffnung der Zugbrücke mit dem Durchgang auf die Piazza. Aber der Blick aus den "Gemächern der Kaiserin Sissi" im September zeigt, dass man weiter Geduld haben muss. 


Baustelle Giardini Reale September 2019

Die Kommentarlosigkeit ärgert mich schon, vor allem weil es in der Gegend um die Piazza herum keinerlei Sitzgelegenheiten für müde Menschen gibt außer in Bars, Restaurants, Vaporettohaltestellen (mit gültigem Fahrschein!). Erst wieder in den Kirchen entlang der Riva - San Zaccaria, San Giorgio dei Greci, San Giovanni della Bragora - kann man sich setzen, ohne vom bereits erwähnten Enjoyrespectpersonal vom Acker gejagt zu werden. Und auf den Steinblöcken, die ab der Haltestelle Arsenale zum Sitzen einladen. Und dann weiter in die menschenfreundlichen Gefilde der Gärten der Marinaressa, der napoleonischen Allee Viale Garibaldi und noch weiter auf die einladenden roten Bänke von Sant' Elena. 

Giardini della Marinaressa. Biennale Herbst  2019

Wer zur Zeit auf den Besuch venezianischer Gärten verzichten muss, tröstet sich vielleicht mit der Doku des Bayerischen Fernsehens "Die Gärten Venedigs".
  

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19. September 2019

Die Bäume in der Lagune

Küchenfensterblick auf die abgebaute Haltestelle Celestia

Aktuelle Information aus dem Eintrag "Venedig Fahrpläne 2019 - Stadt und Lagune":

16.-24.9.
Haltestelle Celestia außer Betrieb. Der schwimmende Teil des Anlegers wurde komplett abgebaut und das Wartehäuschen aus Glas und Metall abtransportiert. Alternativen sind die Haltestellen Ospedale oder Bacini oder der ein wenig längere Fußweg durch die 'dünnste' Nord-Süd Stelle von Venedig zur Haltestelle Arsenale. Dies betrifft auch die Besucher*innen des Litauen-Pavillons, die Mittwoch und Samstag in Scharen durch Castello pilgern!

Per Zufall hatte ich am 18.9. ein Gespräch mit dem Kommunalbeamten, der für diese Art von Arbeiten zuständig ist und erfuhr, dass entgegen meiner Vorstellung keineswegs die Haltestelle repariert werden muss, sondern es hier um den Ersatz der Holzpfähle geht, die wie ein kleiner Wald rechts und links des Haltestellenpontons die Funktion von "Parkplätzen" für die Anwohner*innen der Nachbarschaft haben. Der große Teil der 12 m langen Pfähle, die 6 m tief im Schlamm stecken und aus Wäldern nahe der Dolomiten stammen und traditionsgemäß der Stadt Venedig gehören, ist so morsch, dass sie ausgetauscht werden müssen. 
Während ihrer Lebensdauer werden die Pfähle auch häufig umgesetzt, weil sich Größe und Stellung von Bootsparkplätzen ändern. Auch das trägt zum Verschleiß der Baumstämme bei.
Also wenn, dann alle, und es rechnet sich anscheinend, dafür die Haltestelle aufzuheben und der gesamten Anwohnerschaft viel weitere Fußwege und Brücken zuzumuten.



Jeder neue Stamm kostet 6000 € und die Arbeit selber - Pfosten mit Bagger aus dem Schlamm ziehen, danach neuer Pfahl mit Spezialgerät wieder in den Schlamm rammen - ist langwierig, lärmintensiv und vor allem nicht nachhaltig. Jeder neue teure Stamm muss irgendwann ersetzt werden und wieder steckt ein Stück Fichtenwald in der Lagune. Die Lagune ist voll mit morschen Baumstämmen, die oft sogar brechen, bevor sie ersetzt wurden und dann als Gefährdung des Bootsverkehrs im Wasser treiben.

Es gibt überall in Venedig bereits solche langen Pfosten, die aus Plastik hergestellt, also gegossen, sind. Sie werden als unästhetisch empfunden und nicht der Tradition des Welterbes Venedig und der Lagune entsprechend. Denn die Stadt ruht auf unendlich großen Wäldern, die im Laufe von 1000 Jahren die Lagune so stabilisiert haben und noch stabilisieren, dass dieser einzigartige städtische Lebensraum entstehen konnte. 
Ich bin bei den ersten, die die Werte und Aufgaben des Denkmalschutzes wertschätzen und verteidigen. Aber ich finde, man könnte mal damit aufhören, Bäume in den Himmel wachsen zu lassen, um sie dann ich den Schlamm zu hauen, wenn es dafür, im Gegensatz zu den letzten 1000 Jahren, Alternativen gibt. In Zeiten des Klimawandels bzw. der anstehenden Klimakatastrophe sind unästhetische Plastikpfosten die nachhaltige und angemessenere Lösung. Oder?






Ergänzung 23.9.19

Nachdem Christoph bereits einen informativen Kommentar zur Nutzung von Bäumen hinterlassen hat (klicke unten, Kommentare), danke ich Wolfgang für einen weiteren Kommentar + Fotos per Mail (und für die Erlaubnis, beides hier einzufügen):
"...ich nehme Bezug auf deinen Blog mit den Baumstämmen.
Ich war vor Kurzem bei Freunden in Südtirol und schicke dir 2 Bilder
wie dort der Wald momentan in großen Teilen aussieht.
Schuld war der Sturm im letzten Oktober. Es gibt also Holz in Hülle und Fülle…"

Quelle: Wolfgang

Quelle: Wolfgang

Ergänzung 10.04.2020
Ein Fund auf der Seite der Stadtführerin Luisella Romeo:



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17. September 2019

Rote Segel in der Lagune

Von links nach rechts: Mazzorbo, Campanile von S. Angelo,
Campanile von S. Catherina, Friedhof von Mazzorbo, Burano,
Wassertrum von Burano, Campanile von S. Martino
(von 'meinem' Küchenfenster nach der Rückkehr aus Burano)

Venedig, wirklich nicht arm an sportlichen Wettkämpfen auf dem Wasser von der volkstümlichen Voga Longa (auf der nicht nur gerudert, sondern auch gesegelt werden kann), über die vielen Wassersportorganisationen der Stadt bis hin zu Hochglanzmarketingereignissen internationaler Segelyachten im Bacino, wird nach der protzigen Show der Motoryachenindustrie "Nautica" im Arsenale in diesem Sommer sehr beglückt mit dem 


Kunstprojekt "Red Regatta" der Künstlerin Melissa McGill

Viermal waren ca. 50 venezianische Boote mit roten Segeln in Aktion und Kooperation mit der venezianischen AVT (Assciazione Vela al Terzo) zu bewundern: entlang der Fondamente nove, im Canale della Giudecca und im Bacino, in der Südlagune bei Poveglia und in der Nordlagune um Burano und Mazzorbo herum. Zweimal gab es offene Gesprächsveranstaltungen mit Melissa McGill und Vertretern der AVT im Ocean Space in San Lorenzo, dem neuen Sitz der TBA21 Accademy, die Kunst als Medium des Meeresschutzes weltweit studiert, praktiziert und fördert.


Basilika und Campanile von Torcello

Die Vaporettofahrt nach Burano zählt zu den Horrortrips in Venedig. Reiseführer, obwohl angeblich regelmäßig überarbeitet, beschreiben weder ehrlich das ballermannmäßig überlaufene Burano, wo man sommers kaum einen Schritt ohne Körperkontakte machen kann, noch sehen sie ab davon, Torcello als 'authentische Oase der Stille' zu propagieren. Was das Gegenteil der Realität ist. Also suchen jährlich größere Massen die Inseln im Norden heim, fahren in vollgestopften Vaporetti hin (jeder Tiertransport dieser Qualität wäre rechtswidrig), und nach einem heißen Nachmittag zurück in Gesellschaft dann rüpeliger, besoffener, kotzender Mitmenschen. Ich muss das nicht haben und fahre im Spätherbst in die Nordlagune und dann ganz früh zwischen 8 und spätestens 12 wieder zurück (die Basilika und das Museum öffnen um 10). 
Aber für die letzte "Red Regatta" vorgestern habe ich die Fahrt gegen Mittag angetreten. Es war so schlimm wie erwartet, aber das außergewöhnlich Bild der roten Segel in der Lagune war es mir wert. Hier sind ein paar der Eindrücke. 
(Zum Vergrößern auf die Bilder klicken bitte.)


Basilika und Campanile Torcello











Stunden später... der letzte Heimkehrer (vom Küchenfenster aus)


Ergänzung 1.11.19
Melissa McGill's Environmental Art in Venice


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11. September 2019

Studie der Universität Ca' Foscari



Die Universität Ca' Foscari führt derzeit eine Studie zum Tourismus in der Lagune von Venedig durch. Ich nehme an, dass Leser*innen dieses Blogs interessiert sind, sich an der Studie zu beteiligen. Die Meinungen von uns Besucher*innen zum Thema nachhaltiger Tourismus sind gefragt, Gelegenheit nutzen. 

Das Thema muss das aus meiner Sicht mit großer Sensibilität und Unterstützung qualifizierter Umweltfachmenschen untersucht werden, falls die Gefahr besteht, dass immer mehr Menschen durch die Lagune geschippert werden, zum Schaden von Flora und Fauna und der Bewohner*innen. Ebenso die Frage der Lagunenfischerei. Ob Angebote zur Verkostung von Lagunenfrüchten sinnvoll sind, von denen im Fragebogen die Rede ist, scheint mir fragwürdig. Und die ökologisch unsägliche und z. T. kriminelle Fischerei (z. B. Muschelernte durch Schleppnetze in der südlichen Lagune) muss auch im Zusammenhang mit der Nachfrage durch immer mehr Tourist*innen gesehen werden.
Am besten wäre allerdings vermutlich, das motorisierte Ausflugswesen in die Lagune ganz zu unterlassen, ebenso wie Lagunenfrüchte auf Hoteltischen. Wenn Ausflüge nur noch mit Ruder- und Windantrieb angeboten würden, würde sich schon allein dadurch die Nachfrage (auch durch den Preis,  nicht nur durch Umweltbewußtsein) etwas regulieren. Und beim weltweit erforderlichen Meeresschutz sollte der Verzehr von Fisch und Meeresfrüchten, bei aller Köstlichkeit, nicht mehr propagiert werden. 

Ob die Untersuchung der Ca' Foscari hier zu wissenschaftlichen Resultaten führt, muss sich zeigen. Wichtig sind die Konsequenzen, die man daraus zieht und die Bereitschaft, sie zu realisieren.

Hier steht der Fragebogen in deutscher Sprache. Er ist teilweise nicht perfekt logisch, kann passieren, finde ich nicht schlimm. Hier unten kann man auch die Verbindung scannen.

Wer das möchte, kann den Fragebogen an weitere Venedigfreund*innen schicken.






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4. September 2019

Bettenboom in Mestre - Luxuslogis in Venedig

Baustelle Ca' di Dio

Ein Hotelbett in Mestre steht in der Stadt Venedig. Das ist ein zentraler Punkt des Hotelmarketings von Mestre. Wer Venedig nicht kennt und die Information "in 20 Minuten am Markusplatz" in die Vorstellung umsetzt, ein sehr günstiges Hotel zentral in Venedig zu buchen, erlebt wahrscheinlich eine Enttäuschung. 

Die Stadt Mestre wurde 1926 nach Venedig eingemeindet. Als quasi proletarische Vorstadt der petrochemischen Industrie am Ufer der Lagune, mit ca. halb so vielen Einwohner*innen als damals im 'Centro Storico', also in Venedig, lebten. Die Bevölkerungsstatistik vom Dezember 2018 zählt 260.520 Bürger*innen im gesamten Stadtgebiet (inkl. aller Eingemeindungen), davon  52.996 Bürger*innen in Venedig (ohne Inseln der Lagune) und 116.996 Bürger*innen in Mestre/Marghera. 
Dieser Bevölkerungszuwachs und -wandel ist mit ein Grund für die Kommunalwahlergebnisse (Lega und weitere rechte Konsorten!) und die sich rasant ändernde Rolle Venedigs, die immer mehr als "Museumsviertel" der "Metropolitanstadt Venedig" bestimmt wird: das der finanziellen Verwertung dienende Touristenzentrum am anderen Ende der Brücke. Dessen räumliche Kapazitäten ihre natürlichen Grenzen haben und deshalb einträglicher genutzt werden müssen (Luxussegment!). Aber darüber hinaus leicht erweitert werden können, im "Venedig" an der Landseite der Brücke, in Mestre. Verkehrstechnisch kein Problem mit den Trenitalia-Bahnen vom Bahnhof Mestre nach Venedig-Santa Lucia ohne Zwischenstopp und Bussen von ATCV und ATVO, und, so der Verkehr die Nutzung der Schiene erlaubt, mit der Tram

Mestre entwickelt sich seit Jahren im preiswerten Standardhotelsegment. Die Anzahl der Tagestourist*innen, die mit Reisebussen, Kreuzfahrtschiffen und Ausflugsbooten die Basis des für die Stadt angeblich wirtschaftlich impotenten Rein-und-Raus-Tourismus darstellen, wird damit verstärkt. Das Amt für Tourismus gibt in Kürze einen Flyer heraus, der verstärkt Tourist*innen nach Mestre 'dirigieren' soll. 

Wenige Beispiele illustrieren die Entwicklung: 
zwei AO Hostels existieren seit 2017, 2 Riesenklötze direkt am Bahnhof (und mitten im 'Bahnhofsviertel') von Mestre (lies Absätze "Im günstigen Hostel die Vielfalt Venedigs erleben " und "Unsere AO Hostels in Venedig: Ihre Unterkünfte zum besten Preis").
In direkter Nachbarschaft entlang der Via Ca' Marcello, wurde im Frühling das neue Hotelviertel eröffnet, das nicht-italienische Hotel- und Restaurantketten unter sich aufteilen, deren Segment vor allem Reisegruppen (große Gruppen aus asiatischen Ländern) sind. Ein Hotel neben dem nächsten, zu weit unter venezianischen Zimmerpreisen und das zu Recht, denn hier ist alles Mögliche, aber nicht das 'Traumziel' Venedig.  

In Venedig (also: Centro Storico) wurden weitere alte Gebäude (verkauft und) umgebaut in mehr oder weniger stilvolle Herbergen des Luxussegments. So trennt man die Spreu vom Weizen. Werfen wir einen kleinen Blick!

Soeben, zu Beginn September, eröffnet an den Zattere das Hotel Palazzo Experimental der französischen Hotelkette Eperimental Group. Der spätgotische Palazzo Molin des 15. JH, vormals im Besitz der Unternehmerfamilie Stucky, war seit 1932 Sitz der ehemaligen Compagnia Adriatica di Navigazione. Wunderbare Fotos des Palazzo zeigt BlueOscar auf seinem Blog.
Ergänzung 30.0.: Dezeen berichtet in der heutigen Ausgabe über die Innenausstattung des Experimental.

Ebenfalls in französische Hände wechselt das traditionelle 5* Hotel Cipriani auf der Giudecca. Es wird von der Gruppe LVMH übernommen, die in Venedig bereits mit Luxusgeschäften wie Louis Vuitton vertreten ist, aber besondere Bedeutung vor allem für Shopping-Tourist*innen hat durch den "T-Fondaco" im ehemaligen Fondacco dei Tedeschi.

Auf dem Gelände der Ex-Gasometers westlich von San Francesco della Vigna plant die Immobiliengruppe MTK (Wien) Luxusapartments "im Stil von Londons King's Cross". Ursprünglich war die Idee, ein Luxushotel zu bauen, zusätzlich aufgewertet durch die Marina an der Laguna Nord direkt vor der Hoteltür und mit dem Vorzug einer luxuriös-ruhigen Lage ohne Durchgangslauferei des Tagestourismus. Informationen dazu sind von 2018, ich finde keine neueren Informationen, ob es definitiv Apartments oder vielleicht doch ein Hotel geben wird.
Das Kloster und ein Gymnasium als Nachbarn und ein bisher noch relativ privates venezianisches Viertel im Hintergrund müssen die neue Nachbarschaft hinnehmen, wenn es soweit ist. In der Planung ist deshalb enthalten die vertragliche Vereinbarung, der Schule eine bisher nicht vorhandene Sporthalle zu bauen. Damit hat die Schule nicht nur die ehemalige Kirche S. Giustina als herausragende Aula, sondern auch eine Sporthalle mit vermutlich allem Zipp und Zapp. Auch die barrierefreie Renovierung der Brücke über den Rio di S. Giustina gehört zur Planung der Luxusanlage.
Vor einem guten Jahr wurde der Vertrag zur ökologischen Sanierung des Areals geschlossen. Bei den Arbeiten wird man vermutlich auf menschliche Überreste stoßen, denn auf diesem Gelände bestattete zu Zeiten der Serenissima die Bruderschaft der 'Picai', die Scuola di San Fantin, die Körper der Hingerichteten.
Ergänzung 11.3.20: 
Bei den Bauarbeiten wurde auf dem Geländer der Gasometer die Vera da Pozzo wiedergefunden, die früher vor der Kirche stand (Google Übersetzung möglich).

Ein weiteres Hilton-5*-Luxushotel soll auf dem Gelände des ehemaligen botanischen Gartens hinter S. Giobbe entstehen, das dann zusammen mit dem Hotel Molino Stucky auf der Giudecca und dem Hotel Sagredo am Canal Grande den venezianischen 5*-Hilton-Pool bilden soll. 
Für den riesigen, lange stillgelegten botanischen Garten war eine Nutzung von 130 Apartments und Wohnungen, 20 % ausschließlich für venezianische Familien, geplant. Vorgesehen war auch die Erhaltung eines Teils des Parks und ein Gebäude zur öffentlichen Nutzung, z. B. für eine Schule. Daraus wird nichts, das Gelände wurde von Unternehmen aus Apulien und Kalabrien gekauft und soll nun ertragreicheren Zwecken zugeführt werden. So soll man sich das vorstellen
Im April noch liessen Stadtverwaltung und Bürgermeister Brugnaro wissen, dass es für das geplante 230-Zimmer-Projekt keine Sondergenehmigung gäbe, bzw. wenig Spielraum dafür... aber die x-fache Erfahrung lehrt ja, wie das mit den Genehmigungen geht in Venedig, wenn alle Interessen endgültig abgewogen wurden. 
Der Rektor der Universität Ca' Foscari meldet Interesse am ehemaligen botanischen Garten an, der ja direkt neben der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät (im ehemaligen Schlachthaus bei San Giobbe) liegt. Er würde dort gerne eine Business School einrichten... Ob ihm die apulischen und kalabrischen Besitzer das Gelände wohl günstig verkaufen?! Warten wir die Sache ab.

Ein weiterer Palazzo zwischen Guggenheim und Salute ist mit dem Axel Hotel Venice seit Beginn dieses Jahres Teil der U.S. amerikanischen Sonders and Beach Hotelgruppe. Geboten ist 'nur' 4*Luxus, aber ihre Axel-Hotels nur für Erwachsene sind an die anspruchsvolle internationale Zielgruppe LGBTQ gerichtet, gehört also auch zum Luxussegment. 

Auch Murano hat seit Mai ein 4.5*Hotel, das Hyatt Centric. 119 Zimmer in einer der ehemaligen, stillgelegten Glasbläsereien. Die Konvertierung und der vielen alten Industriestrukturen auf Murano folgen (siehe auch Eintrag vom 13.1.16: "S. Chiara in Murano").

Bereits für Ende 2018 hatte die italienische Salute Hospitality Group die Eröffnung des 5*-Hauses Gran Meliá Ca' di Dio der spanischen Hotelkette Meliá an der Riva Ca' di Dio angekündigt, es gab ziemlich rege Medienbegleitung, da hier ein Altenheim in eine touristische Struktur (mit Schwimmbad!) konvertiert werden sollte. 
Das Gebäude war seit dem 13. JH das vom Kloster San Giorgio Maggiore unterhaltene Hospiz/Herberge für Pilger (später auch Pilgerinnen) ins Heilige Land, die auf ihre Einschiffung zur 'Pauschalreise' warteten. Die Wartezeit war lang, der Aufenthalt ging ins Geld, manche Reise musste deshalb abgebrochen und manch andere konnte wegen Krankheit oder Tod nicht angetreten werden. In unmittelbarer Nähe des Ca' di Dio gab es quasi als Ersatz Kirche und Kloster San Sepolcro (Kirche ist abgerissen, Kloster ist die heutige Kaserne Caserma Cornoldi). Auch San Zaccaria, eine Brücke weiter, bot als Ersatz für den wirklichen Besuch des Heiligen Grabes in Jerusalem ein "Sepulcrum Domini" an, das leider nicht mehr existiert. 
Im Juni war die Baustelle aber noch eingerüstet. Recherche ergibt, dass im September 2018 war die Arbeiten ruhten, Rechnung ungezahlt waren, die Stadtverwaltung besorgt. Neuere Informationen sind derzeit nicht zu finden. (Siehe Foto oben.)

Vor 10 Jahren verkaufte die Universität IUAV ihr Gebäude Palazzo Pemma Zambelli am Campo San Giacomo dall' Orio für über 7 Mio. €, das Gebäude wurde renoviert und die Eröffnung des 4*-Hotels Aquarius der Choice Hotelkette ist wohl demnächst zu erwarten. Auch ein Haus mit nur 28 Zimmern und 5 Apartments dürfte dem bis jetzt noch volkstümlichen Campo (von Schulklassen bepflanzte Baumscheiben, viel Kinderspiel und Nachbarschaftsleben um die Kirche herum) eine empfindliche Veränderung zufügen.

Der wunderbare, aber erschreckend heruntergekommene Palazzo Donà Giovanelli bei Santa Fosca wurde von New World China Land gekauft. Bis vor ca. 10 Jahren hatte im Garten des ewig leerstehenden Palazzos noch ein Bildhauer/Steinmetz seine mit Ausstellungstücken vollgestopfe Werkstatt, bis auch er aufgab.
Für 2022 ist (nach anstehender Restaurierung) die Eröffnung des Rosewood Venice geplant, das zur Luxushotelkette Rosewood gehört. Man darf gespannt sein, denn die Pressemeldung wurde im www mit diversen Öffnungsterminen von 2020-22 veröffentlicht - und bisher gibt es keine Anzeichen von Renovierungsarbeiten (siehe unten Foto vom Juni 2019). 

Palazzo Donà Giovanelli


Es gibt weitere, z. T. ziemlich hochfliegende Planungen und Projekte im Luxushotelbereich, die sich via Twitter oder Newsletters in meinem Computer angesammelt haben. Mehr davon demnächst.

(Ich möchte betonen, dass dieser Eintrag nicht als Werbung verstanden werden soll. Ich habe keinen Kontakt zu diesen Häusern und war nicht, wie von Reiseblogger*inen oder -journalist*innen manchmal zu lesen ist, kostenlose Nutznießerin des tollen Luxus.)

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